• 14.09.2003 18:01

Das große Siegerinterview mit Michael Schumacher

Der Ferrari-Superstar über das Überwinden der jüngsten Krise, den überwältigenden Sieg in Monza und den heutigen Rennverlauf

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Michael, das ist ein historischer Tag für dich, dein 50. Sieg für Ferrari."
Michael Schumacher: "Ja, ich denke, es sind viele Dinge, die hier zusammen kommen. Zunächst einmal ist es schon eine Weile her, dass ich mein letztes Rennen gewonnen habe. Hinter uns liegen schwierige Rennen ? nicht nur, weil wir nicht gewonnen haben, sondern auch, weil wir nicht die Punkte geholt haben, die wir uns vorgenommen hatten. Dann kam die Sommerpause und da ging ein Ruck durch das Team, in der Fabrik, überall, bei jedem. Alle sind motiviert, geben mehr als 100 Prozent und das ist einfach unglaublich. Gestern konnte ich schon ein wenig mit der Pole Position zurückgeben, aber heute ist einer der schönsten Tage meiner Karriere, ganz ehrlich. Ich bin allen im Team so dankbar, denn diese Jungs haben einen bemerkenswerten Job gemacht ? alle im Testteam, jeder Ingenieur in der Fabrik bis hin zur Putzfrau. Alle sind großartig, ich bin richtig verliebt in sie. Ein Riesen-Dankeschön!"

Titel-Bild zur News: Michael Schumacher

Am Podium ließ sich Schumacher von der Menge euphorisch feiern

Frage: "Die erste Runde wird dir sicher in Erinnerung bleiben, nicht wahr?"
Schumacher: "Ja, es war schon in der ersten Kurve eng. Bei mir blockierten die Räder und beinahe hätte ich die Schikane nicht gekriegt. Ich hätte geradeaus fahren können oder mich irgendwie durchzuwurschteln und zu riskieren, eine Position zu verlieren, was mir fast passiert wäre, denn Juan kam von außen und wir hatten einen netten Fight in diesen beiden Kurven. Es war hart und fair, genau so, wie es die Leute sehen wollen. Am Ende konnte ich den Zweikampf für mich entscheiden und einen Vorsprung aufbauen, der für den Rennausgang sehr hilfreich war."

Frage: "Warum kam dir Juan-Pablo im zweiten Stint so nahe?"
Schumacher: "Aus irgendeinem Grund lief es im zweiten Stint nicht so gut für uns, ein bisschen besser für Juan, aber wir blieben in Führung und am Ende des Stints konnte ich sogar wieder etwas Zeit gutmachen, was entscheidend war. Da begann es einfach wieder besser zu laufen. Juan ist dann früher rein gekommen, um den Vorteil zu nutzen und vor mich zu kommen, aber wir konnten die Führung trotzdem verteidigen."

Frage: "Juan-Pablo glaubt, dass es in Indianapolis und Suzuka wieder anders aussehen wird. Wie schätzt du die verbleibenden beiden Rennen ein?"
Schumacher: "Es ist ziemlich offen und es wird ziemlich interessant. Das ist alles. Ich denke, man kann schon sagen, dass wir unsere Situation verbessert haben. Wir werden uns weiterhin verbessert. In so einer Phase kommt es nur darauf an, wer sich mehr steigern kann."

Neue Zuversicht: "Ein starker Motor hilft überall"

Frage: "Aber stimmst du Juan-Pablo darin zu, dass dieser Kurs besser war für Ferrari als beispielsweise Indianapolis oder Suzuka?"
Schumacher: "Ich finde, dass unsere Motorenleute einen fantastischen Job gemacht haben ? und ein starker Motor hilft überall. Wenn man die letzten drei Rennen analysiert, sieht es vielleicht so aus, als käme uns High-Downforce nicht entgegen, Low-Downforce schon eher, aber vielleicht spielen da auch andere Faktoren mit rein. Das müssen wir herausfinden. Indy ist keine besondere Downforce-Strecke, so ähnlich wie Kanada, wenn ich mich richtig erinnere. Wir waren hier einfach stark, weil wir eine gute Aerodynamik und einen guten Motor haben, ein gutes Paket. Letztes Jahr haben wir auch mit Rubens und mir gewonnen, also kommt das nicht als Überraschung."

Frage: "Monza hat ein beeindruckendes Podium. Wie war es da draußen um deine Emotionen bestellt?"
Schumacher: "Ich hatte die Erfahrung schon letztes Jahr ? damals nicht als Sieger, sondern als Zweiter. Es ist einfach wunderschön. Zunächst einmal haben wir so ein wichtiges Rennen gewonnen, wenn man alles bedenkt, was zuletzt passiert ist, und dann siehst du auch noch so viele Emotionen mitspielen. Außergewöhnlich."

Frage: "Noch sind zwei Rennen zu fahren, aber hat sich auch etwas Erleichterung unter deine Emotionen gemischt?"
Schumacher: "Ja, ganz sicher. Wir haben immer an uns geglaubt. Wir wussten, dass das schwierige Zeiten waren, aber wir wussten auch, dass wir uns zurückkämpfen können. Es sind aber zwei verschiedene Paar Schuhe, so etwas zu wissen und es tatsächlich zu schaffen. Heute ist es uns endlich gelungen und wir haben die Führung bei den Fahrern auf drei Punkte ausgebaut. Auch bei den Konstrukteuren sieht es wieder besser aus, obwohl ich den genauen Stand nicht im Kopf habe. Ein sehr wichtiges Rennen!"

Nur in den letzten Runden Zeit zum Durchatmen...

Frage: "Ein fantastisches Rennen, fantastische Pace. Blieb da überhaupt einmal Zeit zum Durchatmen?"
Schumacher: "Juan hatte zum Schluss Probleme beim Überrunden und ließ es dann locker angehen, was ich dann auch tat. In der Phase war es ein bisschen einfacher."

Frage: "Bist du am Start gut weggekommen?"
Schumacher: "Ja. Wir haben hart an unserer Start-Performance gearbeitet und offensichtlich haben wir sie auch verbessert. Normalerweise wurden wir gleich immer überholt, aber das war heute eben nicht der Fall. Natürlich habe ich nicht den vollen Überblick, aber ich kann mit Juan vergleichen und da sind wir in etwa gleich gut weggekommen. Nach dem Losfahren war ich sogar etwas im Vorteil und so hatte ich vor der ersten Kurve eine komfortable Position."

Frage: "Er kam dir in den einzelnen Stints anfangs immer näher und fiel dann etwas ab. Hattest du das Gefühl, dass die Konstanz eurer Reifen besser war?"
Schumacher: "Es stimmt nur für den zweiten Stint, dass er mir nahe kam und ich nicht wirklich darauf reagieren konnte, aber dann setzte ich mich wieder ein bisschen ab. Ich hatte eine gute Pace und er entschied sich, ein bisschen früher an die Box zu gehen."

Frage: "Nach deinem zweiten Stopp lagst du hinter einem Williams. Warst du da kurz besorgt?"
Schumacher: "Das war ich in der Tat, denn das Team war sich nicht ganz sicher, wer wer sein würde. Zuerst sagten sie mir, es müsste sich ausgehen, aber dann hörte ich sie am Funk schreien, dass er kommt. Plötzlich war ein Williams da und ich fragte mich, wie er das gemacht hat! In einer der Kurven hätte ich mich dann fast gedreht, weil ich unbedingt Druck machen wollte, aber dann war es zum Glück Gené."

Speed-Rekord bedeutet Schumacher nicht viel

Frage: "Du hast heute den schnellsten Grand Prix der Geschichte gewonnen, was die Durchschnittsgeschwindigkeit angeht. Dein Schnitt von 247 km/h liegt fünf km/h über dem bisherigen Rekord. Was sagst du dazu?"
Schumacher: "Naja, ich schätze, der alte Rekord ist vor so langer Zeit aufgestellt worden, dass ich da noch gar nicht am Leben war. Oder?

Frage: "Es war 1971."
Schumacher: "Ach so. Die beiden Jungs neben mir waren da noch nicht am Leben, ich schon. Ich mache mir keine Gedanken darüber. Es gibt mir nichts. Zehn Punkte, die schnellste Runde ? aus solchen Dingen schöpfe ich viel mehr."

Frage: "Hier, auf einer Low-Downforce-Strecke, seid ihr traditionell stark. Glaubst du, dass ihr in den letzten Rennen genauso konkurrenzfähig sein werdet?"
Schumacher: "Ich weiß nicht, ob Ferrari auf Low-Downforce-Strecken traditionell gut ist. Ich denke eher, das war nur in den letzten zwei Jahren so ? und letztes Jahr waren wir überall traditionell schnell! Indy ist nicht High-Downforce, vielleicht sogar eher wenig. Wenn das alles nur damit zusammenhängt, wie viel Downforce wir fahren, dann würde mich das sehr überraschen. Ich glaube, dass weit mehr Faktoren ausschlaggebend sein werden. Was ich vorhin gesagt habe bezüglich unserer Steigerung, gilt auch für das Saisonende. Ich denke, wir werden überall konkurrenzfähig sein, nicht nur hier."

Frage: "Du fährst gegen Juan-Pablo um die Weltmeisterschaft und in einer Kurve haben wir euch Rad an Rad gesehen. Hat da dein Herz ein bisschen höher geschlagen, wenn so viel auf dem Spiel steht?"
Schumacher: "Es ist aufregend, so ein Manöver zu haben und so knapp beieinander zu sein, aber man denkt sonst an nichts, sondern konzentriert sich nur auf die spezielle Situation."

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