• 31.01.2006 18:00

Das große Interview mit Weltmeister Fernando Alonso

Der jüngste Formel-1-Weltmeister aller Zeiten über seine Eindrücke vom R26, seine Saisonziele für 2006, den Wechsel zu McLaren-Mercedes und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Ende 2005 wirkte Fernando Alonso meistens angespannt und genervt, doch die Winterpause scheint dem frischgebackenen Weltmeister gut getan zu haben: Bei der Präsentation des neuen Renault R26 in Monaco präsentierte er sich jedenfalls so gelassen wie schon lange nicht mehr - und mit Verlobungsring an der rechten Hand. Sein erklärtes Saisonziel ist die Titelverteidigung.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Der jüngste Weltmeister aller Zeiten will 2006 zum Doppelschlag ausholen

Frage: "Fernando, welche Reaktionen hat es nach deinen WM-Titeln in Spanien gegeben? Kannst du dich in deiner Heimat überhaupt noch frei bewegen?"
Fernando Alonso: "Nein, nicht wirklich. Ab Anfang 2005 nahm das Interesse der Menschen an der Formel 1 immer mehr zu, was ja auch die TV-Zuschauerzahlen zeigen. Nach Fußball ist die Formel 1 die zweitbeliebteste Sportart! Das ist natürlich einerseits schön, andererseits aber auch wieder nicht, denn ich kann zum Beispiel nicht mehr einfach zum Abendessen in ein Restaurant gehen."#w1#

Alonso fiebert dem Saisonauftakt entgegen

"In Bahrain werden wir bereit sein." Fernando Alonso

Frage: "Wie ist dein erster Eindruck vom neuen Auto?"
Alonso: "Es fühlt sich gut an. Wir haben in Barcelona und Jerez schon damit getestet. Ich bin sehr happy mit dem Auto, auch wenn wir uns noch verbessern müssen. In Bahrain werden wir bereit sein."

Frage: "Wie fühlt sich der R26 im Vergleich zum alten Auto an, was Chassis und Motor angeht?"
Alonso: "Im Moment recht ähnlich. Chassisseitig hat sich nichts dramatisch verändert, weshalb das Auto ziemlich ähnlich zu fahren ist. Was den Motor angeht, haben wir natürlich viel weniger Leistung zur Verfügung. Man muss jetzt halt mehr Geschwindigkeit durch die Kurven mitnehmen. Daran muss man sich als Fahrer erst einmal gewöhnen, aber ich mit dem Gesamtpaket sehr zufrieden. Verglichen mit der Konkurrenz haben wir jedenfalls eine gute Ausgangsposition. Wir müssen das Auto noch verbessern, aber wir können ja noch den ganzen Februar hindurch testen. Momentan sind wir sehr glücklich, und für uns Fahrer hat sich im Vergleich zum R25 kaum etwas verändert."

Frage: "Wie sind die bisherigen Wintertests verlaufen?"
Alonso: "Die besten Teams waren bisher Renault, Honda und Ferrari, wie man letzte Woche in Barcelona ganz klar sehen konnte. Diese drei Teams sind im Moment die Referenz, aber wir haben ja erst Ende Januar und müssen noch ein paar Wochen abwarten. Im Moment herrschen bei den Tests nur drei oder vier Grad Streckentemperatur, aber die ersten Saisonrennen werden ganz anders, viel wärmer. Man muss also abwarten, aber die drei genannten Teams schätze ich derzeit am stärksten ein."

Renault scheint motorenseitig gut gerüstet zu sein

"Ich weiß nicht, was McLaren gemacht hat, aber unser Motor war im Juli erstmals am Prüfstand." Fernando Alonso

Frage: "Hattet ihr irgendwelche Probleme?"
Alonso: "Nein. Die neuen Regeln machen es für niemanden einfach. Wir mussten einen komplett neuen Motor bauen. Ich weiß nicht, was McLaren gemacht hat, aber unser Motor war im Juli erstmals am Prüfstand. Ins Auto haben wir ihn relativ spät eingebaut, erst im Januar, aber er war nach den vielen Prüfstandsläufen schon absolut einsatzbereit. Ich mache mir keine Sorgen. Natürlich werden die einzelnen Motoren der Teams am Saisonbeginn unterschiedlich stark sein, aber in der zweiten Saisonhälfte müsste sich das eigentlich ausgleichen. Alle Hersteller werden einen guten V8 haben."

Frage: "Vergangenes Jahr konntest du den Grundstein für deinen WM-Titel am Saisonbeginn legen. Glaubst du, dass du das wiederholen kannst?"
Alonso: "Ja, wir werden es versuchen. Ziel des Teams ist es jedenfalls, ein fahrbares und zuverlässiges Auto zu haben. Gerade in den ersten Saisonrennen ist das besonders wichtig, wenn man die wichtigen Punkte mitnehmen will. Im Moment sind wir mit dem R26 voll im Plan, also gehe ich davon aus, dass wir in den ersten paar Rennen gut in Form sein werden."

Frage: "Wer ist für dich WM-Favorit?"
Alonso: "Ich denke, dass Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) ist als siebenfacher Weltmeister für uns immer die Referenz sein muss. Wenn Ferrari so stark ist, wie sie im Moment aussehen, dann ist Michael Favorit."

Alonso will ein neues Kapitel seiner Karriere aufschlagen

Renault R26

Mit diesem Auto will Fernando Alonso seinen WM-Titel erfolgreich verteidigen Zoom

Frage: "Warum verlässt du das Team, das dir in der Formel 1 so viel geholfen und dich zum Weltmeister gemacht hat, um zum zweitbesten Team zu wechseln?"
Alonso: "Ich habe eine Etappe meiner Karriere beendet. Ich bin 2002 zu Renault gekommen, als sie im Jahr zuvor, 2001, noch gegen mich im Minardi kämpfen mussten. Wir sind gemeinsam groß geworden und haben 2005 mit dem Gewinn beider Weltmeisterschaften das Maximalziel erreicht. Ende dieses Jahres läuft aber mein Vertrag aus, also habe ich meine Optionen sortiert. Dabei bin ich zu dem Schluss gekommen, dass diese Periode meiner Karriere an diesem Punkt beenden sollte, um auch mit anderen Teams zu gewinnen und eine neue Herausforderung zu finden."

Frage: "Flavio Briatore behauptet, dass er von den Verhandlungen nichts wusste. Wie hat aber alles begonnen? Ist McLaren-Mercedes auf dich zugegangen oder war es umgekehrt?"
Alonso: "Heute ist nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Wir können gerne darüber sprechen, was wir uns für die Saison 2006 vorgenommen haben, aber über alle anderen Dinge möchte ich lieber nichts sagen."

Frage: "Glaubst du, dass dich das Team trotz deines Weggangs gleich behandeln wird, oder kannst du dir vorstellen, dass sie Giancarlo Fisichella bevorzugen werden?"
Alonso: "Nein. Ich bin sicher, dass sie mir helfen werden, wie sie das schon immer getan haben. Daran, wie die Fahrer behandelt werden, wird sich nichts ändern. Es wäre nicht im Interesse Renaults, die Fahrer nicht gleichwertig zu behandeln. Ich habe hundertprozentiges Vertrauen ins Renault-Team und werde 2006 noch mit voller Konzentration für sie arbeiten. Ich möchte meine Startnummer eins verteidigen und natürlich auch den Konstrukteurstitel. Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir uns gegenseitig helfen. Ich bin sicher, dass wir es wieder schaffen können."

Was passiert, wenn Alonso gegen die Silbernen fighten muss?

Frage: "Wird es besonders schwierig für dich, gegen McLaren-Mercedes zu kämpfen?"
Alonso: "Auch da ändert sich nichts. Am liebsten wäre mir, wenn sie dieses Jahr nicht mit uns kämpfen würden."

"Wenn ein Vertrag dem Ende zugeht, kann man sich frei entscheiden." Fernando Alonso

Frage: "Hat sich die Stimmung im Team verändert, seit du deinen Wechsel bekannt gegeben hast?"
Alonso: "Nein, überhaupt nicht. Die Motivation ist so gut wie immer und wir sind auch genauso selbstbewusst wie sonst. So ein Wechsel ist ganz normal. Wenn ein Vertrag dem Ende zugeht, kann man sich frei entscheiden. Es ist ja nicht so, dass ich im Unfrieden von Renault weggehe oder mitten während eines bestehenden Vertragszeitraums. Wir arbeiten alle zusammen. Es ist mein letztes Jahr in diesem Team, es ist Michelins letztes Jahr in der Formel 1 - und wir alle wollen uns auf bestmögliche Art und Weise verabschieden. Der WM-Titel wäre die beste Möglichkeit, das zu tun. Wir sind extrem zuversichtlich mit unserem neuen Paket und die Motivation ist besser denn je, weil wir die Startnummern eins und zwei haben. Alle Mechaniker und Ingenieure sind noch interessierter daran, ihren Job perfekt zu machen. Das wirkt sich auf alle Teammitglieder aus - sogar auf die Köche!"

Frage: "Warum hast du den Wechsel schon jetzt bekannt gegeben? Renault ist darüber einigermaßen enttäuscht..."
Alonso: "Es gibt viele Gründe, aber darüber möchte ich nicht sprechen."

Frage: "Was wäre deiner Meinung nach ein schönes Abschiedsgeschenk an Renault?"
Alonso: "Natürlich der WM-Titel! Das sieht Renault sicher nicht anders. Wir haben ein fantastisches Verhältnis zueinander, schließlich war Renault seit meinem Einstieg in die Formel 1 meine Familie. Ich habe Renault viel gegeben, und umgekehrt verhält es sich genauso. Wir haben voreinander großen Respekt und wollen dieses Jahr noch einmal unser Bestes zeigen."

Alonso braucht ständig neue Herausforderungen

Frage: "Kann es sein, dass du in ein paar Jahren wieder eine neue Herausforderung brauchst und zu Ferrari wechseln wirst?"
Alonso: "Ich weiß es nicht..."

"Ende 2009 werden wir sehen, wie es weitergeht." Fernando Alonso

Frage: "Bist du der Typ Mensch, der von Zeit zu Zeit einfach eine neue Herausforderung sucht?"
Alonso: "Ja. Das ist normal. Ende 2009 werden wir sehen, wie es weitergeht."

Frage: "Es gibt dieses Jahr veränderte Reifenregeln und ein neues Qualifikationsformat. Werden dir diese Änderungen entgegenkommen?"
Alonso: "Ich denke, dass sich aus Sicht der Fahrer nicht allzu viel ändern wird. Natürlich werden einige Dinge komplizierter, zum Beispiel das Qualifying, welches den Ingenieuren und Technischen Direktoren einiges an Arbeit bescheren dürfte. Für uns Fahrer ändert sich aber nicht viel. Der Reifenwechsel hilft Michelin im Moment eher nicht, denn wir hatten letztes Jahr für die gesamte Renndistanz einen fantastischen Reifen. Gegenüber Bridgestone waren wir ganz klar im Vorteil, und genau diesen Vorteil könnten wir verlieren. Wir vertrauen Michelin aber hundertprozentig, dass sie uns auch für die veränderte Reifenlebensdauer einen idealen Reifen geben werden."