• 31.01.2006 10:50

Alonso: "Alles beginnt wieder von vorne"

Der amtierende Weltmeister im Interview über seine letzte Renault-Saison, das Ziel, den WM-Titel zu verteidigen, die neuen Regeln und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Fernando, du hattest eine fantastische Saison 2005. Renault hast du den ersten WM-Titel als Werksteam eingebracht und dir selbst den Rekord als jüngster Weltmeister aller Zeiten. Kann es 2006 überhaupt noch besser werden?"
Fernando Alonso: "Für mich ist 2006 eine neue Herausforderung. Ich bin sehr wettbewerbsorientiert eingestellt und möchte immer gewinnen, egal wie. Okay, ich war letztes Jahr Weltmeister, aber das ist nur noch Vergangenheit. Wenn wir zum ersten Rennen kommen, beginnt ein neuer Wettbewerb. Alles beginnt wieder von vorne."

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso hat vor, sich von Renault mit dem WM-Titel zu verabschieden

Frage: "In Bahrain wirst du erstmals als Weltmeister im Fahrerlager auftreten. Erwartest du, dass dadurch irgendetwas anders wird?"
Alonso: "Für mich wird sich nichts ändern, nur weil ich Weltmeister bin. Ich freue mich auf das erste Rennen in Bahrain, weil es schon fünf Monate her ist, dass ich einen Grand Prix bestritten habe. Ich freue mich schon auf das erste Rennen!"#w1#

Alonso hat sein Talent bereits unter Beweis gestellt

Frage: "Spürst du als Weltmeister mehr Druck?"
Alonso: "Meiner Meinung nach wird es weniger Druck geben. Bis letztes Jahr haben die Leute immer gesagt, dass ich zu den jungen Talenten gehöre. Wenn so über einen gedacht wird, muss man diese Reputation irgendwann bestätigen - und man muss gewinnen, bevor es zu spät ist. Jetzt habe ich das geschafft, und unter 22 Piloten gibt es nur drei Weltmeister: Michael (Schumacher; Anm. d. Red.), Jacques (Villeneuve; Anm. d. Red.) und mich. So gesehen denke ich, dass die anderen 19 Fahrer mehr Druck haben als ich."

Frage: "Aber du wirst derjenige sein, den alle schlagen wollen..."
Alonso: "Natürlich, aber auch ich werde versuchen, möglichst oft zu gewinnen. Ich habe die Startnummer eins auf meinem Auto und fahre für ein konkurrenzfähiges Team, womit ich eine gewisse Erfahrung mitbringe. Außerdem trage ich als Weltmeister die Verantwortung dafür, ein gewisses Maß an Konkurrenzfähigkeit für den Rest meiner Karriere aufrechtzuerhalten. Ich denke aber auch, dass ich jetzt mehr Freude an meinem Job haben werde. Ich werde versuchen, alles zu genießen."

Frage: "Kurz vor Weihnachten hast du bekannt gegeben, dass du Renault Ende des Jahres verlassen wirst. Warum hast du dich so entschieden?"
Alonso: "Ich bin seit fünf Jahren in diesem Team, und Renault hat mich in einem sehr jungen Alter zum Weltmeister gemacht. Als ich damals mit Minardi in die Formel 1 eingestiegen bin, kämpfte ich gegen die Renaults - und jetzt stehen wir ganz vorne! Wir haben uns gegenseitig geholfen. Ich glaube aber, dass ein Rennfahrer nicht immer für dasselbe Team fahren sollte. Ich bin noch jung und habe für 2007 nach einer neuen Herausforderung gesucht. Also habe ich die meiner Meinung nach beste Entscheidung getroffen. Nächstes Jahr werde ich ein neues Kapitel in meiner Karriere aufschlagen."

Alonso im Kopf noch nicht bei McLaren-Mercedes

"Ich bin einer, der immer 100 Prozent gibt." Fernando Alonso

Frage: "Könnte dich die Tatsache, dass du das Team verlassen wirst, 2006 ablenken?"
Alonso: "Überhaupt nicht! Die Formel 1 ist ein sehr komplexer Sport, und vor uns liegt eine lange Weltmeisterschaft mit 19 Rennen. Ich bin einer, der immer 100 Prozent gibt. In unserer Welt kann man die Konzentration nicht aufrechterhalten, wenn man abgelenkt wird. Bis am Montag nach dem letzten Rennen werde ich an nichts anderes als an Renault denken. Es spielt keine Rolle, gegen welche Autos ich antreten muss, denn ich werde mein Bestes für Renault geben."

Frage: "Du hast den R26 schon intensiv getestet. Was erhoffst du dir von diesem Auto?"
Alonso: "Meine Hoffnung war, ein Auto vorzufinden, welches dem R25 aus dem letzten Jahr ähnlich ist, also leicht fahrbar und berechenbar zu handhaben. Das spürte ich beim R26 schon nach ein paar Runden. Er fühlt sich wie eine gelungene Evolution des letztjährigen Autos an - mit einer Menge Potential. Um auf den WM-Titel loszugehen, muss man auf jeder Strecke konkurrenzfähig sein und immer ins Ziel kommen, wie man letztes Jahr gesehen hat. Darauf werden wir uns konzentrieren."

Frage: "2006 werden die neuen 2,4-Liter-V8-Motoren mit etwa 20 Prozent weniger Leistung eingeführt. Wie ist dein erster Eindruck vom RS26-V8-Motor?"
Alonso: "Ich denke, dass wir uns in einer guten Position befinden. Das Team in Viry hat am Prüfstand einen fantastischen Job gemacht, und die Performance auf der Strecke war bisher auch ermutigend. Bei den ersten Tests kümmert man sich nur um die Zuverlässigkeit, man wünscht sich keine Probleme mit dem Motor. Wir hatten keine mechanischen Schwierigkeiten, also ist die Basis in Ordnung. Sobald man dann zuverlässig ist, ist es kein Problem mehr, die Performance weiterzuentwickeln."

V8-Motoren laut Alonso keine große Umstellung

Frage: "Wie wird sich der Wechsel auf die V8-Motoren auswirken?"
Alonso: "Was das Fahren angeht, ist mir kein großer Unterschied aufgefallen. Wir haben weniger Leistung, ja, aber wenn man eine Kurve anfährt, muss man immer noch am Limit der Leistung und der Bodenhaftung sein. Daraus schöpft man die Herausforderung. Ich glaube, dass sich die V8-Motoren diese Saison stark auswirken werden. Es ist eine Gelegenheit für alle Teams, denn alle müssen wieder bei Null beginnen. Niemand muss aus dem letzten Jahr aufholen. Das Team, welches mit den besten Ingenieuren die beste Arbeit geleistet hat, wird am Saisonbeginn einen Vorteil haben. Ende des Jahres werden dann alle Motoren ähnlich sein. In den ersten Rennen erwarte ich große Abstände, was für die Weltmeisterschaft entscheidend sein könnte. Ich hoffe, dass wir von Anfang an vorne dabei sein werden."

Frage: "Es gibt auch andere Regeländerungen. Reifenwechsel sind nun wieder erlaubt. Wie stehst du dazu?"
Alonso: "Ich habe dazu keine ausgeprägte Meinung, um ehrlich zu sein, aber ich freue mich schon darauf, dass wir die Reifen im Rennen wieder wechseln können. Die Rennstrategien könnten auch wichtiger werden, weil es nun mehr Spielraum für Variationen gibt. Michelin hat viel Arbeit vor sich, denke ich. Sie müssen das hohe Niveau von 2005 aufrechterhalten, aber wir sind zuversichtlich, dass sie das schaffen werden. Es ist außerdem ihr letztes Jahr in der Formel 1, also müssen sie gewinnen. Wir sind hier, um ihnen dabei zu helfen, und sie werden uns helfen."

Frage: "Und was hältst du vom neuen Qualifikationsformat?"
Alonso: "Es wurde viel darüber gesagt, aber meiner Meinung nach ändert sich für uns Fahrer nicht viel, denn wir müssen mehr oder weniger weiterhin denselben Job machen. Letztes Jahr hatte man nur eine Runde am Limit, in der man sich keine Fehler erlauben durfte. Jetzt können wir zu verschiedenen Zeitpunkten der Session drei oder vier Runden fahren, aber im Prinzip ändert das nicht viel. Wir haben unverändert nur eine Runde mit perfekten Reifen und wir können uns noch immer keine Fehler erlauben."

Qualifying bleibt weiterhin eine Herausforderung

"Das Qualifying ist eine große Herausforderung, denn man muss eine perfekte Runde hinbekommen." Fernando Alonso

"Es ist wichtig, in der Formel 1 etwas zu verändern und etwas für die Zuschauer zu unternehmen, aber wir Fahrer machen schon seit zehn Jahren fast dasselbe Ding. Das Qualifying ist eine große Herausforderung, denn man muss eine perfekte Runde hinbekommen. Jetzt haben wir halt drei Versuche statt einem, aber die Herausforderung ist nach wie vor gegeben."

Frage: "Wer werden Renaults stärkste Konkurrenten sein?"
Alonso: "Von dem, was man im Moment sehen kann, scheint Ferrari stark zu sein. Ich erwarte auch McLaren sehr stark - und dahinter könnte es Überraschungen geben: 2004 war das Honda, 2005 am Saisonbeginn Toyota. Zumindest eines dieser beiden Teams wird sicher auch sehr konkurrenzfähig sein."

Frage: "Was ist dein Saisonziel?"
Alonso: "Wenn man zu diesem Zeitpunkt des Jahres sagt, dass man Weltmeister werden kann, hat das nichts zu bedeuten, aber ich möchte sicherlich um den WM-Titel kämpfen. Renault hat das Potenzial, denn das Team weiß aus dem letzten Jahr, dass wir es schaffen können. Wir sind konkurrenzfähig. Mein Ziel ist es, die Startnummer eins zu behalten!"