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Das große Interview mit Scott Speed (2)
Speed unplugged: über seine Verantwortung als Formel-1-Amerikaner, europäische Vorurteile gegenüber seinesgleichen und Kartsport als Familiensache
(Motorsport-Total.com) - In genau neun Tagen wird Scott Speed als erster US-Amerikaner seit 13 Jahren einen Grand Prix in Angriff nehmen. Der 23-Jährige, dessen Name kein Marketinggag, sondern Himmelsgeschenk ist, geht diese Saison für Red Bulls Scuderia Toro Rosso an den Start. Im zweiten Teil des großen Interviews sprach er unter anderem über die amerikanische Perspektive auf die Königsklasse des Motorsports.

© xpb.cc
US-Boy livin' it up at the Hotel California: Scott Speed goes Formula 1
Frage: "Scott, viele Leute laden dir die Verantwortung auf die Schultern, die Formel 1 in den USA populärer zu machen. Wie stehst du dazu, wie gehst du damit um?"
Scott Speed: "Das ist das erste Mal, dass ich das höre, aber es stimmt schon: Auch wenn ich natürlich versuche, nicht über diese Verantwortung nachzudenken, trage ich sie schon auf meinen Schultern. Das war aber doch schon immer so, seit ich wegen des Red-Bull-Programms nach Europa gegangen bin."#w1#
Amerikanische Rennfahrer haben nicht den besten Ruf
"Es war ziemlich schwierig für mich, mit dem Ruf amerikanischer Rennfahrer hier in Europa zurechtzukommen. Ich kann aber sagen, dass sich die Meinung über uns Amerikaner zumindest unter meinen Rennfahrerkollegen langsam ändert, wozu meine Erfolge sicher beigetragen haben. Ich spüre schon die Verantwortung, dass wir die Formel 1 in Amerika populärer machen müssen, und ich hoffe, dass uns das auch gelingen wird."
Frage: "Wie siehst du die Formel 1 aus amerikanischer Sicht?"
Speed: "Ich hoffe wirklich, dass sich da etwas bewegen wird, denn die Formel 1 ist die Königsklasse des Motorsports. Jeder, der Autorennen fährt, träumt von der Formel 1. Für Amerikaner ist es schwierig, in die Formel 1 zu kommen, weil die Rennen überwiegend in Europa stattfinden. NASCAR, ChampCar und so weiter sind auch gute Serien, aber es sind andere Gemeinschaften und andere Rennformen. In der Formel 1 ist die Technologie sehr weit fortgeschritten und die Entwicklung wird auch ständig vorangetrieben - Dinge, die sehr gut zu Amerika passen würden, wie ich finde. Das müssen wir irgendwie ausnutzen."
Frage: "Glaubst du, dass deine Präsenz das Formel-1-Interesse in den USA ankurbeln kann?"
Speed: "Ich bin mir nicht sicher. Ich muss erst einmal schauen, dass ich die Resultate liefere, dann werden auch die Medien anbeißen. Natürlich drücke ich die Daumen, dass das klappen wird!"
Frage: "Der Grand Prix der USA ist natürlich nur eines von 18 Rennen, aber was wird dir durch den Kopf gehen, wenn du am Sonntag vor so vielen Zuschauern auf der berühmten Start- und Zielgerade in Indianapolis ins Rennen gehen wirst?"
Speed: "Ich weiß es nicht, aber es wird bestimmt eine emotionelle Sache! Ich freue mich schon sehr darauf. Schon vergangenes Jahr, als ich am Freitag getestet habe, waren alle wahnsinnig freundlich zu mir. Am meisten freue ich mich darauf, dass meine Familie dabei sein wird, denn ich arbeite das ganze Jahr über an meiner Karriere, aber nur in Indianapolis kann ich das mit ihnen teilen."
Speed wünscht sich einen zweiten US-Grand-Prix
Frage: "Glaubst du, dass die Fans nach dem Debakel im Vorjahr überhaupt wieder nach Indianapolis kommen werden?"
Speed: "Ich hoffe schon. Was in Indianapolis passiert ist, war sehr unglücklich, aber ich hoffe, dass die Fans trotzdem wieder kommen werden. Wir brauchen den Grand Prix in Indianapolis - besser wäre sogar noch ein zweites US-Rennen."
Frage: "Auf welches der 18 Rennen freust du dich eigentlich am meisten?"
Speed: "Natürlich auf Bahrain, denn das ist das erste Rennen! Ich träume schon seit meinem elften Lebensjahr davon, einmal ein Formel-1-Rennen bestreiten zu dürfen. Mein Vater wird mit mir nach Bahrain fliegen. Das wird eine sehr emotionelle Angelegenheit."
Frage: "Was erwartest du von den Rennen in Italien? Euer Team ist ja aus Minardi hervorgegangen..."
Speed: "Keine Ahnung. Ich denke aber, dass die Leute erkennen werden, was wir mit Toro Rosso vorhaben, und dann werden sie es auch mögen. Toro Rosso ist ein wirklich cooles Projekt, das wahrscheinlich alle lieben werden."
Frage: "Hast du manchmal das Gefühl, dass es Amerikaner in Europa weniger einfach haben als Europäer?"
Speed: "Die Reputation der Amerikaner in Europa ist sicher nicht die beste, das stimmt. Vergangenes Jahr habe ich dazu beigetragen, dass sich daran etwas ändert, aber ob es etwas gebracht hat, werden wir erst sehen. Im Moment mache ich mir darüber sowieso keine Gedanken, denn wenn ich meine Hausaufgaben gut mache, werden sich die Meinungen der Leute schon noch ändern."
Ex-Formel-1-Pilot Cheever gab Speed Ratschläge

© Schlegelmilch
Michael Andretti bestritt 1993 einige Grands Prix für das McLaren-Team Zoom
Frage: "Der letzte Amerikaner in der Formel 1 war 1993 Michael Andretti. Hast du von ihm oder von Leuten wie Eddie Cheever Ratschläge eingeholt? Michael Andretti hatte es damals ja nicht gerade einfach..."
Speed: "Ich habe Michael noch nie getroffen, aber 2004 half ich Cheever in der IRL mit ein paar Ovalgeschichten aus. Dabei gab er mir schon ein paar Ratschläge mit auf den Weg, aber beim ersten Rennen sitzt du sowieso alleine im Cockpit. Da ist es Leuten wie Tonio Liuzzi oder David Coulthard nicht anders ergangen. Diese beiden Jungs haben mir aber sehr geholfen, genau wie auch alle anderen Red-Bull-Fahrer und -Mitarbeiter. Wir sind wie eine große Familie, helfen uns gegenseitig."
Frage: "Welchen Ratschlag hat dir Eddie Cheever denn gegeben?"
Speed: "Ich soll einfach alles geben!"
Frage: "Warum hat es eigentlich so lange gebraucht, um wieder einen US-Amerikaner in der Formel 1 zu haben?"
Speed: "Ich kann nur für mich selbst sprechen. Bei uns war es so, dass meine Familie nicht allzu viel Geld hatte. Eine Rennsaison und ein Leben in Europa konnten sie mir einfach nicht finanzieren. Ohne Red Bull wäre ich also mit Sicherheit nicht hier. Ich denke, dass das auf die meisten Kids im Kartsport ebenso zutrifft. Außerdem muss man schon sehr mutig sein, um alles stehen und liegen zu lassen und nach Europa zu gehen. Diese Chance haben viele gar nicht. Ich kenne viele Kids im Kartsport, die das Zeug zum Formel-1-Fahrer hätten, aber einfach nicht die Chance bekommen, eine Nachwuchsrennserie in Europa in Angriff zu nehmen."
Performance der Formel 1 laut Speed atemberaubend
Frage: "Was hat ein amerikanischer Rennsportfan zu erwarten, der zum ersten Mal zu einem Formel-1-Rennen kommt? Warum ist die Formel 1 deiner Meinung nach so besonders?"
Speed: "Das ist leicht: Wenn man das erste Mal ein Formel-1-Auto live sieht, stockt einem der Atem! Die Performance ist einfach unvergleichlich. Es startet schnell, ist sehr schnell in den Kurven - und als Fahrer, der von ChampCar über IRL bis GP2 schon alles gefahren ist, kann ich sagen: Das Kurvenfahren ist einfach unfassbar!"
"Am Anfang wollte ich in den Kurven immer den Fuß vom Gas nehmen, aber ich musste mir selbst einreden, dass das Auto schon auf der Strecke bleibt. Da werden natürlich gewaltige Kräfte frei. Ich denke, dass das die Menschen so fasziniert. Leider haben wir in Amerika nur ein Rennen pro Jahr, während ein europäischer Fan locker sechs Rennen pro Jahr besuchen kann, wenn er nur will."
Frage: "Wie viele andere Rennfahrer kommst du ursprünglich aus dem Kartsport. Ist das heutzutage der übliche Einstieg in den Motorsport?"
Speed: "Ja, mit Sicherheit. Ich kenne niemanden in der Formel 1 oder in der ChampCar-Serie, der anders in den Motorsport eingestiegen wäre. Das Kartfahren ist ganz wichtig, weil man jung beginnen kann, und je jünger man ist, desto eher behält man die Informationen im Kopf. Ich fahre Kart, seit ich elf Jahre alt bin."
Frage: "War Kartfahren bei euch auch eine Familienaktivität, schließlich ist dein Bruder ja auch sehr schnell..."
Speed: "Eigentlich schon. Ich stand meiner Familie immer sehr nahe. Mein Vater fuhr früher auch Go-Karts, und ich habe ihm dabei zugesehen, als ich vier Jahre alt war. Kartsport ist bei uns Familiensache. Mein Bruder hat schon mehrere Meisterschaften gewonnen, ist vielleicht der beste Kartfahrer in Amerika. Mein Vater und meine Mutter verfolgen meine Karriere daher ganz genau."
Neue Berühmtheit macht sich noch kaum bemerkbar
Frage: "In Europa wirst du langsam zu einer berühmten Persönlichkeit. Wie reagiert deine Familie darauf, dein Freundeskreis?"
Speed: "Ich war im letzten Monat so viel unterwegs, dass ich gar nicht mitbekommen habe, was sich so getan hat. Meine Freunde zu Hause freuen sich sehr mit mir, und meine alten Schulkollegen, mit denen ich immer noch in Kontakt stehe, unterstützen mich auch sehr."
Frage: "Bekommen die Leute in deiner Heimat eigentlich mit, dass du in Europa so eine große Nummer bist?"
Speed: "Also die Kartfahrer-Community kennt mich schon, denn von denen verfolgt jeder die Formel 1. Was die breite Öffentlichkeit betrifft, zeigt Amerika einfach kein großes Interesse an der Formel 1, während ich im Einkaufszentrum in Salzburg ständig angesprochen werde."
Frage: "Wenn man als Amerikaner in die Formel 1 will, muss man nach Europa übersiedeln. Hast du dir in deiner Zeit dort einen europäischen Lebensstil angeeignet? Was machst du, wenn du einmal frei hast?"
Speed: "Man stellt sich schon auf die europäische Lebensweise ein, ganz sicher. Als ich zum ersten Mal nach Europa kam, war ich zum Beispiel ganz verzagt, als am Sonntag kein Supermarkt geöffnet hatte! Ich hatte ja keine Milch mehr im Kühlschrank. Daran gewöhnt man sich aber - und ehrlich gesagt: Ich mag es inzwischen sehr! Ich lebe fast schon wie ein Europäer. Wenn ich mal frei habe, hänge ich meistens zu Hause rum, denn das Letzte, was man als Vielreisender tun würde, ist in den Urlaub reisen!"
Frage: "Hattest du im Winter eigentlich Zeit, um mal Heimaturlaub zu machen, oder warst du ständig in Österreich, wo du ja eine Wohnung hast?"
Speed: "Ich war im Oktober und Dezember in den Staaten, aber jeweils nur des Trainings wegen. Über Weihnachten war ich eine Woche lang bei meiner Familie, was sehr schön war, aber seither trainiere ich nur noch volles Programm. Ich weiß, dass das die Chance meines Lebens ist, und wenn ich es versaue, dann bin ich nur selbst daran schuld. Also gebe ich natürlich alles dafür."

