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Das große Interview mit Max Mosley
Der FIA-Präsident nimmt ausführlich zu den heutigen Entscheidungen des World Motor Sport Councils in Paris Stellung
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wurde die heutige Entscheidung von allen Mitgliedern des Weltmotorsportrates mitgetragen?"
Max Mosley: "Die Entscheidung des Weltmotorsportrates war einstimmig. Aber nicht alle haben an den Diskussionen teilgenommen. Jean Todt von Ferrari beispielsweise verließ die Sitzung, als wir mit den Diskussionen über Indianapolis begannen. Ebenso Nasir Hussain, der der Chefsteward in Indianapolis war. Auch er spielte keine Rolle. Auch Bernie Ecclestone spielte nur eine eingeschränkte Rolle. Ansonsten nahmen alle teil und sie alle waren einer Meinung."

© xpb.cc
FIA-Präsident Max Mosley verteidigte die Entscheidungen aus Paris
Frage: "Müsste man es Michelin nicht ehrenvoll anrechnen, dass sie sich aus Sicherheitsgründen dazu entschieden haben, nicht im Rennen zu starten?"
Mosley: "Michelins Aufgabe in Indianapolis war es, mit einem Rennreifen anzukommen. Dieser muss unweigerlich nicht auf allen Autos funktionieren, daher dürfen sie auch einen zweiten Reifen mitbringen, das ist ihnen vom Reglement her erlaubt, der dann vollständig zuverlässig ist. Das haben sie nicht getan, sie kamen mit zwei Reifen der gleichen Konstruktion aber unterschiedlichen Mischungen. Das bedeutete, dass, wenn ein Problem mit der Konstruktion auftreten würde - was ja auch passierte -, sie ohne einsetzbare Reifen in Indianapolis wären."#w1#
"Sie haben Reifen aus Frankreich kommen lassen, den so genannten 'Barcelona'-Typ, aber auch dieser hatte dieselbe Konstruktion und zeigte beim Testen das gleiche Problem. Sie haben es also verpasst, die grundlegendste Sicherheitsmaßnahme zu ergreifen: ein Sicherheitsnetz zu haben. Unter diesen Umständen wäre alles andere, als durch die Boxengasse zu fahren, zu gefährlich gewesen. Auch die Schikane war zweifelhaft. Denn zum gleichen Zeitpunkt, als sie nach der Schikane fragten, erklärten sie, dass sie die grundlegende Ursache des Problems nicht finden konnten."
"Wenn sie aber nicht wussten, was das Problem war, woher wussten sie dann, dass eine Schikane sicher war? Außerdem trat einer der Schäden in Kurve fünf auf, einer weiteren schnellen Kurve. Es hätte also einen weiteren Schaden in dieser Kurve geben können und sie räumten diese Möglichkeit auch ein. Was sie getan haben, ist wirklich außergewöhnlich und bedarf einer Erklärung. Zu sagen: 'Aus Sicherheitsgründen haben wir den Fahrern gesagt, nicht zu starten', fällt vorzeitig ein Urteil, das die ganze Diskussion vermeidet. Aber darum geht es ja: Warum kamen sie nicht mit ordentlichen Reifen an?"
"Das Ziel der Regel, das man zwei Reifen mitbringen kann, besteht darin, die beste Möglichkeit für einen Sicherheitsreifen zu schaffen, der dann sicher langsamer ist, aber dieses Opfer muss man bringen. Sie haben das nicht gemacht und damit haben sie der Formel 1 enorm geschadet."
"Hätten eine Reaktion in zwei Tagen gebraucht, nicht in zehn"
Frage: "Wie ermutigt bist du durch die Ankündigung von Michelin, die Fans in Indianapolis entschädigen zu wollen?"
Mosley: "Das ist ein großer Schritt nach vorn, wir drängen sie seit einer Woche dazu. Wir haben in einem Statement dazu aufgerufen, dass sie die Fans entschädigen und für 2006 freie Tickets verteilen sollten. Nun gehen sie diesen Weg. Aber dadurch, dass sie so lange gewartet haben, haben sie Schaden angerichtet. Wir hätten eine Reaktion in zwei Tagen gebraucht, nicht in zehn."
Frage: "Wurde heute vielleicht auch auf Strafen verzichtet, damit sich nicht die Möglichkeit ergibt, dass die Teams nicht an diesem Wochenende in Magny-Cours fahren würden?"
Mosley: "Nein, es stand nie ein Fragezeichen dahinter, dass sie fahren würden. Es gab einen exzentrischen Herrn (gemeint ist Minardi-Teamchef Paul Stoddart; d. Red.), der das gemeint hat, aber kein ernsthaftes Team würde das in Erwägung ziehen. Das war nie ein Problem und sie hätten das nach dem, was in Indianapolis passierte, auch nie gemacht. Damit würden sie sich in das eigene Fleisch schneiden."
"Was heute herauskam, war, dass die Teams sagten: 'Wir haben alles versucht, was wir konnten. Wir wollten fahren, aber Michelin sagte uns, dass wir ohne eine Schikane nicht fahren könnten.' Das ist natürlich für uns ärgerlich, denn das war keine Möglichkeit. Auch die Boxengasse wäre nicht ideal gewesen, aber zumindest eine Option. Für die Teams gibt es also stark mildernde Umstände, weil sie keine Rolle beim Fehler spielten, die richtigen Reifen mitzubringen. Sie wussten sicher auch nicht, was passieren würde. Aber gegenüber uns sind sie dennoch verantwortlich, daher können wir ihnen sagen: 'Ihr müsst mit der richtigen Ausstattung auftauchen, ihr solltet mit euren Ausrüstern die notwendigen Abkommen treffen.' Heute waren es die Reifen, morgen vielleicht die Zündkerzen oder etwas anderes."
Frage: "Was bedeutet das für das Image der Formel 1. Du sagtest, es habe Schaden verursacht, aber kannst du das ausweiten?"
Mosley: "Ich bin da kein Experte, aber ich denke, dass es recht offensichtlich ist, das das, was in Indianapolis passierte, der Formel 1 weltweit aber gerade in den USA großen Schaden zufügte. Und das muss richtig gestellt werden. Je schneller sich die Leute anständig verhalten, um Beispiel die Ticketkosten erstatten und für das nächste Jahr Freikarten vergeben, desto besser wird die Situation werden. Ich denke, wir werden den entstandenen Schaden auch in den nächsten zwei oder drei Monaten nicht einschätzen können."
Mosley plädiert für Gleichbehandlung aller Parteien
Frage: "Mit Michelin verbinden euch keine vertraglichen Beziehungen, ihr könnt ihnen also nichts auferlegen. Wäre eure einzige Möglichkeit nicht nur eine Klage gegen sie? Und würde diese dann in den USA, in Indianapolis, stattfinden?"
Mosley: "Wir können Michelin nicht bestrafen, denn sie haben keine Beziehung zu uns - wie jeder andere Ausrüster auch. So gesehen haben wir keine Macht über sie. Aber wir können sie indirekt durch ihre belieferten Teams unter Druck setzen, und das tun wir momentan auch."
Frage: "Wenn sie nicht wussten, was das Problem mit den Reifen war und eine Schikane daher keine gute Idee war, dann wäre doch auch ein Geschwindigkeitslimit keine Lösung gewesen."
Mosley: "Absolut, so kann man argumentieren. Michelin sagte, eine Schikane wäre akzeptabel. Wenn aber eine Schikane akzeptabel ist, dann sollte es eine Geschwindigkeitsreduzierung auch sein. Aber die Teams wehrten sich dagegen, denn niemand sagte, was es genau war, wo es war, welcher Streckenteil genau betroffen war. Daher wurden sie in diesem Punkte auch freigesprochen. Was die Möglichkeit des Durchfahrens der Boxengasse betrifft, so wären die Risiken gegenüber einer Schikane immer geringer gewesen. Mit der Schikane gab es im Übrigen zwei grundlegende Probleme. Zum einen wäre dieser Kurs nicht ordentlich abgenommen gewesen, wahrscheinlich wäre auch die Versicherung dafür ungültig gewesen. Das alleine wäre ja schon genug."
"Punkte zwei ist, dass es aus sportlicher Sicht unfair gewesen wäre, denn wir hätten die Natur des Kurses für jene Wettbewerber geändert, die die falsche Ausrüstung dabei hatten. Das kann man nicht machen, wenn man Sport betreibt. Was wäre passiert, wenn es andersherum gewesen wäre? Wenn Ferrari oder ein anderes Bridgestone-Team zu Charlie Whiting gegangen wäre und gesagt hätte: 'Ihr müsst eine Schikane einrichten, denn unsere Reifen funktionieren im überhöhten Bereich nicht'? Ihnen wäre nicht einmal zugehört worden. Wenn es für die einen gilt, muss es auch für die anderen gelten."
Frage: "Der Weltmotorsportrat trifft in den kommenden zweieinhalb Monaten keine Entscheidungen mehr. Warum wurde diese Auszeit gewählt? Soll sich die Lage abkühlen, oder sollen weitere Beweise beschafft werden?"
Mosley: "Da gibt es mehrere Dinge. Das Hauptanliegen war es, sich eines Schadensersatzes für die Leute in den USA zu versichern. Das hatte höchste Priorität, genau wie die Aufrechterhaltung der Position der Formel 1 in den Vereinigten Staaten. Davon abgesehen ist es wichtig, wie es in den USA weitergeht. Es ist sehr wichtig, dass die Formel 1 ihre Position behält und den Grand Prix in den USA nicht verliert. Das liegt nunmehr in den Händen der Teams und speziell auch bei ihrem Reifenausrüster. Das bedeutet auch, dass wir ihnen etwas Zeit geben. Wir werden im September wissen, was hier getan wurde. Wenn etwas Großes unternommen wurde, so wird der Weltmotorsportrat sicher sehr nachsichtig sein. Wenn aber nichts unternommen wurde, dann könnte das anders aussehen. Aber es ist sicher sinnvoll, jedem die Zeit zu geben."
Neubewertung der Situation im September
Frage: "Der finanzielle Schaden entsteht aber nur durch die kommerziellen Verträge und die FIA ist kein Teil davon. Warum wollt ihr dennoch die Rückzahlung kontrollieren?"
Mosley: "Wir werden in die kommerzielle Seite nicht involviert sein. Wir nennen keine genauen Summen oder wie es gemacht werden muss. Wir sagen nur, dass es gelöst werden muss. Kommt im September wieder und sagt uns, was ihr gemacht habt. Wir werden die Strafen dann beleuchten. Das schien der vernünftigste Weg zu sein."
Frage: "Wenn du entscheiden könntest, was zu tun wäre, käme auch ein Punktabzug in Frage? Das würde die gesamte Meisterschaft ja verändern. Oder bleibt es bei Geldstrafen?"
Mosley: "Ich kann nicht im Namen des World Councils sprechen, aber mir persönlich widerstrebt die Idee, Punktstrafen zu verhängen, es sei denn, die betroffene Person hat etwas getan, was ihre sportlichen Qualitäten beeinflusst hat. Es wäre nicht angemessen, Punkte abzuziehen oder Leute vom Rennen auszuschließen. Wir haben die Möglichkeit, Geldstrafen zu verhängen und das Geld dann nach Gutdünken zu verwenden. Wir könnten die Strafgelder zur Wiedergutmachung verwenden. Aber das ist nicht unsere Aufgabe, die ist es, den Sport zu führen. Wenn man es aussortiert, dann werden wir nachsichtig sein, wenn nicht, dann werden wir nicht nachsichtig sein."
Frage: "Das BAR-Honda-Team startet noch unter einer Bewährung. Wenn sie heute also schuldig gesprochen wurden, dann erhalten sie doch automatisch wieder eine Rennsperre."
Mosley: "Wir haben diese Frage sorgfältig beraten und auch ihre Anwälte hinzugezogen. Das World Council kam zum Schluss, dass beide Dinge so unterschiedlich sind, dass eine Sperre nicht angebracht wäre. Diese aufgeschobene Sperre hatte einen Grund, und so lange BAR-Honda die Grenzen nicht wieder in einem ähnlichen Zusammenhang überschreitet, gibt es kein Problem. Es wäre nicht fair, sie auszusondern, wenn die anderen ein Problem haben."
Frage: "Ihr könnt Michelin nicht direkt bestrafen, aber dennoch wird jetzt viel über sie geredet. Sie könnten sich derzeit wie Sündenböcke fühlen."
Mosley: "Sie sind nicht die Prügelknaben, sie sind verantwortlich! Das haben sie selbst zugegeben. Sie haben nicht bestritten, dass sie mit den falschen Reifen in Indianapolis ankamen. Ihre Teams konnten somit nicht fahren. Wenn man das als Sündenböcke umschreibt, dann ist das einfach nicht wahr. Sie waren dafür verantwortlich und die Teams teilen diese Verantwortung, denn sie müssen sicherstellen, dass sie die richtige Ausrüstung haben. Das wurde aber nicht erreicht. In der Formel 1 ist das neu, wir hatten so etwas noch nie zuvor. Bis September ist nun Zeit, sicherzustellen, dass das nicht wieder passiert. Es könnte zum Beispiel in die Verträge mit einer Reifenfirma hingeschrieben werden, dass ein Reifen immer sicher sein muss, auch wenn er dann vielleicht nicht schnell ist."
Einheitsreifen "nicht ausgeschlossen"
Frage: "Michelin wird die Fans, die in Indianapolis anwesend waren, entschädigen. Und sie kaufen 20.000 Tickets für das nächste Jahr, um sie zu verteilen. Was erwartest du von den Teams als Wiedergutmachung?"
Mosley: "Wir hoffen wirklich, dass die Teams sicherstellen, dass der Reifenhersteller Michelin genau das tut, was er vorgeschlagen hat. Außerdem sollten alle Beteiligten bei Schadenersatzforderungen, die in den USA entstehen, auf Michelin verweisen."
Frage: "Wenn irgendwelche Maßnahmen eingeleitet werden, sollte sich also Michelin eher als die Teams damit beschäftigen?"
Mosley: "Das ist unsere Position. Michelin oder die Teams. Das Problem ist, dass wir nur mit den Teams reden können, nicht mit dem Reifenhersteller. Aber die Teams können mit Michelin reden. Es ist an ihnen, das zu bereinigen."
Frage: "Denkst du, dass sich das World Council während der nächsten zwei Jahre für Einheitsreifen entscheiden wird?"
Mosley: "Das ist absehbar, aber das würde nicht vom World Council ausgehen, es wäre viel mehr eine Sicherheitsentscheidung. Nach der Veröffentlichung unserer Korrespondenz mit Michelin an diesem Morgen ist auch offiziell, dass wir Michelin darum gebeten haben, Details zu ihren Reifenschäden der letzten beiden Jahre zu liefern. Das geschah aufgrund eines Hinweises einiger Formel-1-Ingenieure, es hätte auch in der Vergangenheit Schäden an der Reifenflanke gegeben. Wir wissen nicht, ob das wahr ist. Wir müssen es prüfen. Aber wenn sich herausstellt, dass es kein einmaliges Problem ist, wenn sich herausstellt, dass bei privaten Tests mit Reifen dieser Machart schon vorher ähnliche Fehler aufgetreten sind, könnte es sein, dass die technische Abteilung diese Reifen als gefährlich einstuft und beschließt, dass sie nicht mehr in der Formel 1 gefahren werden dürfen. Aber das will ich noch nicht beurteilen, wir müssen uns das sehr sorgfältig anschauen. Und wir sollten unabhängige Experten zurate ziehen, weil wir keine Reifenexperten haben und weil wir einen neutralen Blick darauf brauchen. Aber diese Entscheidung unterliegt nicht in erster Linie dem World Council."
Frage: "Wenn ich mir das Urteil so ansehe, so ist es eine Mischung aus einem klaren Urteil und einem Statement der Schuld und der Bestrafung. Könnte es nicht sein, dass die amerikanische Öffentlichkeit nun darauf blickt und denkt, dass heute ja gar nichts passiert ist?"
Mosley: "Ich kann nicht zustimmen, dass nichts passiert ist. Wir haben zwei Dinge beschlossen, die passieren. Die Sache mit den Fans muss aussortiert werden und wir brauchen Vorschläge, damit so etwas nicht wieder passiert. Das konnte heute nicht geschehen, aber bis zum September. Es wäre unfair gewesen, heute schon ernsthafte Strafen aufzuerlegen. Erst, wenn sich bis September nichts geändert haben sollte, wäre das als fair zu betrachten. Da wir nicht wussten, welchen der beiden Wege wir zu gehen haben, haben wir die Sache verschoben. In der Zwischenzeit werden wir weitere Dinge lernen."

