• 03.07.2004 12:51

Das große Interview mit FIA-Präsident Max Mosley

Im Rahmen einer Pressekonferenz sprach Mosley gestern in Magny-Cours alle Themen an, die die Formel 1 derzeit bewegen

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wann fiel deine Entscheidung, im Oktober dein Amt als FIA-Präsident niederzulegen?"
Max Mosley: "Vor etwa einem Jahr habe ich begonnen, ernsthaft darüber nachzudenken. Sofort aufhören kann man nicht, zwei Jahre muss man das Amt mindestens begleiten, wenn man für vier Jahre gewählt wurde. Im Frühjahr dachte ich, dass 2005 Schluss sein würde, ein weiteres Mal wollte ich mich nicht zur Wahl stellen, auch wenn es darüber Spekulationen gab. In den letzten vier Wochen reifte in mir der Gedanke, dass wenn ich die Geschichte mit der AIT (Alliance Internationale de Tourisme; d. Red.) lösen würde und einen Weg für die Formel 1 finden könnte, dann sollte ich aufhören. Die Entscheidung fiel dann etwa vor drei Wochen."#w1#

Titel-Bild zur News: Max Mosley

Sagt zum Abschied leise Servus: FIA-Präsident Max Mosley

Frage: "Bezüglich des Unfalls von Ralf Schumacher in Indianapolis. Innerhalb von zwei Monaten soll die Behandlung bei einem Unfall beginnen. Der Rettungswagen war aber erst nach einer Minute und 39 Sekunden bei Ralf, daher blieben nur noch 21 Sekunden für eine Reaktion. Bist du zufrieden mit dieser Zeit oder lief etwas schief?"
Mosley: "Da ist etwas missverstanden worden. Das Auto muss innerhalb von zwei Minuten an der Unfallstelle sein. Im Ernstfall muss der Kreislauf innerhalb von drei oder vier Minuten wieder stabil sein, aber die magische Grenze für uns sind die zwei Minuten. Wenn man einen langen Kurs wie Spa zugrunde legt, auf dem man vielleicht noch feststellen muss, wo sich die Autos befinden, dann sollte der Arzt in zwei Minuten an der Unfallstelle sein. Die 21 Sekunden sind daher kein schlechter Wert."

Mosley mit Reaktion der Einsatzkräfte in den USA zufrieden

Frage: "Die Vorgänge in den USA waren also so geplant? Bist du zufrieden damit?"
Mosley: "Ja."

Frage: "Bist du einverstanden gewesen, dass das Rennen nicht unterbrochen wurde? Einige Ärzte haben gesagt, dass die Autos recht schnell an der Unfallstelle vorbei fuhren. Grand-Prix-Rennfahrer scheinen nicht viel Gefühl für niedrige Geschwindigkeiten zu haben."
Mosley: "Einige wenige amerikanische Ärzte sagten, dass die Autos nicht rechtzeitig hinter dem Safety-Car aufgesammelt wurden. Aber natürlich geschah dies! Und ich muss den amerikanischen Ärzten auch sagen, dass ich es überraschend finde, dass Ralf Schumacher in ein recht bekanntes Krankenhaus gebracht wurde, wo er eingehend untersucht wurde, aber erst als er zurück in Deutschland war, stellte man zwei Frakturen der Wirbelsäule fest."

Frage: "Die späte Disqualifikation von Juan-Pablo Montoya wurde bereits erläutert. Aber warum wurde nicht vorher über die Bildschirme bekannt gegeben, dass er unter Beobachtung steht? Dies hätte schon von der zweiten oder dritten Runde an erfolgen können. Dann hätte man gewusst, was vor sich geht."
Mosley: "Das erscheint nur auf den Bildschirmen, wenn die Sache bei der Rennleitung liegt. Wenn alle Beweise gesammelt wurden und es klar wäre, dass er innerhalb der erlaubten Zeit das Auto gewechselt hat, dann wäre es nie zur Rennleitung gegangen. Erst wenn Charlie (Whiting; Anm. d. Red.) sicher ist, dass etwas falsch war, geht es zu den Stewards. Die Untersuchung beginnt erst danach. Ansonsten müsste jeder Gedanke von Charlie auf den Bildschirmen erscheinen. Das ist natürlich Nonsens."

Keine 18 Stimmen für das geplante neue Qualifying

Frage: "Warum wurde das vorgeschlagene Qualifying-Format für Silverstone nun doch wieder abgelehnt?"
Mosley: "Weil es keine 18 Stimmen dafür in der Formel-1-Kommission gab. Es gab zwei Möglichkeiten, das neue Format zu beschließen. Eine wäre, dass die Teams einstimmig zugestimmt hätten. Es gab ein Papier mit allen Unterschriften der Teams, dies ging an die Formel-1-Kommission, weil die FIA nach dem Concorde Agreement die Regeln ändern kann, wenn alle Teams dafür stimmen. In der Formel-1-Kommission benötigt man jedoch 18 von 26 Stimmen, aber es gab nur zwölf Stimmen dafür, wenn ich mich erinnere, nicht 18. Daher kam es nicht durch."

Frage: "Du sagtest bereits, dass einige in der FIA dich gerne halten würden. Auch hier im Paddock und im Pressesaal gibt es viele Leute, die das begrüßen würden. Gibt es einen Weg, deine Meinung zu ändern?"
Mosley: "Sie sind sehr, sehr nett zu mir, ich weiß das zu würdigen. Ich bin kein Formel-1-Teamchef, daher ändere ich meine Meinung nicht alle paar Minuten..."

Frage: "Nach den Unfällen von Ralf Schumacher und Felipe Massa stellt sich die Frage, welche Prozeduren durchlaufen werden müssen, damit Ralf von der FIA als wieder renntauglich eingestuft wird."
Mosley: "Danke, dass sie mich an den Unfall von Massa erinnern, denn auch wenn solche Unfälle kein Beweis für die Sicherheitsmaßnahmen, die wir einführen wollen, sind, so sind sie dennoch Indikatoren. Der Unfall von Felipe Massa erfolgte mit 113 g, das ist enorm. Wenn er nicht die neuesten Schutzsysteme, inklusive HANS, gehabt hätte, dann hätte er den Datenaufzeichnungen nach das Lenkrad mit 80 Prozent mehr Kraft getroffen, als es für eine Verletzung ausreichend ist."

"Wenn die Zeit reif ist, sind sich auch die Ärzte einig"

"Im Fall von Ralf Schumacher waren es 78 g, was immer noch viel ist. Zuerst wird er natürlich von seinen eigenen Ärzten untersucht und für fit erklärt. Dann wird er noch einmal von den FIA-Ärzten untersucht und wenn alles okay ist von Sid Watkins für renntauglich eingestuft. Da gibt es keinen Kampf. Wenn die Zeit reif ist, sind sich auch die Ärzte einig."

Frage: "Du hast erklärt, wie der Prozess in der Technischen Arbeitsgruppe verläuft. Wenn neue Vorschäge auf den Tisch kommen, wer bestimmt wie über die Vorschläge entschieden wird und ob sie gut genug sind?"
Mosley: "Das wird von der FIA entschieden. Unsere Techniker von der FIA würden dann sicher einer Abstimmung im World Council anstreben, denn dort wird die Entscheidung gefällt. Aber ich denke, dass die Chance, dass sich die Teams einigen, wenn acht von ihnen bereit sind, etwas zu unterschreiben, extrem gering ist. Es wäre schon sehr seltsam, wenn das passieren würde."

Frage: "Deine Frustration über die Teamchefs hast du bereits zum Ausdruck gebracht. Hatte auch das einen Einfluss auf deine Entscheidung, vorzeitig von deinem Amt zurückzutreten? Und welche Sorgen machst du dir über die Formel 1, wenn sich die Teamchefs nicht auf ein Paket zur Verbesserung der Show einigen können?"
Mosley: "Zum ersten Punkt: Ja, das spielte eine Rolle. Und zum zweiten Punkt: Unter dem Concorde Agreement müssen sie nicht notwendigerweise zustimmen. 1998 wurde wegen der Probleme nach den tödlichen Unfällen von Ayrton Senna und Roland Ratzenberger eine neue Klausel in das Concorde Agreement eingeführt. Dies erlaubt es uns, Regeln selbst zu erlassen, wenn wir glauben, dass die Autos unakzeptabel schnell sind."

Mosley erwartet nicht, dass sich die Teams einigen werden

"Ich habe ja schon gesagt, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass es diesbezüglich eine Einigung geben wird, die akzeptabel ist, denn acht von zehn Teams müssen zustimmen. Wir schlagen also selbst etwas vor und helfen den Teams, indem wir sagen, dass wir das selbst durchsetzen werden, wenn es zu diesem Fall kommen sollte."

Frage: "Noch einmal zum Unfall von Ralf Schumacher. Eine Gehirnerschütterung kann einen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Fahrers haben. Ralf hatte bereits im letzten Jahr einen ähnlichen Unfall bei Testfahrten in Monza und erst zehn Monate später zeigte er wieder seine bestmögliche Leistung. Nach dem Monza-Unfall überredete er auch Sid Watkins, damit dieser ihn beim Grand Prix starten ließe. Nach dem Training zog er sich jedoch zurück. Sollten daher nicht eingehendere Untersuchungen nach einer Kopfverletzung stattfinden, welche die Fahrer auch vor sich selbst schützen könnten?"
Mosley: "Das könnte der Fall sein. Ich bin aber nicht qualifiziert, darauf zu antworten. Ich weiß nicht, wo die physische Medizin aufhört und der psychologische Teil beginnt. Ich weiß einfach nicht genug darüber. Aber das ist ein Punkt, den man an die medizinischen Leute weiterleiten sollte. Unser Hauptziel ist es, dass die Fahrer keine Gefahr für sich selbst oder andere darstellen. Ob er sein altes Leistungsvermögen wieder hergestellt hat, ist eine völlig andere Frage. Das geht nur ihn und sein Team etwas an."

Frage: "Was wird nach ihrem Rücktritt passieren? Wird es einen Interimspräsidenten für ein Jahr geben oder soll eine normale Wahl veranstaltet werden?"
Mosley: "Wenn ich im Oktober bei der Hauptversammlung zurücktrete, wird es eine Wahl für den vakanten Posten des Präsidenten geben. Jeder freie Posten in der Führung wird durch eine Wahl bestimmt. Es wird eine normale Wahl sein. Wenn es mehr als einen Kandidaten gibt, dann wird eine Abstimmung durchgeführt werden."

Großer Einfluss der Teams sei "veraltet", so Mosley

Frage: "Du warst eine führende Kraft hinter der derzeitigen Regelauslegung, die den Teams viel Macht gibt, mehr als in jedem anderen Sport. War das ein Fehler?"
Mosley: "Solange man in den Teams arbeitet, ist es sehr gut. Vom Standpunkt der Führung aus gesehen würde ich zwar nicht von einem Fehler sprechen, aber es ist sicher veraltet. Meine persönliche Meinung ist, und das habe ich bereits erklärt, dass man eine ehrliche, kompetente und uneigennützige Sportführung braucht, die sich nicht beeinflussen lässt. Sie sollte nicht immer geistreiche Wege finden müssen, um neue Regeln einzubringen, oder zum Warten gezwungen sein, wie gerade jetzt, bis ein ernstes Sicherheitsproblem auftritt, ehe man etwas tun kann. Aber es war zu dieser Zeit notwendig, Stabilität zu haben, weil die Leute in der FIA nicht sehr viele Kenntnisse darüber hatten, was in der Formel 1 notwendig oder möglich war. Einige Teams sagen, dass dies noch immer so ist, aber da kann ich nicht zustimmen."

Frage: "Da deine Entscheidung zum Rücktritt auch auf dem Verhalten der Teamchefs beruht, kannst du dir vorstellen, eine führende Rolle in einer ähnlichen Struktur bezüglich der Straßensicherheit zu behalten? Und wer könnte dein Nachfolger werden?"
Mosley: "Ich denke, dass sich einige selbst als mögliche Nachfolger erachten. Ich würde aber nur böses Blut stiften, wenn ich einen oder zwei Namen der drei möglichen Nachfolger nennen würde. Und das möchte ich dann sicher nicht. Und wenn ich aufhöre, dann werde ich sicher nicht mehr viel tun. Ich wäre gern weiterhin in der Straßensicherheit involviert. Aber ich möchte nicht mehr so viel arbeiten wie bisher."

"Eine Sache können die Leute wohl nicht recht einschätzen. Es sieht so aus, als würde man in Jets und Limousinen umherreisen, aber die wirkliche Arbeit beginnt um 9 Uhr im Büro und geht bis 7 Uhr am Abend. Und dabei arbeitet man schnell, manchmal lese ich Sachen nicht wirklich sorgfältig. Es ist eine wirklich schwere Arbeit, denn es umfasst die Themen Straßenautos und Rennsport und alle Schwierigkeiten damit. In einigen Ländern gibt es Streit, wer die sportliche Hoheit besitzt, das hört nie auf, und es gibt einen Punkt, an dem man sich fragt, ob das Leben nicht etwas mehr ist. Und man spürt auch, dass man ein wenig das Interesse verliert, man kann aber keine gute Leistung zeigen, wenn man nicht zu 100 Prozent dahinter steht."

Kosten sollen über Motorenreglement gesenkt werden

Frage: "Du sprachst bereits über die Senkung der Geschwindigkeiten, aber wichtig ist ja auch die Kostenreduzierung, die gemacht werden muss, ehe Teams oder Hersteller aussteigen. Hast du wegen der Uneinigkeit der Teams in dieser Frage bereits aufgegeben oder wird es da noch zu Bewegungen kommen?"
Mosley: "Ein positiver Nebeneffekt bei der Umstellung auf die 2,4-Liter-Motoren ist, dass es auch die Kosten nachhaltig senken wird, denn das Problem mit den Motoren ist, dass die Leistung in jedem Jahr ansteigt. Als wir nach 1994 von 3,5 auf drei Liter umstellten, wurde gesagt, dass wir nie mehr als 600 bis 650 PS haben werden - 650 PS seien das absolute Maximum wegen der physikalischen Gesetze. Nun, jetzt sind wir bei mehr als 900 PS und in jedem Jahr kommen vier Prozent Leistung hinzu."

"Wenn man die Gebiete, auf denen die Hersteller arbeiten, beschränkt, wenn man die exotischen Materialien verbietet und die Größe der wichtigsten Elemente des Motors vorgibt, dann kann man den Forschungsaufwand auf diesem Gebiet senken, und das hat zwei Folgen. Erstens wird die PS-Zahl je ausgegebenen Dollar gesenkt, und zweitens verringert es den Antrieb, Unmengen an Geld zu investieren. Ansonsten würde es zu einem Wettbewerb des Geldausgebens werden, darum geht es ja jetzt schon und wir müssen dies stoppen."

"Auch unsere Bestrebungen auf dem Reifensektor werden die Kosten senken. Wenn wir zusätzliche Einschränkungen beim Chassis bringen können - und das tun wir -, wird das den Forschungsaufwand in den Windkanälen senken. Wenn ich noch das Sagen hätte, dann würde ich eines Tages das gesamte Windkanal-Aerodynamik-Thema attackieren, weil es einfach unglaublich teuer ist. Aber man kann nicht alles auf einmal machen. Der nächste große Kostenpunkt ist das Testen. Hier müssen die Teams wirklich nach einer Einigung streben. Wenn das nicht gelingt, dann werden sie große Schwierigkeiten bekommen. Aber sie sind einer Lösung schon recht nahe."

48-Millionen-Dollar-Nenngeld ist noch nicht gefallen

Frage: "Bei deinem letzten Auftritt vor der Presse in Monaco zeigtest du dich zuversichtlich, dass die Einschreibegebühr von 48 Millionen Dollar für neue Teams gestrichen wird. Was hat sich diesbezüglich bereits bewegt?"
Mosley: "Noch nichts. Das wäre ein Fall für die Formel-1-Komission und sie müssten darüber abstimmen. Aber es ist eine sportliche Regel und sie könnte mit einer Mehrheit in der Formel-1-Komission geändert werden. Aber ich bin optimistisch, dass wir 2006 zwei neue Teams in der Formel 1 haben werden. Die werden die Möglichkeit haben, einen beschnittenen
3-Liter-V10-Motor zu verwenden, wenn sie sich keinen 2,4-Liter-Motor leisten können."

Frage: "Es gab einige Vorschläge für die Generalversammlung, welche die Rolle des Präsidenten in der FIA ändern sollten. Was ist daraus geworden"
Mosley: "Diese Änderung wurde vorgeschlagen, da es derzeit nur einen Präsidenten für die gesamte FIA gibt. Dann gibt es jeweils einen Vizepräsidenten für Mobilisierung, die Straßenautos und die sportliche Seite. Ich habe vorgeschlagen, dass nach mir ein Präsident kommt, dem ein Vizepräsident für den Sport zur Seite steht. Jean-Marie Balestre war der Erste, der beides unter sich hatte, dann folgte ich. Aber wir haben auch diese beiden Säulen aufgebaut. Aber die klassische Struktur der FIA war ein Präsident und ein Vizepräsident für den Sport, wie bei Balestre. Mettenich war der Sportpräsident und Balestre Präsident der gesamten FIA."

"Ich bekam Briefe, in denen stand, dass es dann schwierig, wenn nicht gar unmöglich werden würde, dass jemand aus dem Sport Präsident der FIA werden würde. Das war sicher nicht der Grund für die Überlegungen und ich denke auch nicht, dass das passieren würde, aber ich schrieb jedem zurück, dass dies kein Problem sein würde. Wenn man bessere Ideen hat, dann würden wir unsere zurückziehen. Und das taten wir dann auch. Die meisten waren damit einverstanden du nun kann der Präsident immer noch entscheiden, wie viele Aufgaben er den Präsidenten der Abteilungen zuteilt."

Mosley hatte außergewöhnliche Beziehung zu Ecclestone

Frage: "Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass dein Nachfolger die gleiche gute Beziehung zu Bernie Ecclestone haben wird?"
Mosley: "Nicht sehr groß, schätze ich. Wir kennen uns sehr lange und haben viele Dinge gemeinsam getan. Auf der anderen Seite ist Bernie mit einigen Leuten der FIA befreundet und er könnte auch mit diesen gut zusammenarbeiten. Natürlich nicht mit den gleichen Späßen, die wir teilen."

Frage: "Ist es überraschend, dass zehn Multimillionäre (die Teamchefs; d. Red.), die hunderte von Leuten beschäftigen, sich auf nichts einigen können?"
Mosley: "Das ist sogar sehr überraschend. Man sollte sich daran erinnern, dass sie alle relativ reich wurden, da sie bei etwas dabei sind, was von anderen geschaffen wurde. Ich kann das jetzt sagen, denn ich bin bald weg. Bernie hat ein Monopoly-Spielbrett für sie geschaffen und sie haben mit viel Geld dort gespielt und viel Geld damit gemacht."

"Aber im Grunde sind sie keine Geschäftsleute und sie versuchen auch kein Geld zu machen, sie wollen nur Rennen gewinnen. Ich kann zwei Namen nennen, die Geschäftsleute sind, und zwar erfolgreiche, aber im Grunde geht es darum, Rennen zu gewinnen. Wenn sie 50 Millionen an Sponsorengeldern hätten, dann würden sie 51 Millionen ausgeben und sich eine Million borgen. Sie denken nicht daran, nur 40 auszugeben und die Restlichen zehn in die eigene Tasche zu stecken. So ticken sie nicht."

Teamchefs verteidigen ihre Position "bis auf den Tod"

"Einige von ihnen wurden reich, da ihnen so viel Geld gegeben wurde, dass sie es gar nicht ausgeben konnten. Eine wünschenswerte Geschäftsstrategie ist das nicht. Wenn wir alle in einem Raum sitzen, dann denkt jeder an das eigene Auto und verteidigt es bis auf den Tod. Deswegen braucht man eine unparteiische Steuerung, die zu jedem fair ist und diese Probleme aussortiert. Es ist hoffnungslos, sie alle zu einigen, denn sie verteidigen ihre Interessen."

Frage: "Du verlässt die FIA in einer kritischen Zeit für die Formel 1. Bist du optimistisch, dass diese Probleme in der Zukunft gelöst werden können?"
Mosley: "Da bin ich sehr optimistisch. Ich verlasse meinen Posten in einer kritischen Zeit, aber damit mache ich auch das, was getan werden muss. Sie haben die Tür aufgemacht und diese Leistungen zugelassen, nun müssen wir drastische Maßnahmen ergreifen, welche die Probleme lösen werden. Die Motoren werden günstiger werden, die Autos langsamer, weniger Leistung, die Aerodynamik wird unter Kontrolle sein, der Rennsport wird besser werden und die Reifen werden härter sein. Es wird möglich sein, neben der Linie zu fahren, der Bremsweg wird länger werden, weil es weniger Grip geben wird. Das alles wird davon profitieren. Die Aerodynamik wird neben der Geschwindigkeitssenkung in den schnellen Kurven auch so beschaffen sein, dass die Autos auf den Geraden nicht schneller werden. Und sie wird auch für mehr Überholmanöver sorgen."

"Wenn man dies alles zusammenfasst, dann blicke ich optimistisch in die Zukunft. Ich denke, dass es sehr erfolgreich verlaufen wird, wir werden zwei neue Teams haben und vielleicht zwei oder drei Motorenhersteller werden die Formel 1 nicht verlassen, denn am Ende wird mehr der Kopf als das Geld zählen. Es wird darüber geredet werden, dass man aussteigt, aber dem sollte man keine Bedeutung beimessen, denn es wird nicht passieren. Es geht alles den richtigen Weg, auch wenn er drastisch ist, aber das ist notwendig. Wenn das getan ist, dann befinden wir uns auf dem richtigen Kurs. Bis dahin dürfen wir jedoch keinen schweren Unfall zu beklagen haben, denn die Gefahr kann man nie ganz ausräumen. Wir verringern die Wahrscheinlichkeit dafür, aber das wird nicht vor 2006 passieren, wenn auch die neuen Motorenregeln greifen."

Motoren müssen ab 2005 zwei Rennwochenenden halten

Frage: "Sollen die neuen V8-Triebwerke ein Wochenende halten oder zwei? Oder dürfen sie sogar so oft gewechselt werden wie in der Vergangenheit?"
Mosley: "Es wäre ein Motor für zwei Rennen. 2005 werden wir also den Zwei-Rennen-Motor haben und 2006 wird der 2,4-Liter-V8 kommen, der auch zwei Rennen halten muss."

Frage: "Wie steht es um das angedachte Reifenmonopol?"
Mosley: "Ich würde gerne ein Reifenmonopol sehen, aber wir müssen kein Monopol schaffen, wenn wir das auch mit Regeländerungen schaffen können. Wir versuchen die Leistung mit den Regeln zu verringern, damit die Reifen länger halten. Sie werden daher härter sein. Wenn das nicht funktioniert, können wir noch auf ein Monopol ausweichen."

Frage: "Noch einmal zum Unfall von Ralf Schumacher in Indianapolis. Die Rettung war innerhalb der vorgeschriebenen Zeit vor Ort, aber war sie dennoch schnell genug?"
Mosley: "Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn wir in 20 Sekunden da gewesen wären, als in 100, aber man hat nur beschränkte Mittel zur Verfügung. Man muss die Autos um den Kurs so platzieren, dass man in zwei Minuten am Unfallort ist. Im Durchschnitt wird es wohl um eine Minute herum dauern, aber manchmal eben auch mehr oder weniger. Die Mittel sind beschränkt, um Hilfe innerhalb von 20 Sekunden vor Ort zu haben. Das ist auch nicht der Punkt, denn wir wollen in zwei Minuten an der Unfallstelle sein und das haben wir geschafft. Im Fernsehen mag das etwas unglücklich aussehen, aber man muss das von der praktischen Seite aus betrachten."

Indianapolis-Unfall zieht keine Untersuchung nach sich

Frage: "Die hitzige Reaktion der Fahrer bezüglich der Reaktionszeit lässt vermuten, dass der Vorfall dennoch untersucht werden wird."
Mosley: "Es gibt nichts zu untersuchen. Die medizinischen Einsatzfahrzeuge fuhren sofort nach dem Unfall los. Alles lief nach Plan. Wir sprechen immer mit den Fahrern, wir haben auch mit Michael (Schumacher; Anm. d. Red.) gesprochen und er hat es sofort verstanden. Die Frage, die bleibt, ist, wann das Rennen abgebrochen werden sollte. Wenn zu viele Trümmerteile auf der Fahrbahn liegen, dann ist dieser Punkt sicher erreicht."

"Die erste Quelle hierfür ist der Fahrer des Safety-Cars. Ein Beispiel ist der Deutschland-Grand-Prix von vor zwei oder drei Jahren, als es einen Unfall beim Start mit Michael Schumacher gab und das Safety-Car auf die Strecke ging. Es fuhr eine Runde und bei Beginn der zweiten wurde das Rennen abgebrochen. Danach gab es Gerüchte, wonach das Rennen abgebrochen wurde, da Michael Schumacher aus dem Rennen war, aber in Wahrheit hatte das Safety-Car gemeldet, dass die Strecke von Trümmerteilen übersät ist. Es wäre zu gefährlich gewesen, so weiterzufahren."

"Man verlässt sich sehr auf den Fahrer des Safety-Cars und auch jedes Team spricht ja mit seinen Fahrern. Jeder Unfall ist anders und jemand muss eine Einschätzung treffen. Eine andere Beobachtung war, dass es wohl besser gewesen wäre, die Autos durch die Boxengasse zu leiten. Das schauen wir uns an, denn da sollten wir uns verbessern. Bei jedem Zwischenfall kann man etwas lernen."

Frage: "13 Jahre übst du diese Arbeit aus. Wie sollte man sich an dich erinnern?"
Mosley: "Ich möchte als jemand in Erinnerung bleiben, der den Motorsport vorangetrieben hat, vor allem bei der Sicherheit, und der die Position der FIA bei den Straßenautos gestärkt hat. In aller Bescheidenheit kann ich sagen, dass wir das geschafft haben. Es waren 13 wertvolle und schöne Jahre, die Treffen mit der Formel-1-Komission mal außen vorgelassen. Aber man muss wissen, wann der Zeitpunkt zum Aufhören gekommen ist, und wahrscheinlich ist es soweit."

Mosley macht sich für Beschneidung der Leistung stark

Frage: "Glaubst du wirklich, dass ein 2,4-Liter-V8-Motor die Spitze des Motorsports vertreten soll? Müssen die Autos wirklich eingebremst werden? Brauchen wir nicht mehr Unterhaltung auf der Strecke?"
Mosley: "Ich denke schon, dass es der Königsklasse entspricht. Als wir die 3-Liter-Motoren einführten, wurde gesagt, dass wir die 650 PS nie überschreiten würden. Selbst mit den jetzigen Beschneidungen wird man wohl 700 PS haben. Das ist mehr als das Maximum von 1994. Nur in den letzten sechs oder sieben Jahren hatten wir mehr als 700 PS. Wenn man an die frühen 60er Jahre denkt, dann waren 200 PS ein guter Wert für einen Formel-1-Motor, und ein Cosworth-DFV-Triebwerk leistete 450 PS, später 500."

"Wenn man die Rundenzeiten von heute mit denen von vor sieben Jahren vergleicht, dann sieht man einen Unterschied von sieben, acht der gar neun Sekunden je Runde. Das ist komplett verrückt. Es ist schnell. Wenn man die Autos ansieht, erkennt man keinen Unterschied, erst bei einem Unfall wird es offensichtlich. Es gibt zu viel Energie, die abgebaut werden muss, und bei der Sicherheit sind wir an der Grenze angelangt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Fahrer ernsthaft verletzt oder gar getötet wird, oder noch schlimmer, dass es einen Streckenposten erwischt, wird gesenkt werden. Wir müssen die Autos unter Kontrolle halten."

Frage: "In Bezug auf das, was du hier gesagt hast, neigen sich die Tage, in denen die Formel-1-Teameigner in Bezug auf den regelschaffenden Prozess der Formel 1 Einfluss nehmen, ihrem Ende zu. In Monaco hast du bei der Besprechung deutlich gemacht, dass du vor dem Ende des aktuell gültigen kein neues Concorde Agreement siehst. Was passiert dann zwischen jetzt und dem Ende von 2007? Bis zu welchem Grad haben die Teamchefs in Bezug auf Regeländerungen etwas zu sagen?"
Mosley: "Die Antwort auf die erste Frage ist, dass zwischen jetzt und 2007 das Concorde Agreement vollständig in Kraft ist. Es ist nur so, dass wir massive Änderungen am technischen Reglement haben werden, weil wir sie auf Grund der unglaublichen Leistung der Autos brauchen. Sie werden aus diesem Grund einen Einfluss auf die sportlichen Regeln haben. Nehmen wir zum Beispiel einmal das berühmte Qualifying, wenn wir für 2005 kein neues Qualifying-System haben werden - ich nehme an wir werden eines haben - dann müssen sie dem zustimmen, aber in der gewöhnlichen Art und Weise. Man benötigt rund die Hälfte der Teams, man braucht alle Promoter und die anderen Leute in der Formel-1-Kommission, sie werden also weiterhin das Sagen haben. Was mich betrifft, so wäre es nicht mein Problem, aber ich glaube, dass sie nach 2008 immer noch das Sagen haben sollten, aber ich denke, es sollte eine einfache Mehrheit sein."

Neuer Prozess für die Entscheidungsfindung notwendig?

"Ich denke, man sollte Änderungen schaffen und es sollte dabei um zwei Elemente gehen. Zunächst einmal sollte man eine einfache Mehrheit der Teams haben, um zu verhindern, dass Leute etwas komplett Verrücktes tun, und zusätzlich sollte man eine gewisse Zeitspanne haben, in der Änderungen greifen sollen. Wenn sich diese um den Motor drehen, dann sollten sie mindestens 18 Monate Zeit bekommen, was im Moment meiner Meinung nach als die richtige Zeitspanne angesehen wird. Wenn es etwas mit dem Chassis zu tun hat, dann ist vielleicht ein Jahr ideal, aber man muss immer bedenken, dass einige Regeln im sportlichen Reglement sich auf die Konfiguration des Autos auswirken. Ich bin dafür, dass sich die Leute unterhalten, aber in der Situation, die wir im Moment haben, wenn man dann zum Beispiel den Motor verändern möchte, benötigt man ihre einstimmige Zustimmung. Das ist unmöglich und das Ergebnis davon ist, dass man im Moment wirklich Autos hat, die nicht ideal sind. Ich denke, dass wir dies in Ordnung bringen müssen."

Frage: "Vor ein paar Jahren hattest du ein paar Probleme mit der Europäischen Kommission und du hast daraufhin die regulatorische und die kommerzielle Seite der FIA voneinander getrennt. Die kommerzielle Seite hängt immer noch in der Luft und du verlässt die FIA nun vorzeitig. Kannst du bestätigen, dass du keine Lust verspürst, darin involviert zu sein?"
Mosley: "Ich habe die andere Frage in Bezug auf die Memoiren nie beantwortet. Ich habe keinen Plan, Memoiren zu verfassen. Ich habe keine Pläne, in die kommerzielle Seite involviert zu werden. Die Sache ist die, dass die kommerzielle Seite nominell in der Luft hängt, aber das erscheint mehr so, als es in der Wirklichkeit tatsächlich der Fall ist. So weit ich das sehen kann, gibt es nicht den geringsten Zweifel daran, dass eine Einigung, lange bevor das aktuelle Concorde Agreement ausläuft, erzielt werden kann."

"Ich denke, dass allmählich jeder versteht, dass zwei Meisterschaften nicht im Interesse von irgendwem sein würden und ich denke, dass sie alle verstehen, dass es zwei Meisterschaften geben würde, solange sie keine Vereinbarung erzielen. Die Vorstellung, wenn eine Gruppe geht und ihr eigenes Ding macht, dass es dann keine andere Gruppe geben würde, die ihre eigene Sache macht, ist pure Fantasie. Es würde sie geben. Solange man kein Arrangement trifft, hat man zwei Meisterschaften. Wenn man zwei Meisterschaften hat, so ist dies eine sehr, sehr schlechte Situation, in der jeder weniger Geld erhalten würde. Ich sehe in Bezug auf die kommerzielle Seite keine Schwierigkeiten. Die Leute machen daraus eine große Sache, aber die Realität ist die, dass die Hersteller zustimmen müssen und weil sie zustimmen müssen, werden sie auch zustimmen. Das glaube ich."

Ecclestone konnte Mosley Rücktritt erst nicht glauben

Frage: "Kannst du uns etwas über Bernies Reaktion sagen, als du ihm mitgeteilt hast, dass du zurücktreten wirst und hat er versucht, dich umzustimmen?"
Mosley: "Als ich es ihm sagte, denke ich nicht, dass er dachte, dass ich es ernst meine, aber sofort nach dem Treffen hat er mich angerufen und gesagt 'Also hast du es getan'. Und ich sagte 'Ja, ich habe es tatsächlich getan'. Ich denke nicht, dass er dachte, dass ich es tun würde. Ich bin deswegen ein wenig traurig, denn es ist das Ende einer Ära. Natürlich werden Bernie und ich Freunde bleiben. Fakt ist, dass es nun leichter sein wird, Freunde zu sein, wo wir nicht mehr in - ich möchte nicht widersprüchliche Lager sagen, aber manchmal sind es widersprüchliche Lager. Manchmal hatten er und ich unterschiedliche Ansichten und haben unsere Positionen verteidigt. Vom persönlichen Standpunkt aus gesehen wird dies der Freundschaft wohl gut tun und ich hoffe, dass wir sehr gute Freunde bleiben können. In gewisser Weise ist es traurig, aber die Welt dreht sich weiter. Die Leute verändern sich. Die Umstände verändern sich."

"Ich denke, dass es der größte Fehler ist, den man machen kann, wenn man vor allem alt wird, über 60, weiterzumachen. Man muss in der Lage sein, hinzugehen und zu sagen, ich bin glücklich, ich freue mich darauf, eines der Bücher zu lesen, das ich gerne lesen möchte. Ich habe immer noch die Zeit, für Ideen interessiert zu sein, ich werde mich immer noch für den Motorsport interessieren - sehr interessieren - aber ich werde nicht mehr die schreckliche Last der Verantwortung spüren, dass ich den Ball am Laufen halten muss. Wenn man an die Anzahl der Leute denkt, die darin involviert sind, dann ist es schon eine große Verantwortung, wenn man die ganze Zeit das Gefühl hat, dass man keinen Fehler machen darf. Aber wir machen alle Fehler. Dieser Teil wird nun Vergangenheit sein."

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