Das große 'F1Total.com'-Interview mit Eddie Irvine

Ex-Vizeweltmeister Eddie Irvine über sein Leben nach der Formel 1, entgangene Chancen, "beschissene" Hersteller und die neue Saison

(Motorsport-Total.com) - Eddie Irvine mag zwar nicht mehr viel vom Rennfahren halten, eines hat sich seit seinem Rücktritt von der Formel 1 aber nicht geändert - nämlich sein loses Mundwerk. Im exklusiven Interview mit 'F1Total.com' verrät er, wie sein Leben nach dem Motorsport aussieht und was er von der bevorstehenden Saison erwartet.

Titel-Bild zur News: Eddie Irvine

"C'est la vie": An Irvines Mundwerk hat sich seit seinem Rücktritt nichts geändert

Dass das tatsächliche Transkript von uns in jedem dritten Satz um Ausdrücke wie "Fuck" oder "Bullshit" zensiert werden musste, war bei dem wortgewaltigen 39-Jährigen als Gesprächspartner von vornherein klar. Was er vergangenen Sonntag zu erzählen hatte, ist dennoch höchst unterhaltsam und interessant: Etwa sein deutlicher Seitenhieb gegen Partylöwe Kimi Räikkönen oder seine Meinung zur Saison 2005, in der die Dominanz Michael Schumachers laut "Crazy Eddie" enden könnte.#w1#

Leben auf dem Mittelstreifen zwischen Miami, Mailand und Irland

Frage: "Eddie, du hast dich eine ganze Weile nicht mehr blicken lassen. Was machst du momentan und wo verbringst du die meiste Zeit?"
Eddie Irvine: "Meistens bin ich in Miami, aber jetzt gerade bin ich in Irland, weil ich ein paar Meetings habe. Ich halte mich aber selten lange in Europa auf, sondern fliege meistens rasch wieder zurück nach Miami."

Frage: "Wie schlägst du deine Zeit tot?"
Irvine: "Business. Ich habe einiges am Laufen. In Miami habe ich Grundstücke. Irgendwie muss ich ja auch meine Kohle verdienen."

Frage: "Hattest du seit deinem Rücktritt jemals das Gefühl, dass dir das Rennfahren fehlt?"
Irvine: "Nein (mit einem rotzfrechen Unterton; Anm. d. Red.)."

Frage: "Hast du seither an irgendeinem Autorennen teilgenommen?
Irvine: "Nein (wieder derselbe Unterton...; Anm. d. Red.). Ich befasse mich überhaupt nicht mehr aktiv mit dem Rennsport."

Frage: "Was machst du, wenn du nicht in Miami in der Sonne liegst? Welche Art von Geschäften betreibst du?"
Irvine: "Heute war ich zum Beispiel den ganzen Tag auf meiner neuen Kartbahn in Nordirland, die erst kürzlich eröffnet hat. Man kann dort auch Paintball spielen und so weiter. Es ist eigentlich eher ein Entertainment-Komplex."

Frage: "Macht es Spaß, dort zu fahren? Fährst du auch selber?"
Irvine: "Ein bisschen. Ich meine, es macht mir nichts aus, mit Karts zu fahren, aber eigentlich sind mir Motorräder lieber."

Partylöwe Irvine bringt Fans näher an die Formel 1 heran

Frage: "Du bist an einem Projekt beteiligt, welches einige wenige Formel-1-Fans gegen Geld näher an die Stars und an die Partys heranbringt. Kannst du darüber mehr erzählen?"
Irvine: "Das ist eine andere Sache, die ich mache, ja. Es war meine Idee, aber ich habe jetzt andere Leute, die das betreiben. Ich habe keine Ahnung, was die Leute dafür zahlen müssen, denn um solche Dinge kümmere ich mich nicht, aber wir bringen sie zu den Rennen - zumindest zu denen, die Spaß machen. Zum Beispiel Budapest, Kanada oder Monaco. Wir bringen sie zu den guten Partys, damit sie einmal die lustige Seite der Formel 1 kennen lernen."

Frage: "Du bist bei diesen Reisen auch selber dabei?"
Irvine: "Ja."

Frage: "Es hat eine Riesengeschichte gegeben, als Du im Londoner Hyde Park mit deinem Moped zu schnell unterwegs gewesen bist und dann den Gerichtstermin platzen hast lassen. Worum ging es dabei?"
Irvine: "Ich bin gleich nach dieser Geschichte nach Miami geflogen, aber dann habe ich erfahren, dass ich vor ein Londoner Gericht muss. Sie wollten, dass ich komme, und ich habe gesagt, 'Kein Problem, beim nächsten Mal, wenn ich in Europa bin, schaue ich vorbei'. Sie wollten aber, dass ich sofort komme, und das habe ich nicht gemacht."

Frage: "Hatte das für dich ein Nachspiel?"
Irvine: "Bis jetzt zumindest nicht..."

Streit um eine Bar: "Dieser Bastard hat sich an mir bereichert"

Frage: "Du betreibst nebenher eine Bar, die deswegen in die Schlagzeilen geraten ist, weil du deinen Partner entlassen hast und er daraufhin vor Gericht gegangen ist. Was hat es damit auf sich?"
Irvine: "Es stimmt, ich habe diese Bar gekauft und dieser Kerl, Foley, hat für mich gearbeitet. Ich habe ihn dabei erwischt, wie er sich falsch verhalten hat, was die Finanzen angeht, also habe ich ihn gefeuert. Dieser Bastard hat sich an mir bereichert und jetzt verklagt er mich auch noch. Die Rechte für die Arbeitnehmer sind einfach zu gut. Er zerrt mich vor Gericht, weil ich ihn angeblich zu Unrecht entlassen habe. Er hat Geld von Konten abgehoben, das er nicht abheben hätte dürfen."

Frage: "Es hat ein Riesentheater um Kimi Räikkönen gegeben, weil er sich zweimal in der Öffentlichkeit betrunken hat. Irgendwie fehlen solche Typen der Formel 1 ein wenig. Was sagst du dazu?"
Irvine: "Er ist doch immer besoffen! Er trinkt einfach zu viel und ich habe ihn schon ein paar Mal gesehen in so einem Zustand. Das ist einfach nur dämlich. So zugesoffen zu sein, das hat nichts mehr mit Charakter zu tun, das ist reine Blödheit. Er säuft sich so nieder, dass er nicht einmal mehr reden kann. Was bringt das? So etwas macht man mit 15 oder 16."

Frage: "Ist diese Zeit für dich selbst vorbei?"
Irvine: "Ich habe mich immer betrunken, aber nie so extrem, dass ich mich so beschissen aufgeführt hätte. Mit 14 und 15, okay, da war ich manchmal auch so, aber mit 16 hatte ich schon das nötige Hirnschmalz, es nicht mehr so weit zu treiben."

Frage: "Was war die alkoholischste Party deiner aktiven Zeit? Erinnerst du dich noch daran?"
Irvine: "Ich war wirklich oft betrunken, aber nie so heftig."

Wie man sich das Leben als Filmstar angenehm gestalten kann...

Frage: "Du hast vor einiger Zeit angeblich in einem Film mitgewirkt. Stimmt das?"
Irvine: "Ja, das stimmt, wir haben einen Film gemacht. Ich habe die Hauptdarstellerin (eine ehemalige Miss Slowakei; Anm. d. Red.) gevögelt, also war das okay (lacht)!"

Frage: "Hast du im Moment eine Freundin?"
Irvine: "Ja."

Frage: "Du hast eine Tochter, Zoe. Wie alt ist sie und wie viel Zeit verbringst du mit ihr?"
Irvine: "Sie ist jetzt acht Jahre alt. Ich war gerade ein paar Tage Skifahren mit ihr, in Tokio. Wir sehen uns so oft wie möglich."

Frage: "Michael Schumacher hat kürzlich zehn Millionen Dollar für die Tsunami-Hilfsaktionen gespendet. Beteiligst du dich auch an solchen Dingen?"
Irvine: "Manchmal schon. Das hängt davon ab. Für die Tsunami-Geschichte habe ich zum Beispiel nichts gespendet. Bei anderen Sachen spende ich schon ab und zu."

Frage: "Lass uns über die Formel 1 sprechen. Dein erster Teamchef, Eddie Jordan, hat seinen Rennstall verkauft. Bist du traurig, dass er geht?"
Irvine: "Ich finde das traurig. Die Formel 1 wird immer mehr zu einem Trauerspiel. Sie wird ohne ihn weniger bunt sein, das steht fest."

Frage: "Was hältst du davon, dass Firmen wie 'Red Bull' und 'Midland' die traditionellen Teams aufkaufen?"
Irvine: "Ich glaube nicht, dass diese Firmen so schlimm sind. Wirklich beschissen sind die Hersteller. Die beschäftigen doch nur Idioten, um die Teams für sie zu führen. Mann muss sich doch nur Toyota anschauen. Was machen die schon?"

"Für einen Hersteller würde ich auf keinen Fall arbeiten

Frage: "Würde es dich reizen, in einer Management-Funktion in der Formel 1 zu arbeiten?"
Irvine: "Nein, das würde ich nie machen. Auf keinen Fall würde ich für einen Hersteller arbeiten - da können sie mir Geld geben, so viel sie wollen. Das ist nichts für mich."

Frage: "Glaubst du, dass 2005 irgendjemand Michael Schumacher und Ferrari stürzen kann?"
Irvine: "Ganz sicher! Ich glaube, McLaren sieht im Moment sehr gut aus. Dieses Jahr könnte es mit dem neuen Reifenreglement wirklich interessant werden, denn Michael hatte immer schon einen ziemlich hohen Reifenverschleiß. Ich bin gespannt darauf, was mit ihm in den Rennen passieren wird. Das kann ein echter Nachteil für ihn sein."

Frage: "Der Renault sieht im Moment ziemlich schnell aus, der BAR-Honda hingegen weniger..."
Irvine: "Das Auto von BAR letztes Jahr war ein reiner Glückstreffer. Renault wird aber sicher stark, vor allem Fisichella ist ziemlich gut. Williams ist ein einziges Katastrophengebiet. Die sind ganz schlecht gemanagt, das ist unglaublich. Ich persönlich glaube, dass sich das Ferrari und McLaren untereinander ausmachen werden."

Frage: "David Coulthard steht vor einer schwierigen Saison bei Red Bull Racing. Hättest du an seiner Stelle aufgehört?"
Irvine: "Mit dem, was ich heute weiß, ja. Man kann ihm das aber nicht verübeln, denn er war davor noch nie in einem so schlechten Team."

Frage: "Wie war es für dich, von einem Top-Team wie Ferrari zu Jaguar zu kommen?"
Irvine: "Ich habe eigentlich immer geglaubt, dass es besser wird, aber das letzte Jahr war eine einzige Katastrophe, ehrlich. Es war ein einziger Haufen Scheiße. Nichts, was sie gesagt haben, haben sie tatsächlich gemacht. Das Einzige, worum sie sich gekümmert haben, war Politik, Politik, Politik. Niki (Lauda; Anm. d. Red.) wollte Jackie (Stewart; Anm. d. Red.) rauswerfen, Jackie wollte Niki rauswerfen, Günther (Steiner; Anm. d. Red.) ist von Jackie rausgeschmissen worden und so ging das dahin. Jeder hat nur versucht, allen anderen ans Bein zu pissen. Das war ein einziger Witz. Und der Support von Ford hat auch gefehlt."

Irvine schätzt Räikkönen stärker ein als Montoya

Frage: "Mit Kimi Räikkönen und Juan-Pablo Montoya bei McLaren-Mercedes kommt ein tolles Stallduell auf uns zu. Wer wird sich am Ende durchsetzen?"
Irvine: "Ich glaube, dass Kimi die Oberhand behalten wird. Montoya ist nicht schlau genug."

Frage: "Und was sagst du zu Jenson Button?"
Irvine: "Ich finde, Button hat letztes Jahr einen sehr soliden Job gemacht. Ich glaube nicht, dass er das größte Talent der Welt ist, aber er hat nur wenige Fehler gemacht. Er kann sich wirklich nichts vorwerfen. Dieses Jahr wird sein Auto nicht so gut sein wie 2004. Wahrscheinlich wird er ein bisschen weniger Rampenlicht abbekommen."

Frage: "Beobachtest du deine ehemaligen Teams - also Jordan, Ferrari und irgendwie auch Red Bull Racing - mit anderen Augen als den Rest?"
Irvine: "Nicht wirklich. Um ganz ehrlich zu sein, ich verfolge die Formel 1 überhaupt nicht so intensiv. Ich habe keine Zeit, mir die Rennen anzuschauen, ich bin schließlich ziemlich gestresst. Außerdem habe ich überhaupt keinen Bock darauf, in Miami früh am Morgen aufzustehen, um mir diese bescheuerten Rennen anzuschauen."

Frage: "Glaubst du, dass Rubens Barrichello die richtige Nummer zwei für Ferrari ist?"
Irvine: "Ja, schon. Er ist sicher eine ganz gute Wahl für diesen Job. Ich war in manchen Bereichen besser als er, er ist in manchen Bereichen besser als ich. Ich glaube, mit ihm fährt Ferrari ganz gut."

Frage: "Bist du bei Ferrari anders behandelt worden als Michael Schumacher?"
Irvine: "Ja, klar ist Michael anders behandelt worden, klar hat er besseres Material bekommen, aber das war auch ganz normal, denn er war nun einmal der Starfahrer. Er war derjenige, der die Weltmeisterschaft gewinnen sollte. Ob die bevorzugte Behandlung auch in seinem Vertrag gestanden ist? Ich habe keine Ahnung, schließlich habe ich seinen Vertrag nie gelesen."

Frage: "Wenn man sich mit deiner Karriere auseinandersetzt, kommt man an Japan 1993 nicht vorbei, als dir Ayrton Senna eine geknallt hat. Hast du nachher jemals mit ihm darüber gesprochen?"
Irvine: "Nein."

"Was vor einigen Jahren passiert ist, ist nur noch Geschichte"

Frage: "Was für ein Gefühl hast du heute, wenn du daran denkst?"
Irvine: "Ich kann mich ehrlich gesagt nicht mehr so genau daran erinnern und will es auch gar nicht. Wozu dieser ganze Müll? Was in der Formel 1 vor einigen Jahren passiert ist, ist nur noch Geschichte. Das zählt nichts mehr."

Frage: "Bist du traurig, dass solche Zwischenfälle heutzutage in der Formel 1 nicht mehr passieren, und wer ist deiner Meinung nach die größte Persönlichkeit unter den Fahrern?"
Irvine: "Ich weiß es nicht. Keine Ahnung, wer eine echte Persönlichkeit ist, aber die Teams tun ja auch nichts mehr dafür. Die Hersteller wollen, dass die Autos die Stars sind. Die Fahrer sind keine Stars mehr. Sie sind so schlecht bezahlt, dass sie keine Stars mehr sind. Sie verdienen weniger als mancher Fußballer, was lächerlich ist."

Frage: "Du hast in Hockenheim 1999 nur gewonnen, weil dich dein Teamkollege Mika Salo überholen hat lassen. Hat sich das wie ein echter Sieg angefühlt?"
Irvine: "Hm. Ich hatte in dem Rennen von Beginn an mit dem Öldruck Probleme. Da war eine Warnlampe im Cockpit an und ich musste einfach langsam fahren und konnte nichts dagegen machen. Im Nachhinein hat es sich dann als ein Problem mit einem Schalter herausgestellt. Ich konnte schneller fahren als Mika, denn meine schnellste Runde war um eine halbe Sekunde schneller als seine. Das war, als ich vor dem Boxenstopp kurz gepusht habe, aber die restliche Zeit konnte ich wegen der Warnlampe nur herumrollen. Es war keine große Sache für mich. In der damaligen Situation war es notwendig."

Frage: "Umgekehrt wärst du wohl Weltmeister geworden, wenn du nicht in Magny-Cours 1999 für Michael Schumacher Platz hättest machen müssen. Wurmt dich das heute noch?"
Irvine: "Nein. Scheiß drauf, es ist vorbei, wen kümmert das noch? Ich kann es sowieso nicht mehr ändern. Das ist vorbei, die Vergangenheit, nicht mehr. C'est la vie!"

Frage: "Kommst du 2005 zu irgendwelchen Formel-1-Rennen?"
Irvine: "Monaco, vielleicht auch Kanada."

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