Ricciardo: Triumph in Ungarn mit Manöver des Jahres
Was für ein Thriller am Hungaroring: Daniel Ricciardo gewinnt den verrückten Grand Prix vor Alonso, Hamilton und Rosberg - Kontroverse um Mercedes-Boxenfunk
(Motorsport-Total.com) - Das war nochmal ein echter Thriller vor der vierwöchigen Sommerpause der Formel 1! Vor allem dank eines Regenschauers vor dem Start bot der Grand Prix von Ungarn am Hungaroring jede Menge Dramatik - und mit Daniel Ricciardo (Red Bull) am Ende einen genauso überraschenden wie verdienten Sieger. Der Australier feierte seinen zweiten Saisonsieg nach Kanada und setzte sich in einer packenden Schlussphase vor Fernando Alonso (Ferrari) sowie den beiden Mercedes-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg durch.
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Daniel Ricciardos Manöver gegen Lewis Hamilton war die Entscheidung im Rennen Zoom
Ricciardos Jubel war diesmal noch euphorischer als in Kanada, und das zurecht. Denn profitierte er dort vor allem von technischen Problemen von Mercedes, so war zwar auch diesmal ein bisschen Rennglück im Spiel, aber die Krönung war ein sensationelles Überholmanöver in der drittletzten Runde. "Mann, kann der Junge überholen", schwärmt Red-Bull-Teamchef Christian Horner. "Wie er das gemacht hat, war einfach unglaublich!"
Genau wie die Entscheidung um den Sieg: Zwölf Runden vor Schluss lag Alonso noch dreieinhalb Sekunden vor Hamilton, weitere dreieinhalb Sekunden dahinter fuhr Ricciardo. Letzterer hatte aber die frischesten Reifen drauf, Alonso die ältesten. Und so rückte das Paket zusammen, bis es ab der 64. Runde zu einem echten Dreikampf (inklusive Alonso-Ausritt) wurde. Dann ging es aber ganz schnell: In der 67. Runde schnappte sich Ricciardo Hamilton, in der 68. Alonso.
Hamilton eine harte Nuss, Alonso nur Kanonenfutter
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Nico Rosberg gewann den Start auf nasser Strecke und führte vor Valtteri Bottas Zoom
Die Art und Weise, wie er außen in Kurve 2 an Hamilton vorbeizog, mit qualmenden Reifen, war atemberaubend: "Es musste getan werden", lächelt er cool vom Podium. Alonso war danach nur noch Kanonenfutter: "Es war klar, wir mussten schnell überholen. Das DRS hat gut funktioniert, und wir wussten, dass es meine einzige Chance war. Ich habe sie genutzt. Wir werden heute Abend sicherlich feiern. Danach genieße ich meinen Urlaub."
Alonso kann jedoch auch mit Platz zwei leben, obwohl er den Sieg schon vor Augen hatte: "Ich bin sehr zufrieden. Das Podium ist eine schöne Überraschung. Wir haben heute etwas riskiert und versucht, uns den Sieg zu holen. Wir waren nahe dran, aber ich bin trotzdem sehr stolz auf das Team. Wir haben unsere Chance genutzt, denn in diesem Jahr brauchen wir so verrückte Rennen, damit wir es auf das Podium schaffen."
Während Ricciardo noch um mehr als fünf Sekunden davonzog, wehrte sich Alonso mit Händen und Füßen (und erfolgreich) gegen Hamilton. Der hatte seinerseits Polesetter Rosberg formatfüllend im Rückspiegel - und ließ sich vom Teamkollegen in Kurve 2 nicht noch einmal überrumpeln, machte diesmal brutal die Tür zu. Rosberg, fünf Runden vor Schluss noch 12,5 Sekunden hinter der Spitze, konnte seinen Reifenvorteil nach dem gescheiterten Angriff nicht mehr nutzen.
Unglücklicher Rennverlauf für Rosberg
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Marcus Ericsson korrigierte zu stark und setzte den Caterham in die Reifenstapel Zoom
Dabei hatte er den Grand Prix zu Beginn noch souverän angeführt. Nach dem Start auf Intermediates fuhr Rosberg seinen Verfolgern Valtteri Bottas (Williams), Vettel und Alonso auf und davon - nach acht Runden hatte er schon neun Sekunden Vorsprung. Hamilton lag zu diesem Zeitpunkt mit fast einer halben Minute Rückstand an 13. Position, obwohl er nach Start aus der Boxengasse gleich mal leicht gecrasht war. Der Silberpfeil überstand diese Situation unbeschadet.
Rosberg wiederum hatte (genau wie Bottas, Vettel und Alonso) das Pech, dass er während der ersten Safety-Car-Phase noch eine Runde drehen musste, während alle anderen schon an die Box kommen konnten. So führte beim Restart plötzlich Ricciardo vor Jenson Button, dessen McLaren-Team auf einen neuerlichen Regenschauer spekulierte und auf Intermediates blieb. Auch wenn Button kurz darauf in Führung ging, war das längerfristig gesehen die falsche Entscheidung.
Was folgte, war ein äußerst unterhaltsames Rennen mit jeder Menge Action - und einer kleinen Kontroverse am Mercedes-Boxenfunk. Denn als Rosberg (noch einen Stopp vor sich) mit den weicheren Reifen hinter Hamilton auftauchte, der mit seinem harten Satz bis zum Ende durchfahren wollte, forderte Mercedes Hamilton bestimmt auf, für den Teamkollegen Platz zu machen. Diesen Befehl verweigerte der Brite aber.
Surer zeigt Verständnis für Hamiltons Ignoranz
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Sebastian Vettel und Valtteri Bottas hatten Pech mit der ersten Safety-Car-Phase Zoom
"Warum lässt er mich nicht vorbei?", ärgerte sich Rosberg, aber Formel-1-Experte Marc Surer zeigt dafür kein Verständnis: "Warum hätte er ihn vorbeilassen sollen? Er war zu weit weg." Schon zuvor hatte Rosberg zaghaft agiert, als er nach dem zweiten Restart hinter dem Toro Rosso von Jean-Eric Vergne an dritter Stelle lag - und Hamilton schon im Rückspiegel hatte. Am Ende hielt er den Schaden nach einem verkorksten Nachmittag mit drei eingebüßten WM-Punkten im Rahmen.
"Ich bin enttäuscht über die letzte Runde. Die Chance war da, aber ich hab's nicht geschafft", seufzt Rosberg. "Letztendlich war es nicht die richtige Strategie, aber das sagt sich im Nachhinein leicht. Das Hauptproblem war, dass meine Bremsen überhitzt haben. Ich hatte einige Probleme, das ist bei solchen Rennen aber immer so. Das Safety-Car kam auch im schlechtesten Moment. Bis dahin ging es richtig gut. Aber ist nun mal so."
Alle, die während der ersten Safety-Car-Phase nicht sofort Reifen wechselten (oder nicht konnten), fielen weit zurück. Die beiden Williams-Piloten wurden am Ende Fünfter (Felipe Massa) und Achter (Bottas), Vettel nach einem Dreher bei Start und Ziel, der genauso gut in der Mauer hätte enden können, Siebter. McLaren staubte dank Button zumindest einen WM-Punkt ab - 0,8 Sekunden vor Adrian Sutil, dessen Sauber-Team bei null Zählern stehen bleibt.
Vettel: Glück im Unglück bei Dreher
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Der Dreikampf um den Sieg war in den letzten Runden nervenzerfetzend spannend Zoom
Vettel, der den WM-Titel diesmal schon vor der Sommerpause abschreiben muss, sieht sein mäßiges Ergebnis entspannt: "Heute war einfach die Frage, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein", sagt er und kommentiert den Dreher: "Ich habe versucht, die Bremse aufzumachen und einzulenken und die Mauer irgendwie zu umgehen. Das hat Gott sei Dank gerade so gereicht. Ich glaube, es war nicht mehr viel Luft dazwischen. Es ist dann ein bisschen Glückssache."
Der vierte Deutsche im Bunde, Nico Hülkenberg, war da schon längst draußen. Kurz nach einem Restart attackierte er in der letzten Kurve seinen Force-India-Teamkollegen Sergio Perez, fuhr diesem drauf, sodass einige Teile flogen. Der Mexikaner konnte noch bis zu seinem eigenen (selbstverschuldeten) Crash (übrigens nur ein paar Meter weiter) in der 22. Runde weiterfahren, Hülkenberg schlitterte aber in die Barrieren und musste aufgeben.
"Da gibt es keine zwei Meinungen. Wer hinten drauf fährt, ist immer Schuld", sucht Hülkenberg gar nicht erst nach Ausreden. Für Perez war es "ein dummer Unfall, der sich natürlich auch auf das Handling des Autos ausgewirkt" und somit vielleicht seinen Abflug verursacht hat. Zu einer Kollision kam es übrigens auch zwischen Pastor Maldonado (Lotus) und Jules Bianchi (Marussia), als der Venezolaner in der ersten Kurve überholen wollte.
Nur 16 von 22 gestarteten Autos im Ziel
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Riesenjubel bei Daniel Ricciardo nach dem zweiten Sieg seiner Formel-1-Karriere Zoom
Dass Vergne, zwischenzeitlich sensationell an zweiter Position liegend, am Ende Neunter wurde, Kimi Räikkönen (Ferrari) aber trotz eines Ausritts und erneuten Nörgelns am Funk ("Links hinten stimmt doch etwas nicht") Sechster, erklärt sich durch den chaotischen Rennverlauf. Auch sahen diesmal nur 16 der 22 gestarteten Autos die Zielflagge. Esteban Gutierrez (Sauber) gab an der Box auf, Kamui Kobayashi (Caterham) blieb auf der Strecke stehen.
Perez war der Auslöser der zweiten Safety-Car-Phase, Hülkenberg an seinem Ausscheiden selbst schuld. Besonders kurios der Abflug von Romain Grosjean: Der Lotus-Pilot crashte während der von Marcus Ericsson (Caterham) ausgelösten ersten Safety-Car-Phase, als er seine Reifen mit harten Lenkbewegungen aufwärmen wollte. Das Safety-Car hätte da eigentlich schon reinkommen sollen, blieb dann aber doch noch auf der Strecke.
In der Weltmeisterschaft führt nach elf von 19 Rennen Rosberg nun nur noch mit elf Punkten Vorsprung auf Hamilton. Ricciardo ist mit 71 Zählern Rückstand Dritter, Titelverteidiger Vettel Sechster. Bei den Konstrukteuren liegt Mercedes (393 Punkte) vor Red Bull (219), Ferrari (142) und Williams (135). Weiter geht's erst nach der vierwöchigen Sommerpause, am 24. August mit dem Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps.