• 23.08.2007 21:52

Coulthard: Keine Zweifel an Dennis' Sportsgeist

David Coulthard spricht im Interview über seine aktuelle Situation, sein neues Buch und den "Krieg der Sterne" aus Sicht eines Ex-Silberpfeil-Piloten

(Motorsport-Total.com) - Frage: "David, ihr habt neue Teile hier. Was versprichst du dir davon?"
David Coulthard: "Wenig überraschend hoffe ich, dass sie uns voranbringen werden. Wir müssen morgen einen neuen Frontflügel evaluieren. Eines der Handicaps, das wir hatten, ist, dass wir den Frontflügel nicht so einstellen konnten, wie es für eine optimale Balance nötig gewesen wäre. Die Heckstabilität in den schnellen Kurven ist gut und wir haben hier einige schnelle Kurven, aber wir könnten etwas steilere Frontflügel gut gebrauchen."

Titel-Bild zur News: David Coulthard

David Coulthard hat gerade seine erste Autobiografie veröffentlicht

Frage: "Glaubst du, dass euch diese Strecke besser liegen wird als zum Beispiel Ungarn?"
Coulthard: "Ja. Ich denke, die fließende Natur der Strecke müsste uns entgegenkommen. Mit unserem Luftwiderstandsniveau waren wir im Vorjahr ziemlich langsam auf den Geraden. Jetzt sind wir in den Kurven langsam, aber auf den Geraden schnell. Ein hoher Prozentsatz einer Runde besteht hier aber aus Geraden, daher denke ich, dass wir an diesem Wochenende konkurrenzfähiger sein werden."#w1#

Coulthards erste Autobiografie

"Ich hielt den Zeitpunkt für geeignet, um meine Geschichte zu erzählen." David Coulthard

Frage: "Du hast eine Autobiografie veröffentlicht. Was kannst du uns darüber erzählen?"
Coulthard: "Ich habe davor noch nie ein Busch geschrieben. Naja, einmal habe ich mit Gerry Donaldson 1998 etwas gemacht, ein Tagebuch einer Rennsaison, aber noch nie ein Buch über mich, wo ich herkomme und über all die Dinge, die für euch Journalisten vielleicht nicht interessant sind, aber für die Fans des Sports. Es geht um die Reise aus einem kleinen Dorf in Schottland bis hin zu 14 Jahren in der Formel 1, die noch weitergehen. Ich hielt den Zeitpunkt für geeignet, um meine Geschichte zu erzählen, denn es gibt einige vergangene Dinge, über die die Leute noch nichts wissen. Manche Dinge kann ich auch richtigstellen, obwohl die Öffentlichkeit eine andere Meinung dazu hatte. Ich denke, es ist ein interessantes Buch."

Frage: "Kann man es schon kaufen?"
Coulthard: "Ja."

Frage: "Bei McLaren-Mercedes herrscht der 'Krieg der Sterne'. Gab es in deiner Karriere jemals einen Moment, in dem du Streit mit einem Teamkollegen hattest und es ihm heimzahlen wolltest?"
Coulthard: "Da ging es immer nur um Mädchen, nie um Autos (grinst; Anm. d. Red.)! Im Ernst: Als ich in der Opel Lotus Teamkollege von Gil de Ferran war, fuhr ich ihm in der ersten Runde in Zolder in seinen Hinterreifen und er deutete mir dann von der Boxenmauer aus das ganze Rennen hindurch mit dem Stinkefinger."

"Wir sind damals mit dem Auto von England nach Zolder gefahren, denn wir fuhren für Paul Stewarts Team, und wir musste uns ein Auto nach Hause teilen, um wieder rechtzeitig nach Milton Keynes zu kommen. Er sagte kein einziges Wort zu mir, während ich die ganze Zeit redete: 'Komm schon, Mann, that's Racing, steh doch drüber!' Nichts, nicht ein Wort! Aber wir haben die Sache später beigelegt. Da habe ich realisiert, dass die Südamerikaner den Rennsport sehr, sehr ernst nehmen, vor allem dann, wenn ihnen jemand den Reifen aufschlitzt!"

Frage: "Du bist sehr erfahren und warst auch schon bei McLaren-Mercedes. Wie siehst du die Vorfälle von Ungarn und hast du das Gefühl, dass Ron Dennis die Situation zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso richtig managt?"
Coulthard: "Ron ist jedenfalls als Teamchef erfahren genug, um das zu handhaben, denn er hatte solche Situationen ja auch früher schon, als ich noch ein Junge war - mit Senna und Prost, wahrscheinlich davor auch schon mit anderen McLaren-Fahrern."

"Krieg der Sterne" toll für die Fans

"Eine völlig rationale und vernünftige Person kann die verrücktesten Sachen machen, wenn ihr die Emotionen durchgehen." David Coulthard

"Es ist eine schwierige Situation. Ron hat in Ungarn versucht, das Umfeld in Ungarn so transparent wie möglich darzustellen, damit sich kein Fahrer benachteiligt fühlt. Was die beiden im Auto anstellen, kann er ja nicht kontrollieren. Eine völlig rationale und vernünftige Person kann die verrücktesten Sachen machen, wenn ihr die Emotionen durchgehen. Solche Geschichten sind immer toll für euch Journalisten und für die Zuschauer zu Hause, denn es trägt zur Show abseits der Rennstrecke bei."

"Viel wurde darüber geredet, wie es die Strategie beeinflusst, wenn ein Auto früher rausgeht und wie das das andere Auto beeinträchtigt. Fundamental ist, dass nur ein Auto zur gleichen Zeit an die Box kommen kann. Wir reden darüber nicht, aber Felipe (Massa; Anm. d. Red.) und Kimi (Räikkönen; Anm. d. Red.) könnten zum Beispiel in Monza gleich schnell sein, aber derjenige, der sich die Boxenstrategie aussuchen kann, wird das Rennen gewinnen, denn es gibt einen Punkt, an dem du einen Vorteil hast, wenn du eine Runde länger fahren kannst. Wenn du Rad an Rad fährst, wirst du dann deinen Teamkollegen überholen, wenn alles normal läuft."

"Wenn es wirklich einen offenen Schlagabtausch zwischen Teamkollegen geben soll, dann muss man es wie in Amerika machen, wo beide Teamkollegen eine eigene Box haben und eigene Strategien fahren können, unabhängig voneinander. In der Formel 1 kann es sein, dass Runde 22 der optimale Zeitpunkt für den Boxenstopp ist. Aber wer darf dann reinkommen - Felipe oder Kimi? Und wenn man diese Entscheidung vor dem Rennen trifft, weiß man, dass ein Fahrer bevorzugt wird. Das war schon immer so, aber wir reden nie darüber, sondern nur über den Zwischenfall in Budapest."

"Außerdem: Wer sagt, dass Ferrari im Qualifying nicht absichtlich vergessen hat, Felipes Auto zu betanken? Vielleicht war das eine Teamentscheidung, um Kimi zu helfen. Wie kann man vergessen, ein Auto zu betanken? Niemand hat darüber gesprochen. Ich weiß nicht, aber so konnte er jedenfalls nicht auf die Strecke fahren..."

Frage: "Heute kam keiner der McLaren-Mercedes-Fahrer an die Strecke, was mich zu der Frage führt, wie du generell zum Donnerstag stehst, an dem du auf die Ingenieure und auf die Medien triffst. Genießt du das oder wäre es dir lieber, erst am Freitag zu kommen und direkt ins Auto zu steigen?"
Coulthard: "Interessante Frage. Das erste Mal, dass ich nicht schon am Donnerstag an der Strecke war, ist schon lange her, aber es war das Wochenende meines ersten Sieges. Damals hatte ich noch niemanden, der für mich die Freundinnen zusammentrommelte, aber meine Freundin kam erst spät am Donnerstagabend an. Wenn ich nach dem Abholen noch an die Strecke gefahren wäre, hätte ich den halben Tag versäumt, also rief ich Frank Williams an und fragte ihn, ob ich wegbleiben kann. Er war einverstanden und wir besprachen die Strategie für Freitag."

Plädoyer für verkürzte Rennwochenenden

"Es wäre mir ganz recht, erst am Freitagmorgen aufzutauchen und gleich loszulegen." David Coulthard

"Wir kennen ja die Setups, da ändert sich heutzutage nicht viel, daher finde ich, dass wir unsere Zeit ineffizient nutzen. Die Mechaniker müssen da sein, um alles aufzubauen, die Infrastruktur muss stehen, aber der Donnerstag ist wirklich nicht der wichtigste Tag des Wochenendes, schätze ich. So gesehen wäre es mir ganz recht, erst am Freitagmorgen aufzutauchen und gleich loszulegen."

Frage: "Ron Dennis hat in den vergangenen Wochen viel über die Werte gesprochen, die McLaren-Mercedes repräsentiert. Du kennst das Team gut. Was sind das für Werte und wie wirken sie sich auf das Leben eines McLaren-Mercedes-Fahrers aus?"
Coulthard: "Mika Häkkinen hat kürzlich etwas zu den wilden Spekulationen hinsichtlich der Spionagesache gesagt. Seiner Erfahrung nach kam es bei McLaren in seiner Zeit dort nie in Frage, irgendein Teil, das in einen Graubereich fiel, ohne vorherige Genehmigung der FIA ans Auto zu schreiben. Wenn sie nämlich das Gefühl hatten, dass etwas anders ausgelegt werden könnte, hätten sie bestraft werden können, also bauten sie immer alles genau nach den Regeln oder sie schrieben die FIA an und ließen es absegnen."

"Oft war es so, dass etwas für legal befunden und dann wieder verboten wurde. Bei Renault war es auch so: Die Schwingungstilger waren für den Großteil der Saison okay, aber dann wurden sie ihnen weggenommen. So habe ich das in meinen neun Jahren bei McLaren erlebt. Diese Philosophie zieht sich von ganz oben bis an die Boxenmauer durch. Das ist ein deutliches Beispiel dafür, wie die Organisation strukturiert ist und wie sie an den Motorsport herangehen. Wenn Ron also emotional dabei wird, was er sagt, dann habe ich keinen Zweifel daran, dass er das ehrlich meint."

"Ich glaube auch, dass es einer Einzelperson nicht möglich ist, jedes kleine Detail zu kennen, das in einer Firma vorgeht - das geht einfach nicht. Es weiß ja niemand, wie das Material des Frontflügels beschaffen ist außer der Kerl, der ihn zusammenbaut, und man kann nicht alles über den Motor wissen, solange man nicht bei Ilmor ist. Aber wenn man die Regeln vorgibt und klarstellt, wie die Firma geführt werden soll, dann muss man den anderen um sich herum trauen. Das muss man professionell sehen. Ron ist so emotional, weil er leidenschaftlich ist und daran glaubt, dass die Dinge sportlich ablaufen müssen. Ob alle anderen Dinge, die er so macht, jedem gefallen, ist eine Sache des persönlichen Geschmacks."