• 17.03.2005 14:26

Coulthard-Interview: Rückendeckung für Schumacher

Im Interview spricht der Red-Bull-Pilot über die eher bescheidenen Aussichten seines Teams, die Kollision von Australien und vieles mehr

(Motorsport-Total.com) - Frage: "David, glaubst du, dass die Leistung in Australien ein Indikator für den Rest der Saison war? Hast du mit so einem Abschneiden gerechnet?"
David Coulthard: "Wir hatten Glück mit dem Wetter im ersten Qualifying und hatten daher für Sonntagmorgen Spielraum, was die Strategie angeht. Von daher wussten wir, dass unsere Strategie ähnlich sein würde wie jene der anderen Teams da vorne. Wir hätten sogar noch etwas mehr Benzin mitnehmen können, wenn man es im Nachhinein betrachtet. Insgesamt waren unsere Rundenzeiten im Rennen näher an der Konkurrenz dran als erwartet. Wir haben beide Autos in die Punkte gebracht und sind von der Pace her besser aufgestellt als das alte Jaguar-Auto, also werden wir vielleicht noch ein paar Mal in die Punkte fahren. Unter normalen Umständen sind wir aber schon hinter den vier Top-Teams."#w1#

Titel-Bild zur News: David Coulthard

Gealtert, aber entspannter als je zuvor: David Coulthard neu, anno 2005...

Frage: "Red Bull ist ein neues Team mit neuen Eigentümern. Wo liegen die Unterschiede zu den Top-Teams, für die du bisher gefahren bist?"
Coulthard: "Es sind die offensichtlichen Dinge. Mit den Leuten gibt es keinerlei Schwierigkeiten, aber sie brauchen Stabilität und Investment, um die Technologien zu entwickeln. Natürlich haben sich vor dieser Saison die Regeln geändert, aber es ist trotz allem wichtig, die Zusammenarbeit mit einem Motorenlieferanten beizubehalten oder sich langfristig mit einem Automobilhersteller zu verbünden, damit in all den Bereichen investiert werden kann, in denen es notwendig ist. Nur dann kann man die Pace der anderen Teams halten."

"Es hat im ersten Rennen Phase gegeben, in denen man ablesen konnte, wer wie schnell ist. Die Frage ist jetzt, ob wir unsere Pace bis zum 19. Rennen durchhalten werden. Natürlich ist der Traum, den Abstand zu den Top-Teams zu reduzieren, aber warum sollte uns das mit einer kleineren Fabrik und schlechteren Ressourcen gelingen? Es geht also darum, das potenzielle Anwachsen des Rückstands im Laufe der Saison so gering wie möglich zu halten."

Keine einzige volle Renndistanz bei den Wintertests

Frage: "Deine schnellste Runde in Australien war nur um eine Sekunde langsamer als die absolut schnellste. Das muss zufrieden stellend sein, nicht wahr?"
Coulthard: "Ja, denn ich glaube, dass Fernando alles hat geben müssen auf dieser Runde, weil er ja durch das Feld zu pflügen hatte, während Giancarlo an der Spitze eine ruhige Pace gehen konnte, nachdem er das Rennen in der ersten Kurve gewonnen hat. Was mich selbst angeht, hätte ich noch ein bisschen mehr pushen können, aber ich habe es sein lassen, weil wir uns bezüglich der Zuverlässigkeit einiger Teile nicht ganz sicher waren. Bei den Tests haben wir keine einzige volle Renndistanz geschafft. Daher habe ich mich darauf konzentriert, meine Position zu verteidigen und nicht allzu viel zu riskieren. Das ist ein umständlicher Weg zu sagen, dass ich näher an den Spitzenzeiten hätte dran sein können."

Frage: "Du bist also optimistisch?"
Coulthard: "Ich glaube, dass es für das Team ein verfrühtes Weihnachten war, beide Autos in den Punkten zu haben. Die Umstände haben ihren Teil dazu beigetragen, aber so kann ein Grand Prix nun einmal laufen. Wir waren näher an der Spitze dran als erwartet, daher sind wir umso motivierter, für die Zukunft alles richtig zu machen."

"Erwarte keine großen Probleme hinsichtlich der Reifen"

Frage: "Malaysia gilt wegen der Hitze als extrem herausforderndes Rennen. Kann man sagen, dass ein Paket für alle Strecken zuverlässig genug ist, wenn es hier bestehen kann?"
Coulthard: "Das kann man annehmen, denn die meisten Fahrer stehen vor ihrem zweiten Rennen mit denselben Motoren, noch dazu bei heißen Verhältnissen. Ich erwarte keine großen Probleme hinsichtlich der Reifen, denn die Mischungen, die wir dieses Jahr fahren, sind sogar härter als die harten Mischungen von früher. Natürlich ist die Hitze ein Problem für die Motoren, aber man kann die Motorentemperaturen auch bei den Tests zu Simulationszwecken in die Höhe treiben, indem man einfach die Kühllufteinlässe mit Tapeband abklebt. Das ist nicht genau dasselbe, aber man kann testen, wie der Motor auf so extreme Temperaturen reagiert. Es sind aber eher alle anderen Teile, für die so ein Rennen die ultimative Herausforderung ist."

Frage: "Du bist bisher immer mit einem Mercedes zur Strecke gekommen. Jetzt, wo du für Red Bull bist, was für in Auto ist es?"
Coulthard: "Naja, ein Mercedes. Ich war für sehr lange Zeit ein Teil der Mercedes-Familie und sie haben Petra, die sich um Freunde der Familie kümmert. Sie hat mir einen Mercedes besorgt. Es ist sogar ein brandneues Modell. Sehr toll!"

"Sie lieben mich doch nur, weil sie mich noch nicht kennen!"

Frage: "Wie wohl fühlst du dich bei Red Bull und wie wichtig ist es für dich als Fahrer, dass du voll unterstützt wirst und weißt, dass du vom Team geliebt wirst?"
Coulthard: "Sie lieben mich doch nur, weil sie mich noch nicht kennen! Ich kenne ehrlich gesagt noch gar nicht so viele Leute, denn im Winter habe ich mit dem Testteam gearbeitet, jetzt aber arbeite ich mit dem Rennteam. Ich lerne also alle noch kennen, aber ein paar Gesichter sind mir noch aus meiner Zeit bei Paul Stewart Racing vor 14 Jahren ein Begriff. Einige meiner längsten Bekanntschaften sind mir auf diesem Weg also wieder begegnet. Ich fühle mich wohl. Ich möchte meinen Job machen, Spaß haben und nach Hause gehen. Ich habe keine Lust mehr, meinen Kopf gegen eine Ziegelsteinmauer zu knallen, wie das in der Vergangenheit manchmal der Fall war."

"Ich habe meine Grand-Prix-Karriere fortgesetzt, weil es mir Spaß macht, jeden zweiten Sonntag ein Rennen zu bestreiten. Selbst an den schlechten Tagen ist so ein Grand-Prix-Wochenende meine hauptsächliche Quelle, aus der ich Freude schöpfe, daher hat es mir sehr gut gefallen, dass wir in Melbourne so stark waren. Ich glaube nicht, dass es bei den restlichen Rennen auch so gut laufen wird, aber ich kann meinen Job machen und sagen, was ich denke, und damit die Richtung vorgeben."

Coulthard spricht offen über seine Qualifying-Schwäche

Frage: "In der ersten Kurve in Melbourne haben wir deinen Rennfahrerinstinkt ganz klar gesehen. Damit hast du deinen Kritikern eine gute Antwort abgeliefert, nicht wahr?"
Coulthard: "Es ist das gute Recht der Medien, sich eine Meinung über mich zu bilden, schließlich verdiene ich mein Geld durch die Verbindung zwischen unserem Sport und den Zuschauern, die nun einmal über die Medien führt. Wenn diese Leute dann - ausgerüstet mit Informationen, die sie zusammentragen - ein Urteil über mich fällen, kann ich damit umgehen. Man kann aber nicht jemanden beurteilen, ohne alle Fakten zu kennen, denn sonst müsste man ja im wirklichen Leben auch nie vor Gericht gehen, um die Wahrheit herauszufinden."

"Ich kenne alle Fakten, denn ich bin ein Grand-Prix-Fahrer, und die anderen Mitarbeiter des Teams kennen alle Fakten aus ihrer Perspektive. Die Außenwelt bekommt auch Fakten mit, abhängig davon, wie eng der Kontakt zu mir oder den Teammitgliedern ist. Das ist eine umständliche Methode, die Frage nicht zu beantworten, denn ich möchte mich dazu nicht wirklich äußern. Natürlich haben die Medien die Macht, die Karriere eines Fahrers zu pushen oder sie zu zerstören, aber ich muss zugeben, dass ich mir selbst wohl mehr geschadet habe als ein einzelner Journalist, denn ich habe das Einzelzeitfahren im Qualifying einfach nie richtig hinbekommen. Das hat mir mehr geschadet als ein Typ, der schreibt, 'Coulthard soll sich besser aus dem Staub machen'. Ich will aber nichts anderes machen."

Coulthard über die Mentalität bei McLaren-Mercedes

Frage: "Du hast viele Jahre bei McLaren verbracht, wo sie die T-Shirts in die Hose stecken und generell sehr diszipliniert sind. Red Bull ist ganz anders. Was gibt es sonst noch für Unterschiede?"
Coulthard: "Ich glaube, dass sie auch bei McLaren die T-Shirts inzwischen heraußen tragen, wenn ich mich nicht irre. Mein Leben ist jetzt weniger geregelt. Es stimmt, bei McLaren gibt es genaue Vorschriften, wie es intern und extern abzulaufen hat, aber dahinter stecken auch nur Menschen. Ich verurteile das nicht, denn im Endeffekt kann es nicht schaden, wenn man nicht durch irgendwelche störenden Einflüsse von außen abgelenkt wird. Da ist es auch egal, wie zugänglich ein Team ist. In Melbourne bin ich nach dem Rennen zu Renault gegangen, um zu gratulieren, und Giancarlo saß ganz alleine in einem Raum. Es macht ihm sicher nichts aus, wenn ich das sage. Er wollte eben seinen Erfolg ganz für sich alleine genießen. Draußen wäre er von Menschen belagert worden. Manchmal ist es gar nicht schlecht, wenn man einmal auf seine innere Stimme hört und nicht immer auf die Menschen um einen herum."

Keine Finnen mehr: "DC" muss sich den Vodka selbst besorgen...

Frage: "Wie fühlt es sich an, endlich keinen finnischen Teamkollegen zu haben?"
Coulthard: "Ich muss mir jetzt den Vodka selber kaufen (lacht)! Ich habe Spaß daran, mit Christian und Tonio zu arbeiten, denn sie sind wesentlich jünger und entwickeln gerade ihr Leben. Wir trainieren zusammen und unternehmen Dinge, was mit Mika oder Kimi nie der Fall gewesen ist. Es ist schon angenehm, wenn man mit dem Teamkollegen gut auskommt, denn das macht das ganze Wochenende angenehmer, aber eigentlich geht es nur darum, um den Sieg zu fighten."

Frage: "Nach der Kollision zwischen Michael Schumacher und Nick Heidfeld gab es in den Medien einen Riesenwirbel. Es wurde geschrieben, dass sich die anderen Fahrer sogar an Michael rächen könnten, indem sie jetzt auch aggressiver zu Werke gehen. Was sagst du zu dem Zwischenfall und dem anschließenden Theater?"
Coulthard: "Ich habe mir das Rennen nachher angeschaut und ich habe im Gegensatz zu den Journalisten den Vorteil, dass ich weiß, wie es in einem Cockpit ist. Die Spiegel sind sehr klein und man hat nicht den Blick wie von außerhalb. Von außen sieht es so aus, als habe er Nick abgedrängt, der dann seinerseits nur noch in seine Seite krachen konnte. Die Frage ist nur, ob Nick nicht vielleicht zu spät gebremst hat und sowieso in ihn hineingefahren wäre. Vielleicht hätte er Michael auch dann gerammt, wenn Michael nicht nach innen gezogen wäre, dann eben erst am Scheitelpunkt der Kurve. Okay, Michael hat nach innen gezogen, aber ihn als Rambo zu bezeichnen, ist eine extreme Überreaktion. Am Freitag haben wir ein Treffen der 'GPDA' (Fahrergewerkschaft; Anm. d. Red.) und ich werde dann das Thema zur Sprache bringen. Ich bin sicher, Michael wird dann seine Sicht der Dinge erklären."

Kritik am Verhalten der Streckenposten in Australien

"Wenigstens gibt so etwas aber Gesprächsstoff her, nicht wahr? Es war toll, dass Giancarlo gewonnen hat, aber ein Zwischenfall trägt immer zum Spektakel bei. Mich hat an der Sache eher gestört, dass die Streckenposten über die Strecke gelaufen sind. Genau an der Stelle, an der vor ein paar Jahren ein Steckenposten getötet worden ist, sind vier oder fünf Streckenposten über die Strecke gelaufen, um Michael anzuschieben - ein sehr privilegierter Service, wenn man bedenkt, dass er sein Parkticket zu dem Zeitpunkt prinzipiell schon gelöst hatte. Natürlich wollen wir haben, dass möglichst alle Autos im Rennen bleiben, denn wir haben nur 20 am Start, aber die Stelle dort ist eben besonders gefährlich. Wenn dort ein Fahrer einen Fehler macht, kann sich trotz gelber Flaggen schnell einmal jemand drehen oder dergleichen."