• 16.08.2003 10:57

  • von Marcus Kollmann

Clear: Villeneuve ist ein guter Teamplayer

Der Renningenieur spricht über seine Aufgaben und die inzwischen langjährige Zusammenarbeit mit Jacques Villeneuve

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 ist ein Sport der Widersprüche, denn während die einzelnen Piloten an den Rennwochenenden im Vordergrund stehen und für ihre Leistungen wie gute Startpositionen oder Rennergebnisse Anerkennung bekommen und bei schlechten Ergebnissen in die Kritik geraten, wird zu oft vergessen, dass die Königsklasse des Motorsports ein derart komplexer Sport ist, dass der Fahrer auf eine Reihe von Personen angewiesen ist, um sich auf den Rennstrecken dieser Welt positiv in Szene setzen können.

Titel-Bild zur News: Jacques Villeneuve und sein Renningenieur Jock Clear

Villeneuve und Clear sind ein eingespieltes Team in der Formel 1

Wie wichtig eine optimale Abstimmung der Boliden mittlerweile ist, verdeutlichen alle zwei Wochen die mehr oder weniger zufriedenen Aussagen der Piloten am Rennwochenende. Die Zeiten in denen sich ausschließlich die Fahrer um das Setup kümmerten sind schon längst vorbei, denn ohne einen erfahrenen Renningenieur, der zudem das Bindeglied zwischen Fahrer und Team darstellt, läuft heute nichts mehr.

Eine der wohl längsten Fahrer-Renningenieur-Beziehungen in der Formel 1 ist die von Jacques Villeneuve und Jock Clear. Bevor der kanadische Pilot 1996 bei Williams das erste Mal mit Clear zusammenarbeitete, war der Engländer jedoch schon für einige andere Teams tätig.

Clears Weg in die Formel 1

"Ich bewarb mich 1988 um einen Job bei Lola, wo ich dann 18 Monate lang als Designingenieur arbeitete, bevor ich zu Benetton ging und als Leiter der Verbundesignabteilung beschäftigt war. Von dort ging ich dann zu Lotus, wo ich als Senior Designer arbeitete und 1994 als Renningenieur meine erste Chance als Renningenieur bekam. Bei Lotus arbeitete ich mit Johnny Herbert zusammen. Nachdem das Team verschwand, ging ich direkt zu Williams, wo ich zuerst mit David Coulthard und anschließend mit Jacques arbeitete. Der Rest ist, wie es so schön heißt, Geschichte und bekannt", gibt Clear einen kurzen Einblick über die Stationen die zwischen seinem Maschinenbaustudium und seiner heutigen Arbeit als Renningenieur lagen.

Die Zusammenarbeit zwischen Clear und Villeneuve war gleich von 1996 an erfolgreich, als man vier Siege, drei Pole Positionen und sechs schnellste Rennrunden erzielen und am Ende des Jahres die Vize-Weltmeisterschaft holen konnte. Den vorläufigen Höhepunkt stellte dann der Titelgewinn Villeneuves im Jahr darauf dar. Als sich der Kanadier anschließend zum Wechsel zu British American Racing entschloss, stellte er sicher, dass Jock Clear ihm nach Brackley folgt.

Einzigartiges Vertrauensverhältnis zwischen Fahrer und Renningenieur

Wie wichtig eine gute Beziehung zwischen Ingenieur und Fahrer wirklich ist, lässt sich nur schwer in Worte fassen, doch Clear weiß ganz genau worauf es ankommt, damit es rund läuft. "Es ist unglaublich wichtig, dass man ein gutes Verhältnis zum eigenen Fahrer hat und gegenseitiges Vertrauen besteht. Ich glaube, dass man diese Art an Vertrauensverhältnis in keinem anderen Sport findet. Ich kann mir zwar die Art von Vertrauen vorstellen die ein Golfprofi in seinen Caddie hat, doch bei dem Vertrauen das Jacques in mich setzt geht es sehr stark um seine Sicherheit und Leistungen im Auto. Ich muss sein in mich gesetztes Vertrauen erkennen und sicherstellen dass es niemals in Frage gestellt wird."

Wie aber sieht die Zusammenarbeit zwischen dem Renningenieur seinem Fahrer und dem restlichen Team aus? Schließlich arbeiten an den Boliden der Fahrer verschiedene Spezialisten. "Ich bin quasi die Schnittstelle zwischen Jacques und dem Team und versuche so viele Informationen von ihm wie möglich darüber zu erhalten, was gut und weniger gut am Auto ist. Anschließend ist es meine Aufgabe, dass diese Informationen in die Abstimmung einfließen. Entscheidungen zu treffen ist ein weiterer wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Dieser betrifft Entscheidungen hinsichtlich der Fahrzeugabstimmung, der Benzinmenge, der Reifen und vielem mehr, die in Beratung mit den anderen Experten auf diesen Gebieten, die mit mir zusammenarbeiten, getroffen werden."

Clear: "Jacques ist viel öfter ein Teamplayer gewesen ist als andere Fahrer"

Damit verdeutlicht der 39-jährige Renningenieur, dass ihm selbst eine große Verantwortung obliegt, denn er koordiniert alle Arbeiten am Rennauto. Auch wenn die Renningenieure und Fahrer oftmals als Team in einem Team bezeichnet werden, sind sie natürlich von allen anderen Personen abhängig. Clear weiß, dass gutes Teamwork die Grundlage für alle Erfolge auf der Rennstrecke ist und hat in dieser Hinsicht nur lobende Worte für Villeneuve.

"Ich bin genauso sehr ein Teamplayer wie er es ist, obwohl die Leute das von Jacques Villeneuve nicht glauben. Es stimmt, man erwartet nicht unbedingt, dass sich ein Fahrer verbiegt, um seinem Teamkollegen zu helfen, denn sie sind ja Rivalen. Allerdings ist es fair, zu sagen, dass Jacques viel öfter ein Teamplayer gewesen ist als andere Fahrer die ich kenne. Wir wissen, was von uns erwartet wird. Und wir wissen, dass die beste Art der Arbeit die als ein Team ist."

Formel 1 ist für Clear die perfekte Verbindung aus Sport und Wissenschaft

Während die erfolgreichen Jahre bei Williams schon lange zurückliegen, hatten es Villeneuve und sein Renningenieur bei BAR bisher nicht leicht, denn Erfolge - wenn auch nicht vergleichbar mit denen die man bei Williams hatte - wollten sich nur langsam einstellen. Auch 2003 ist auf Grund vieler technisch bedingter Ausfälle eine frustrierende Saison für die beiden gewesen.

Was aber ist der Grund dafür, dass sich Clear nicht entmutigen lässt und seine Arbeit noch genauso mag wie am ersten Tag? Der Engländer hat auf diese abschließende Frage gleich mehrere Antworten: "Hauptsächlich liebe ich die Tatsache, dass es sich um einen Sport handelt mit dem sich ein Adrenalinrausch einstellt und in dem Entscheidungen getroffen werden müssen und ein Ansporn in den Änderungen der Strategie in letzter Minute liegt. Die Formel 1 ist ein Sport und ich selbst bin immer ein Sportler gewesen der den Wettbewerb liebt. Für mich ist es deshalb eine ideale Arbeit. Ich liebe auch den Umstand, dass es so technisch zugeht, denn das ist eine meiner Stärken. Ich bin immer eine technisch orientierte Person gewesen und habe Mathematik, Physik und Chemie gemocht. Für jemanden wie mich ist die Formel 1 die perfekte Verbindung aus Sport und Wissenschaft."