• 17.03.2004 19:48

  • von Fabian Hust

Chris Dyer: Der Mann an Schumachers Seite

Dyer ist Schumachers Renningenieur. 2003 ins kalte Wasser geworfen, hat er den Deutschen mittlerweile gut kennen gelernt

(Motorsport-Total.com) - Chris Dyer ist seit der vergangenen Saison Michael Schumachers Chefingenieur. Dicke Freunde sind die beiden bisher jedoch nicht geworden. Das hat aber seine Gründe: "Man ist bei den Rennen, Tests, beim Analysieren der Daten, bei den Meetings in der Fabrik plus bei der Suche nach ein wenig Zeit für ein Privatleben mit der Familie so eingenommen, dass keine Zeit mehr bleibt, sich mit dem Fahrer anzufreunden", so der Australier und fügt mit einem Lächeln hinzu. "Allerdings - wir verbringen bei den Tests und den Meetings wohl in den Sommermonaten mehr Zeit zusammen als mit den eigenen Frauen."

Titel-Bild zur News: Chris Dyer

Chris Dyer ist eine Schlüsselfigur für den Erfolg bei Ferrari

Als Australier, der aus dem ländlichen Bendigo im australischen Bundesstaat Victoria stammt, war Dyer viereinhalb Jahre wohnhaft in England, nun lebt er seit mehr als drei Jahren in Italien. Der 35-Jährige begann seine Karriere im Motorsport mit dem erfolgreichen Holden Tourenwagenteam in "Down Under" und wechselte dann zum Arrows-Formel-1-Team nach England. Ob er mit Jos Verstappen, Damon Hill, Toranosuke Takagi oder Michael Schumacher gearbeitet hat - die Arbeitsabläufe sind sich immer ähnlich: "Der größte Unterschied ist jedoch, dass hier vier Leute das tun, was ich bei Arrows noch alleine machen musste!"#w1#

Koordinator von Informationen

Der Schlüssel zum Erfolg liegt bei den Roten im Teamwork begründet und in dieser Rolle spielt Dyer eine elementare Rolle: "Als Renningenieur bin ich mehr ein Koordinator von Informationen, die eine große Gruppe von Mitarbeitern liefert. Jeder von ihnen hält dabei während des Rennwochenendes oder eines Tests wichtige Informationen bereit. Wir unterhalten uns untereinander, welche Richtung wir einschlagen sollen und ich kann mich nicht erinnern, dass jemand einem anderen einmal seine Meinung aufgezwungen hätte." Übertrieben könnte man sagen, dass sich an einem Formel-1-Auto jeder Mechaniker um seine eigene Schraube kümmert. Und diese Spezialisten wollen koordiniert werden - das ist Dyers Aufgabe.

2003 - eine harte Saison

Für Dyer war die vergangene Saison die härteste seines Lebens, wie er der Fachzeitschrift 'F1 Racing' verrät - kein Vergleich also zur Saison 2002, als Ferrari alles nach Belieben dominierte: "Damals reichte es, dass wir 97 Prozent aus dem Auto herausholten. 2003 aber war das nicht mehr genug. Wir wussten, dass wir 100 Prozent erreichen mussten, und die letzten drei Prozent sind natürlich immer die schwersten", verrät Dyer, dass er nie so sehr unter Druck stand wie vergangenes Jahr, als ihn das Team zu Schumachers Renningenieur beförderte.

Dass es Anfang der Saison 2003 alles andere als gut lief und Dyer Schumachers neuer Renningenieur war, machte die Sache natürlich nicht einfacher, wie man sich vorstellen kann: "Die Leute wunderten sich, was mit Michael im Vergleich zum Vorjahr los war. Na klar, der Renningenieur ist neu! Ich habe genau das Gleiche gedacht." Dann analysierte man die Probleme methodisch und schaffte diese ganz Ferrari-like aus der Welt.

Schumacher - eine lebende "Datenbank"

Für Dyer ist die Zusammenarbeit mit Michael Schumacher "ein wenig wie ein zweischneidiges Schwert". Der Australier erklärt, warum dem so ist: "Es ist einfach, mit Michael zusammenzuarbeiten. Er ist vor allem ein netter Kerl, immer ruhig und besonnen. Er verfügt über viel Erfahrung und kann sich an kleine Probleme erinnern, die auf verschiedenen Strecken über die Jahre hinweg aufgetreten sind."

"Er hat eine Art eingebaute Datenbank in sich, sodass er ein Bild von den Systemen des Autos zeichnen kann und damit in der Lage ist, bei der Analyse und dem Lösen von Problemen zu helfen. Auf der anderen Seite kann es deutlich anstrengender sein, da man immer unter Leistungsdruck steht, besonders, wenn man mehr Wettbewerb hat, wie im letzten Jahr."

Das "Arbeitstier" Michael Schumacher

Am meisten hat Dyer die Tatsache beeindruckt, wie belastbar Michael Schumacher ist - was man als Zuschauer nicht unbedingt nachvollziehen kann. Auch abseits der Strecke sei der Deutsche ein extremes "Arbeitstier": "Wenn man sich überlegt, wie lange er schon im Rennsport ist und welche Erfolge er schon gefeiert hat, ist das eigentlich kaum zu fassen. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass er irgendwo nachlässt."

Eine der größten Stärken Schumachers ist laut Dyer die Tatsache, dass er ein "unglaublich gutes" Gefühl für das Auto besitzt und genau weiß, auf welche Bereiche man sich konzentrieren muss, um den Ferrari schneller zu machen: "Er weiß, welche kleineren Dinge, die eigentlich ganz interessant klingen, aber weniger bringen. Das ist eine unglaubliche Stärke, denn jede Sekunde zählt."

In diesem Jahr verbringt der kinderlose Ehemann, der in der Nähe von Maranello mit seiner Ehefrau Fiona lebt, seine vierte Saison an der Seite von Michael Schumacher: "Sein Naturtalent ist enorm, aber das reicht niemals", so Dyer. "Er arbeitet sehr, sehr hart. Er ist immer bereit, einen zusätzlichen Testtag einzulegen, sollte dies notwendig sein. Er interessiert sich für alles, was mit dem Auto zu tun hat. Er versteht alles, will integriert werden, spricht mit den Ingenieuren und Mechanikern. Ich denke nicht, dass es viele Fahrer gibt, die härter als er arbeiten."