• 17.11.2007 10:35

  • von David Pergler

Chandhok und der Traum eines jeden Rennfahrers

Den Fuß hat Karun Chandhok in der Formel 1 bereits in der Tür - in Barcelona ging er erstmals mit einem Grand-Prix-Renner auf Tuchfühlung

(Motorsport-Total.com) - Karun Chandhok kann zwar nicht mehr der erste Formel-1-Pilot aus Indien werden, diesen "Titel" hat ihm 2005 Narain Karthikeyan weggeschnappt, er gilt aber im Gegensatz zu seinem Vorgänger als große indische Nachwuchshoffnung. Die Tür zur Formel 1 öffnete ihm Red Bull Racing, welche den 23-Jährigen in Barcelona an das Steuer der schnellsten Getränkedose der Welt ließen.

Titel-Bild zur News: Karun Chandhok

Chandhok ist mit seinen ersten Gehversuchen in der F1 sehr zufrieden

In Spa fuhr der Inder im GP2-Sprintrennen im Sommer seinen ersten Sieg und damit seinen bis dato größten Triumph in seiner Motorsportkarriere ein. Doch ebenso wertvoll dürfte der Formel-1-Test in Barcelona gewesen sein, in welchem sich Chandhok achtbar schlug und nur um sieben Zehntel die Zeit des Red-Bull-Stammfahrers und Altmeisters David Coulthard verfehlte.#w1#

Der Sohn Indiens über seinen ersten Tanz mit einem echten Grand-Prix-Auto: "Mein erster Formel-1-Test war eine sehr positive Erfahrung. Ich hatte eine spannende Zeit und ich bin glücklich, dass das Team mit meinem technischen Feedback zufrieden wahr. Für mich ist ein Traum wahr geworden, auf der Rennstrecke zwischen Namen wie Michael Schumacher und David Coulthard unterwegs zu sein."

Nervosität war kein Problem

Der Durango-Pilot der vergangenen GP2-Saison gab an, dass er während des Tests kaum nervös war: "Viele Leute fragten mich, wie es sich anfühlte, das erste Mal ein Formel-1-Auto zu fahren und ob ich nervös wäre. Aber ehrlich gesagt war ich aufgrund unseres Arbeitsprogramms zu beschäftigt damit, die Systeme so zum Arbeiten zu bringen, wie wir es gerne hätten. Ich hatte keine wirkliche Gelegenheit, mich zurückzulehnen und darüber nachzudenken, was das für ein Ereignis für mich war."

Der Job als Ablenkung vom Job selbst: "Ich habe einfach meine Arbeit ausgeführt. Das erste Mal, als ich das Auto die Boxengasse entlang fuhr, um auf die Strecke zu gehen, war ein sehr besonderer Moment, aber ich denke bei aller Ehrlichkeit, dass mein Vater nervöser war als ich es war."

Chandhok erläutert, was die Aufgaben und Ziele des Tests waren: "Es ging mehr um Zuverlässigkeit und darum, all die neuen komplizierten elektronischen Systeme zum Arbeiten zu bekommen und das Team während dessen Entwicklungsarbeit zu unterstützen. Das gab auch dem Team die Chance, meine Fähigkeiten als Testfahrer in Sachen Speed und Konstanz einzuschätzen. Am Ende als Elfter abgeschnitten zu haben, ist sehr zufriedenstellend. Damit bin ich recht glücklich."

"Physisch fühlte ich mich auch ganz gut und hatte gegen Ende des zweiten Tages nur etwas Probleme mit meinem Hals. Das ist recht normal für Jedermann in dessen ersten Test", führt der Inder aus. "Ich habe in Italien vergangenen Monat mit meinem neuen Trainer Giuseppe Sebastiani trainiert und ich denke, das war von unschätzbarem Wert."

Die große Welt der Formel 1

Der Spa-Sieger war in erster Linie überwältigt von der Größe und vom Aufwand eines Formel-1-Rennstalls: "Man hat aufgrund der begrenzten Streckenzeit nicht wirklich Gelegenheit, sich an den Formel 1 zu gewöhnen. Auf eine gewisse Weise hat sich das wie ein weiterer Tag im Büro, wie ein GP2-Test angefühlt, nur mit wesentlich mehr Menschen."

"In der GP2 bestand mein komplettes Team aus 14 Mann, wohingegen wir diese Woche 80 Leute nur zu diesem Test dabei hatten! Es war sehr interessant, mit so vielen Ingenieuren aus den Bereichen Motor, Chassis, Elektronik, Aerodynamik, Reifen und Bremsen zu arbeiten. Auch habe ich es sehr genossen, im Bereich des Motors mit Renault zusammen zu arbeiten."

Was sind die Unterschiede zwischen einem GP2-Flitzer und einem Grand-Prix-Auto? Chandhok gibt die Antwort: "Ein Formel-1-Bolide ist in seiner Größe tatsächlich kleiner, als ein GP2-Renner. Obwohl die Leistung größer ist und die Bremsen besser sind, hatte dieses Auto um ehrlich zu sein nichts, was ich nicht erwartet hätte und war nicht wirklich ein Riesenschritt vom GP2-Wagen. Was wirklich anders war, war die Aerodynamik. Die pure Summe aus Anpresskraft, Haftung und Geschwindigkeit, die man in eine schnelle Kurve mitnehmen kann, ist etwas Unglaubliches."

Doch trotz der bombastischen Kurvengeschwindigkeit sei die Umstellung nicht allzu groß: "Der Fahrstil, den man für ein F1-Boliden braucht, ist ein wenig anders im Vergleich zu einem GP2-Renner, aber durch die neuen Regeln mit dem Verbot der Traktionskontrolle und der Standard-Elektronik ist die Umstellung wesentlich geringer, als sie es sonst wäre. Ich denke, dass meine frischen Erfahrungen mit einem Rennwagen ohne Fahrhilfen wie einer Traktionskontrolle während meiner vergangenen Saison in der GP2-Meisterschaft dem Team sehr dienlich waren.

Fan und Fahrer treffen aufeinander

Chandhok war begeistert, mit Coulthard zu arbeiten, auch wenn ihn dabei ein merkwürdiges Gefühl begleitete: "David war sehr offen und zugänglich. Das war eine große Hilfe. Er bot seine 13-jährige Erfahrung an, sollte ich irgendwelche Probleme haben. Ich habe ihm gesagt, dass es etwas bizarr für mich war, darüber nachzudenken, dass ich ein T-Shirt in meinem Zimmer habe, welches er für mich beim Macau-Formel-3-Grand-Prix signiert hatte, als ich sieben Jahre alt war. Jetzt fahren wir nebeneinander auf der Strecke."

"Insgesamt habe ich diese zwei Tage sehr genossen und ich muss dem Team für diese fantastische Möglichkeit danken, ebenso wie Red Bull, welche mir all das ermöglicht haben. Es war ein gutes Gefühl, meinen Namen auf den Zeitenlisten mit all den anderen Jungs zu sehen. Hoffentlich dauert es nicht allzu lange, bis ich ein eigenes Renncockpit in der Formel 1 finde", signalisiert der 23-Jährige, dass er auf den Geschmack gekommen ist.

Horner ist zufrieden

Und wie sahen es seine Bosse? Auch Christian Horner, seines Zeichens Teamchef von RBR äußerte sich sehr zufrieden über die Früchte von Chandhoks Arbeit: "Wenn man die beiden Tage, wo wir den RB3 in Barcelona getestet haben, zurückverfolgt, war das Team sehr erfreut mit dem Job, den Karun erledigt hat. Er hat sich gut aus der Affäre gezogen und hat signifikant zu unserem Winter-Entwicklungsprogramm beigetragen."

"Unser regulärer Testfahrer war für diese Session aufgrund einer anderen Verpflichtung nicht verfügbar und Karun war eine gut Wahl, um für ihn einzuspringen, nachdem er dieses Jahr in der GP2 viel Potenzial gezeigt hat. Er ist schon seit Jahren ein Mitglied der Red-Bull-Familie gewesen und wir sind sehr glücklich, ihm diese Möglichkeit seines Formel-1-Test-Debüts zu bieten", kommentiert Horner die jungfräuliche Formel-1-Ausfahrt des Inders.

Doch wie sieht der weitere Fahrplan aus? "Im Moment kann ich nicht wirklich kommentieren, was der nächste Schritt sein soll. Auch wenn es sehr nach einer weiteren Rennsaison in der GP2 aussieht. Ich möchte ein Cockpit in einem Top-Team ergattern und so viele Rennen wie möglich gewinnen, idealer Weise in Kombination mit Formel-1-Tests. Ich muss einfach abwarten und sehen, was die Zukunft für mich bereithält", erläutert Chandhok seine Pläne für die Zukunft.