Brunner: "Es gibt keinen Druck"
Toyotas Chefdesigner im Interview über die Fortschritte, den TF102, die Fahrer und seine Erwartungen bezüglich der weiteren Saison
(Motorsport-Total.com) - Nach den ersten drei Grand Prix der Saison 2002 kann das Toyota-Team bereits 2 WM-Punkte vorweisen. Die gute Leistung des dieses Jahr seine erste Saison in der Königsklasse bestreitenden Rennstalls hat bei Toyota alle - angefangen bei den Fahrern, bis hin zum Management - positiv überrascht. Gustav Brunner, als Chefdesigner für die Konstruktion und Weiterentwicklung des TF102 zuständig, verrät im nachfolgenden Interview, wie zufrieden er mit der Leistung des Teams ist, was man noch erwarten kann und welche Meinung er über die aus Mika Salo und Allan McNish bestehende Fahrerpaarung hat.

© Toyota
Brunner rechnet damit, dass es Ende der Saison schwierig für Toyota werden könnte
Frage: "Herr Brunner, hat Sie die Konkurrenzfähigkeit des TF102 überrascht?"
Gustav Brunner: "Ja. Wir sind schneller als wir erwartet hatten und das hat uns wirklich überrascht! Ich denke jedoch nicht, dass das unser Verdienst ist, denn während den ersten drei Übersee-Rennen können die anderen Teams ihre Autos nicht in dem Tempo entwickeln, in dem sie es in Europa tun können."
"Neuer Front- und Heckflügel für San Marino-GP"
Frage: "Welche Vorgaben hatten Sie, als Sie damit beauftragt wurden den TF102 zu konstruieren?"
Brunner: "Ganz einfach: ein konservatives Auto zu bauen, wenngleich in der Formel 1 eigentlich nichts konservativ ist. Das Ziel von Anfang an lautete, dass wir uns für die Teilnahme an den Rennen qualifizieren müssen - auf den Positionen 21 und 22 - und nicht mehr. Der konservativste Bereich bei uns ist die Aerodynamik. Als wir dieses Auto konstruierten, mussten wir ständig zwischen Köln und dem Lola Windkanal in England hin und herreisen, denn unser eigener Windkanal in Köln ist erst seit dem Großen Preis von Malaysia in Betrieb."
Frage: "Gibt es noch irgendetwas, was beim TF102 genauso ist wie beim letztes Jahr eingesetzten Testauto?"
Brunner: "Nein, wir haben komplett bei Null angefangen. Alles am TF102 ist neu."
Frage: "Wie sieht es mit der Weiterntwicklung aus? Hat es viele Veränderungen am Auto gegeben?"
Brunner: "Als wir damit im Januar auf die Strecke gingen, war die Aerodynamik einfach nicht gut. Wir hatten dann im Windkanal einige Ideen und konnten vor Australien einige Verbesserungen vornehmen, welche uns retteten. An diesem Wochenende, in San Marino, werden wir in Sachen Aerodynamik das erste Mal einen Schritt nach vorne machen. Wir werden einen neuen Frontflügel einsetzen und haben beim Heckflügel neue Elemente."
"Sind noch weit entfernt von der Arbeitsweise wie Sie bei den Top-Teams an der Tagesordnung ist"
Frage: "Sind die teaminternen Erwartungen seit dem Beginn der Saison größer geworden?"
Brunner: "Nun, wir sind alle ziemlich locker. Es gibt keinen Druck. Toyota hat ganz klar ein Langzeitziel und dieses wollen wir erfüllen. Aber natürlich wollen wir das lieber früher als später tun."
Frage: "Inwieweit kann man die Struktur von Toyota mit der bei Ferrari vergleichen?"
Brunner: "Für uns arbeiten in Köln über 550 Leute an diesem Formel-1-Projekt. Was die Struktur und Arbeitsweise betrifft, so sind wir noch weit entfernt von den Top-Teams, doch wir bauen trotzdem Motor und Chassis selbst."
Frage: "Wo denken Sie steht der Toyota-V10 im Vergleich zur Konkurrenz?"
Brunner: "Also der Motor hat bewiesen, dass er bislang sehr zuverlässig gewesen ist, was schon einmal gut ist. Aber was den Vergleich mit der Konkurrenz anbelangt, so weiß ich da ehrlich gesagt nichts drüber. Man kann das nur sehr schwer einschätzen, doch im Moment schauen wir ganz gut aus."
"Ende der Saison wird es schwieriger werden"
Frage: "Ist es ein Teil Ihrer Aufgabe, dass Sie bei Toyota ein Design-Team aufbauen?"
Brunner: "Nein, dafür bin ich im Grunde nicht zuständig, doch ich unterstütze unser Management durch meine Erfahrungen und Ratschläge diesbezüglich. Ein Team aufzubauen kann noch schwieriger sein als ein gutes Auto zu bauen. Je größer das Team, desto schwieriger ist es auch ein gutes Team zu sein."
Frage: "Was wollen Sie in der weiteren Saison noch erreichen?"
Brunner: "Nun, in der Formel 1 jagt man immer einem sich ständig in Bewegung befindenden Ziel hinterher, denn jedes Team verbessert sich ja zur gleichen Zeit. In den nächsten Monaten sollte es nicht so schwer sein Fortschritte zu machen, denn wir sind ja momentan noch hintendran. Am schwierigsten dürfte es im letzten Saisonabschnitt sein, denn dann wird die Latte ziemlich hoch liegen und Verbesserungen nicht mehr so leicht möglich sein. Wenn wir uns bei jedem Rennen in den Top 10 qualifizieren können, dann wäre ich persönlich zufrieden."
Frage: "Wie sehr hat sich das Team denn bereits bis jetzt, in diesem Jahr, verbessert?"
Brunner: "Die Rennsonntage, an denen es um Strategie und Boxenstopps und diese Dinge geht, sind ziemlich schwierig. Doch an den Freitagen und Samstagen funktioniert jetzt alles ziemlich gut."
"Jetzige Formel-1-Boliden sind übermotorisiert"
Frage: "Wie beurteilen Sie Mika und Allan?"
Brunner: "Beide sind fantastische Mitglieder des Teams und harte Arbeiter. Als Team sind wir ihnen für ihre Geduld dankbar. Wenn überhaupt, dann hätte ich gedacht, dass Mika anders reagieren würde, denn ich dachte, dass er keine Geduld haben würde. Aber das ist nicht der Fall."
Frage: "Wie hat sich Allan Ihrer Meinung nach an die Formel 1 gewöhnt und eingelebt?"
Brunner: "Nun, er ist ja schon seit langer Zeit im Motorsport, deshalb weiß er, was er tut. Er ist aber auch ein wirklicher Gentleman."
Frage: "Und die Regeln bezüglich der Chassis bleiben in den nächsten beiden Jahren bestehen?"
Brunner: "Ja, und das hilft uns. Hätte es für nächstes Jahr komplett neue Bestimmungen gegeben, während wir noch dabei sind das Team aufzubauen, dann hätte uns das ziemlich hart getroffen."
Frage: "Denken Sie, dass die Formel-1-Autos im Moment eher zu schnell oder zu langsam sind?"
Brunner: "Wir wollen keine langsamen Autos, doch wir müssen auch den Sicherheitsaspekt beachten. Die Autos sind im Augenblick, in Hinsicht auf den Grip den sie haben, einfach übermotorisiert. Doch das ist gut für die Show, zumindest solange das in Sachen Sicherheit okay ist. Der Sicherheitsstandard der Boliden ist sehr hoch, weshalb nun die Strecken damit mithalten und besser werden müssen."

