• 25.07.2005 13:38

  • von Fabian Hust

Bridgestone und der schwierige Balanceakt

Reifenhersteller Bridgestone gibt zu, dass man sich schwer tut, den richtigen Kompromiss zwischen Qualifying und Rennen zu finden

(Motorsport-Total.com) - Für die Reifenhersteller gab es im vergangenen Winter viel zu tun, denn sie mussten sich an das neue Reglement anpassen, das durch die starke Limitierung der Reifensätze am Wochenende eine wesentlich höhere Laufleistung vorsieht: "Die Zahl der Reifen, die wir an die Strecke bringen, ist geringer geworden", so Bridgestone-Ingenieur Kees van de Grint über den offensichtlichsten Unterschied zwischen den letzten Jahren und dieser Saison.

Titel-Bild zur News: Kees van de Grint

Kees van de Grint analysiert die aktuelle Situation auf dem Reifensektor

"Die Arbeit, die dahinter steckt, ist jedoch die gleiche", fährt der Holländer fort. "Man muss wie in der Vergangenheit am Freitag zwei verschiedene Reifentypen ausprobieren und die Daten am Abend analysieren. Die Arbeit ist also die gleiche, wir haben an der Strecke nur einen Lastwagen weniger dabei als im Jahr zuvor."#w1#

Reglement genauso wichtig wie in den Jahren zuvor

Dass das Reglement in diesem Jahr durch die Tatsache, dass im Qualifying und Rennen nur noch ein Reifensatz erlaubt ist, wichtiger ist, glaubt der Bridgestone-Mann nicht: "Es ist nur eine Anpassung an das Reglement. Davor hatte man vielleicht die Möglichkeit, die Strategie an den Lebenslauf des Reifens anzupassen. Jetzt müssen wir die Renndistanz mit einem Reifensatz bestreiten. Aber prinzipiell glaube ich nicht, dass das Reglement in diesem Jahr entscheidender ist als in den Jahren davor."

Auch die Streckendaten des Vorjahres kann man weiterhin verwenden: "Die Daten sind genauso wichtig, denn die Strecke und der Belag haben sich nicht geändert. Natürlich gibt es auch ein paar Unterschiede, so zum Beispiel der Abtrieb des Autos, der durch das neue Reglement geringer geworden ist."

Ein wenig Zusatzarbeit fiel durch das umgestellte Reifenreglement natürlich an: "Man muss die Computer-Daten natürlich ein bisschen umstellen, da wir jetzt mindestens 350 Kilometer mit einem Reifensatz fahren müssen, wohingegen wir das in der Vergangenheit frei einteilen konnten. Aber abgesehen davon sind die Daten sehr wichtig, weil der Belag und die Geschwindigkeiten gleich bleiben."

Das Qualifying ist Bridgestones Problem

In der ersten Saisonhälfte wurde offensichtlich, dass Bridgestone ein Problem hat, in der Qualifikation mit Konkurrent Michelin mitzuhalten, wohingegen die Konstanz im Rennen und teilweise auch die Rundenzeiten im Rennen konkurrenzfähig waren: "In der Vergangenheit haben wir auch häufig die Pole Position herausgefahren", gibt van de Grint einen Hinweis darauf, dass sich dieses Problem in diesem Jahr verstärkt hat. Vielleicht fällt es aber erst in diesem Jahr auf, weil der Ferrari nicht mehr dominant ist...

"Sicherlich ist es in diesem Jahr unser großes Handicap, dass wir in der Qualifikation zu langsam sind", fährt der Ingenieur fort. "Als Beispiel nenne ich Imola, wo wir uns glaube ich als 13. qualifizierten und dann im Rennen bei weitem der Schnellste waren. Aber das hilft einem nichts, weil man von zu weit hinten nach vorne fahren muss. Vielleicht hatten wir auch früher schon ein wenig ein Problem damit, aber es ist richtig, dass dies in diesem Jahr unser großes Handicap ist."

Neue Reifen brachten nicht den erhofften Fortschritt

Für den Frankreich-Grand-Prix brachte man deshalb einen neu entwickelten Pneu mit, aber: "Leider muss ich dazu sagen, dass wir in Magny-Cours in der Qualifikation schnell waren, dafür waren wir dann im Rennen nicht mehr konstant." Auch Ferrari ist dieser Umstand natürlich aufgefallen und Michael Schumacher sagte in Hockenheim das erste Mal deutlich, dass die Reifen zwar nicht das einzige aber das derzeit größte Problem im Gesamtpaket sind.

Auch bei den Rennen danach in Silverstone und in Hockenheim wurde deutlich, dass die Japaner das richtige Rezept für einen im Qualifying und im Rennen konkurrenzfähigen Reifen noch nicht gefunden haben: "Die Balance zwischen einer schnellen Runde und der Konstanz im Rennen ist nicht so, wie wir uns das wünschen. Wir wollen natürlich im Qualifying die Schnellsten und im Rennen konstant sein. Das Rezept dazu haben wir noch nicht gefunden und das ist unser größtes Problem."

Wo ist die Konstanz geblieben?

Auffällig ist, dass die Konstanz seit Magny-Cours verschwunden wird, sich die Ferrari-Piloten also nicht wie üblich besonders in der zweiten Rennhälfte nach vorne arbeiten können: "Wir haben dieses Problem erkannt und arbeiten ständig daran, dies zu verbessern. Seit Magny-Cours haben wir Änderungen. Leider haben wir uns am Samstag in Magny-Cours zu früh gefreut, weil wir dort in der Qualifikation schnell waren und haben uns Hoffnungen gemacht. Leider hat die neue Philosophie im Rennen dann nicht so gut funktioniert. Es stimmt, dass wir in den letzten Runden zu langsam sind."

Trotz der aktuellen Forschschwäche wird bei Bridgestone nicht mehr gearbeitet als zuvor: "Wir arbeiten genau so viel wie in der Vergangenheit", erklärt Kees van de Grint. "Nur früher hat es einfach lockerer ausgesehen weil wir Erfolg hatten. Natürlich gibt es von außen etwas Druck, gerade aufgrund unserer Partnerschaft mit Ferrari und Michael Schumacher, wo jeder davon ausgeht, dass wir jedes Rennen gewinnen."

Bridgestone arbeitet genauso hart wie früher

Doch in der Formel 1 muss immer am Limit gearbeitet werden: "Auch wenn man wie im letzten Jahr 15 Rennen gewinnt, muss man viel arbeiten und viele Tests fahren. Der Unterschied ist, dass wir nun hinterherfahren und einen Sieg herausfahren wollen - vergessen wir mal den Indy-Sieg, denn dort hat es keinen Wettbewerb gegeben."

"Wir sind es gewohnt zu gewinnen und jetzt gewinnen wir eben nicht. Aber ich und meine Kollegen arbeiten genauso viel wie früher. Am Sonntag analysieren wir zum Beispiel das Rennen und schicken die Daten nach Japan. Dann gehen wir um 22 Uhr ins Hotel, bevor am Dienstag die Testfahrten wieder beginnen."

Ist die Konzentration auf Ferrari ein Problem?

Viele Experten glauben, dass es von Bridgestone ein Fehler war, sich auf Ferrari zu konzentrieren. Von 'F1Total.com' darauf angesprochen meint van de Grint: "Ich weiß nicht, ob das stimmt, dass es ein Nachteil ist, dass wir uns nur auf Ferrari konzentrieren. In den letzten fünf Jahren hat es sich gelohnt. Damals hat es geheißen, dass es ideal ist. Und jetzt, wo wir nicht erfolgreich sind, heißt es auf einmal, dass wir nicht genügend testen. Man muss wissen, dass man nur ein gutes Auto braucht, um erfolgreich zu sein."

"Der Grund, dass wir nicht siegen, ist nicht in der Tatsache zu suchen, dass wir nur mit Ferrari zusammen arbeiten. Das Paket war ja in der Vergangenheit erfolgreich. In diesem Jahr ist es nicht so erfolgreich. Ich denke, dass wir genügend Testkilometer fahren können. Das ist nicht das Problem. Der Misserfolg hat nichts damit zu tun, dass wir uns auf Ferrari konzentrieren. Wir waren in den letzten Jahren mit dieser Strategie zufrieden. So wird das auch in diesem Jahr sein."

Neue Partner der Schlüssel zum Erfolg?

Und wie steht es mit neuen Partnern für 2006? "Wenn andere unsere Reifen haben wollen, gerne, denn das ist auch ein befriedigendes Gefühl, da dann derjenige Vertrauen in unser Produkt hat. Aber ich glaube nicht, dass dies etwas an der Situation verändern würde. Wenn wir ein Problem im Qualifying haben, dann fahren eben mehr Teams mit diesem Reifen, aber die Eigenschaften des Reifen bleiben die gleichen."

Weiche oder stabile Flanke?

Auffällig ist die unterschiedliche Philosophie der Reifenhersteller. Michelin verwendet eine vergleichsweise weiche Flanke, die sich in den Kurven stark verzieht und beim Überfahren der Randsteine stark auf der Felge schwingt: "Man ist vielleicht in Bezug auf die Traktion aus den langsameren Kurven heraus etwas besser, wenn man eine weichere Flanke hat", erklärt der Holländer.

"Demgegenüber ist die Stabilität unserer Reifen in den schnellen Kurven wesentlich besser. Man muss hierfür einen Kompromiss finden, wobei dieser nicht nur damit zu tun hat, wie stabil die Seite ist. Es gibt Vorteile, die die weichere Flanke mit sich bringen, aber auch Vorteile, die die steifere Flanke hat. Gesucht ist die Kombination aus beidem, um den idealen Reifen zu haben, aber das ist beiden noch nicht gelungen. Der große Unterschied ist in den schnellen und langsameren Reifen zu finden. Mit der Leistung in der ersten Runde hat das nichts zu tun. Wenn das so einfach wäre..."