• 06.05.2004 22:30

Briatore: "Ich weiß wirklich nicht, was ihr erwartet!"

Der Renault-Teamchef über den bisherigen Saisonverlauf und die geplanten Reglementänderungen in der Formel 1

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Flavio, denkst du, dass in dieser Saison von Euch noch ein Schritt nach vorn kommen wird?"
Flavio Briatore: "Nun, im Moment sind wir in der Meisterschaft Zweiter. Ein Schritt nach vorn würde ja bedeuten, dass wir Erster sind. Ich weiß wirklich nicht, was ihr Jungs erwartet! Renault ist seit drei Jahren in der Formel 1, wir haben für diese Zeit ganz schön viel erreicht, besonders mit Fernando und Jarno. Ich denke, dass sich jemand anderes über die Ergebnisse beschwert, nicht Renault, um ehrlich zu sein. Wir haben nie gesagt, dass wir dieses Jahr Weltmeister werden wollen, wir reden immer über 2005 und wenn ich hinter uns blicke, so liegen da einige große Teams. Ich meine, wir haben einen guten Job gemacht. Vielleicht der eine oder andere nicht."#w1#

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Flavio Briatore: "Das beste Meeting der letzten 14 Jahre!"

Frage: "Was denkst du über die geplanten Reglementänderungen? Du hast dich für umfangreiche Kostenreduzierungen eingesetzt. Was denkst du über das Meeting am Dienstag?"
Briatore: "Das hängt von dem Budget ab, das man hat. Wenn man 50 Prozent beschneidet, dann kann man nicht weitere 50 Prozent beschneiden. Ich glaube, dass wir etwas tun müssen und das Meeting war wirklich sehr gut, es ist das erste gute Meeting in der Formel 1 in den letzten 14 Jahren. Ich denke, dass wir zusammen etwas tun müssen, denn wir müssen uns um die Öffentlichkeit, unsere Kunden und die Leute am Fernseher kümmern. Wir müssen ihnen ein besseres Rennen bieten. Ich denke nicht, dass es die Leute interessiert, ob in Fernandos Alonsos Auto ein 2,4-Liter-Motor, ein Drei-Liter-Motor oder ein 1,9-Liter-Motors steckt, die Leute interessieren sich dafür nicht. Unser Produkt ist so teuer und wir beachten unsere Kunden nicht. Unser Geschäft ist eine Übung für die Ingenieure und wir vergessen, dass es Millionen und Millionen von Leuten gibt, die uns zuschauen. Wir vergessen das Marketing- und kommerzielle Thema. Ich habe das zehn Jahre lang gesagt und jeder denkt, dass ich Motorsport nicht in meinem Bauch habe oder den ganzen Unsinn. Nun hat jeder Motorsport in seinem Bauch und jedem ist das Geld ausgegangen und das ist sehr gut!"

Frage: "Du hast gesagt, dass du diese Message seit 14 Jahren mitteilst..."
Briatore: "Nein, seit zehn, denn im ersten Jahr hatte ich keine Vorstellung. Wenn du mein Interview vor zehn Jahren mit Benetton anschaust, dann haben wir uns schon darüber unterhalten, dass es möglich wäre, das gleiche mit der Hälfte des Geldes zu machen, so einfach ist das."

Frage: "Wie sehr musstest du deine Meinung vor dem Treffen durchboxen?"
Briatore: "Ich denke nicht, dass ich nun so sehr Druck ausüben musste, denn das Geschäft ist nun geschlossen. Wenn dir das Geld ausgeht, dann hörst du auf, es auszugeben."

Briatore mit der Demokratie in der Formel 1 einverstanden

Frage: "Aber David Richards hat gerade gesagt, dass das eigene Interesse sich in den folgenden Meetings bemerkbar machen wird."
Briatore: "Weiß du, wir haben so viele Meetings. Ich denke, dass wir nun ein wenig handeln werden und wir gehen davon aus, dass Bernie das neue Concorde Agreement vorbereitet und wenn es jemand unterzeichnen möchte, dann unterzeichnet er es, wenn sie es nicht unterzeichnen möchten, dann eben nicht. Ich denke, dass wir in dem Geschäft sind, um demokratisch zu sein, anstatt alle zusammen zu bekommen. Denn mit einer 100-Prozent-Vereinbarung erreicht man nichts. Es ist schwierig, ein Kondominium zu managen, wenn man die absolute Mehrheit jener braucht, die in diesem Kondominium leben. Wir brauchen eine Mehrheit - 51 Prozent entscheiden und 49 Prozent nicht. Mehrheit, Minderheit, um das dreht es sich in der Demokratie."

Frage: "Du bist also ziemlich zufrieden?"
Briatore: "Ich glaube, dass die Leute endlich realisiert haben, dass wir in der Formel 1 nicht nur entwickeln, nicht nur den Ingenieuren Aufgaben stellen, wir machen eine Veranstaltung. Weiß du, die Formel 1 ist ein großes Fernsehereignis, es ist keine große Übung für die Ingenieure. Wir haben die ganze Technologie, über die sich die Leute unterhalten, die sie aber nie verstehen. Wirklich, das Blödsinn!"

Briatore fordert eine bessere Show

Frage: "Du hast also noch ein paar Vorbehalte in Bezug auf die neuen Regeln, so wie sie im Moment stehen?"
Briatore: "Nein. Ich glaube, dass man die Kosten auf der einen Seite senken muss und auf der anderen Seite die Einnahmen erhöhen muss. Mit Sicherheit müssen wir das Spektakel, die Show verbessern. Alle beschweren sich und wir müssen etwas tun. Ich glaube, dass wir uns hinsetzen müssen und vielleicht werden wir, wenn jeder einverstanden ist, das Qualifying zur Saisonmitte verändern. Warum nicht?"

Frage: "Was ist deine Vorstellung bezüglich des Qualifyings?"
Briatore: "Das werde ich nicht sagen!"

Frage: "Warum nicht?"
Briatore: "Weil wir noch daran arbeiten und wir sicherstellen müssen, dass wir nicht noch einmal einen Fehler machen."

Für Briatore ist die Formel 1 in erster Linie Business

Frage: "In keinem anderen Sport der Welt legen die Teilnehmer die Regeln fest. Denkst du, dass es richtig ist, dass im Sport die Teilnehmer solche Entscheidungen treffen?"
Briatore: "In der Formel 1 dreht es sich nicht um die Teilnehmer. Jedes Team besteht aus 1.000 Leuten. Ich denke nicht, dass die Formel 1 ein Sport ist, denn man fährt im Sport nicht mit 1.000 Leuten zwei Autos. Wenn man Rennen fahren möchte, dann macht man das selbst mit zwei Freunden. Die Formel 1 ist zunächst einmal ein Geschäft, denn wenn man über 1.000 Leute in einem Team spricht, dann reden wir nicht über den Sport, wir reden zunächst über das Geschäft und danach kommt das Event im Fernsehen und danach kommt, mit Sicherheit, der Sport. Der Sport dreht sich um den Kampf zwischen den Fahrern, die Risiken, die die Fahrer eingehen. Formel 1 ist eine große Veranstaltung, in der alles steckt, die Gefahr, man hat den Lifestyle, die Fahrer, da sind die Reichen, was auch immer. Aber ich meine und ich denke, dass das Geschäft an erster Stelle kommt und dann kommt alles andere."

Frage: "Werden die geplanten Einschneidungen bezüglich der Regeln auch zu Entlassungen in der Formel 1 und bei Renault führen? Wir viele Leute wären davon betroffen?"
Briatore: "Das kommt darauf an, wie viele dann den Job machen müssen, wenn du jemanden verlierst. In unserem Geschäft herrscht keine Hire-and-Fire-Mentalität. Ich habe in der Formel 1 mit 120 Leuten begonnen, nun sind es 400. Die Rennen waren viel besser, als es noch 120 Leute waren. Es hat viel mehr Spaß gemacht und die Rennen waren enger. Das Geld ist natürlich nicht proportional zu dem, was man in den Rennen leistet, denn kein Team ist sieben Sekunden schneller als alle anderen."

Frage: "Wie fühlst du dich als frisch gebackener Vater?"
Briatore: "Ich denke nicht, dass wir das hier diskutieren sollten. Wir reden hier ja über die Formel 1."

Briatore: "Die Einnahmen der Formel 1 sind enorm"

Frage: "Bei den technischen und sportlichen Regeln wurde eine Einigung erreicht. Wird dies auch bei den kommerziellen Problemen gelingen? Wird das Geld besser verteilt werden?"
Briatore: "Wir hatten einen Vorschlag auf dem Tisch und Bernies damaliger Vorschlag wurde von allen Herstellern akzeptiert. Die Einnahmen der Formel 1 sind enorm, und ich denke, wir sollten es splitten. Eine Hälfte für die Teams, die andere für die Organisatoren. Wir reden dabei von den gesamten Einnahmen, nicht nur einem Teil davon. Die Teams wären darüber glücklich. Langfristig würden dann die Einnahmen aus den TV-Rechten und Werbung 50 Prozent unseres Geschäfts ausmachen, denn das ist ja auch das, was wir produzieren. Unser Job ist es, Leute zu unterhalten, und von dieser Seite möchten wir mehr Geld."

Frage: "Zwei Fragen. Hast du noch immer Spaß in der Formel 1? Und wann endet dein Vertrag bei Renault?"
Briatore: "Ha, ha, ha. Ich habe viel Spaß. Aber um den Spaß geht es nicht, es geht um die Motivation. Ich bin in der Formel 1, um zu gewinnen, und ich werde so Renault so führen, damit wir an die Spitze kommen. Das war und ist nicht einfach, weil der Wettbewerb sehr stark ist. Ein Team aufzubauen ist Spaß, wenn Fernando zum ersten Mal auf dem Podest steht, dann ist das Spaß, wenn er sein erstes Rennen gewinnt, dann ist das auch Spaß, weil es ein Ergebnis deiner Arbeit, deines Risikos ist, einem Fahrer ein Auto zu geben, mit dem er ein Rennen gewinnen kann. Das ist die Motivation, warum man immer noch in der Formel 1 ist. Mein Vertrag mit Renault endet 2005, so steht es im Vertrag."