• 10.06.2005 13:09

Briatore: "Es gibt nur ein Geheimnis"

Der Renault-Teamchef über die Wendigkeit des Teams, die aktuellen Reifenregeln, das Risiko im Motorsport und die momentane Erfolgswelle

(Motorsport-Total.com) - Frage: "Wie würdest du die bisherige Saison für Renault zusammenfassen?"
Flavio Briatore: "Bisher lief es ohne Zweifel sehr gut. Aber wir sagen uns selbst immer wieder, dass wir ja noch nichts erreicht haben - wir haben einfach unser Ziel vom Saisonstart erfüllt: Wir wollten um den den Titel kämpfen. Mit 19 Rennen ist es die längste Meisterschaft, die wir in der Formel 1 gesehen haben, und es wird schwierig werden, unseren derzeitigen Leistungsstand beizubehalten. Die Situation mit den schlechten Ergebnissen in Monaco war für uns dramatisch, daher war es so befriedigend, nach Deutschland zu kommen und Mercedes dort auf ihrem heimischen Boden zu bezwingen - das war ein psychologischer Auftrieb. Aber wir alle wissen, dass die Grenze zwischen Erfolg und Misserfolg sehr dünn ist."#w1#

Titel-Bild zur News: Flavio Briatore

Flavio Briatore schwört auf die schlanke Struktur des Renault-Teams

Frage: "In Barcelona und Monaco konnten die Renaults nicht um den Sieg kämpfen. Wie sahen die Reaktionen darauf aus?"
Briatore: "Ich sagte zu dieser Zeit, dass man nicht erwarten könne, alle Rennen zu gewinnen. Wir treten gegen die besten Teams der Welt an, die riesige Budgets haben und in der Formel 1 herrscht ein unwahrscheinlich harter Wettbewerb. Wir fahren gegen große Namen wie Honda und Toyota. Aber nicht nur das, wir begannen mit dem Aufbau unseres Teams erst vor vier Jahren - und nun kämpfen wir gegen McLaren-Mercedes, die seit zehn Jahren sehr viel investieren, und Ferrari, die ein enormes Budget und viel Stabilität haben. Von außen kann man vielleicht nicht immer erkennen, was passiert, aber innerhalb des Teams wissen wir, was wir erreicht haben. Für einige Hersteller, die in die Formel 1 kamen und wieder gingen, wären unsere schlechtesten Ergebnisse eine neue Bestmarke gewesen. Ich glaube, dass die Teams in Viry und Enstone einen tollen Job machen."

"Das Risikomanagement ist ein Teil des Sports"

Frage: "Ein heißes Thema in der Formel 1 sind die momentanen Reifenregeln. Was ist deine Meinung dazu?"
Briatore: "Wir sollten uns zunächst anschauen, warum wir diese Reifenregeln einführten. Wir haben auf einigen Gebieten Kosten eingespart, von denen der Zuschauer ohnehin nicht profitiert. Die Motoren gehören dazu, die nun zwei Wochenenden halten müssen. In diesem Zusammenhang haben wir gesagt, dass auch die Reifenfirmen beschnitten werden sollten. Aber weil es zwei Reifenhersteller gibt, hat jeder an das Limit heran entwickelt. Es liegt in der Verantwortung der Teams, eine Entscheidung mit dem Fahrer zu treffen, wenn sie sehen, dass sie ein Problem haben. Sie müssen das Risiko abwägen, wie in vielen anderen Gebieten auch. Wir wussten, dass es in Deutschland zu einem Reifenproblem kommen könnte und haben unsere Strategie dahingehend geplant. Fernando Alonso fuhr meiner Ansicht nach daher ein besseres Rennen als Kimi Räikkönen, denn er hatte keine Probleme und konnte bis zum Ende angreifen."

"Manchmal hat man die Chance zu gewinnen, weil man schnell ist. Manchmal gewinnt man, weil die Gegner patzen, und das Letztgenannte haben wir im vergangenen Rennen gesehen. Aber wir wissen auch, dass McLaren in Monaco einen besseren Job gemacht hat. Ich denke aber, dass wir in diesem Jahr mit den neuen Regeln spektakulärere Rennen gesehen haben - das hat der Show geholfen. Wir wollen nicht, dass sich jemand verletzt, aber das Risikomanagement ist ein Teil des Sports und auch deswegen mögen die Leute die Formel 1. Die Mischung der Risiken, Strategie und der Rennsport machen die Formel 1 für alle Fans zu einer tollen Veranstaltung."

Frage: "Renault stand 2001 noch am hinteren Ende der Startaufstellung, nun ist man vorn dabei. Was ist das Geheimnis dahinter?"
Briatore: "Es gibt nur ein Geheimnis, und das sind die Leute, das Team. Wir haben Leute hier, die wissen, wie man gewinnt. Für mich ist es wie vor zehn Jahren mit Benetton - es ist, als würde ich den gleichen Film sehen, aber mit anderen Menschen in den Rollen. Die Leute in unserer Organisation sind sehr stark, sie sind Racer. Das Team ist nicht so groß wie einige unserer Gegner, aber wir sind flexibel, wir können die Richtung ändern und Entscheidungen schnell treffen. Die Organisationsstruktur ist flach - die Kommunikation ist schnell, und die Leute kennen genau ihre Aufgaben und ihre Verantwortung. Hinzu kommt, dass wir Renault hinter uns haben. Bei Benetton war es ein Bekleidungshersteller; nun haben wir einen Automobilhersteller, der uns viel Technologie bieten kann. Das ist einer der Schlüssel zu unserer Konkurrenzfähigkeit."

Briatore: "Wir investieren immer in die Zukunft"

Frage: "Die Renault-Gruppe hat einen neuen Vorstandsvorsitzenden, nämlich Carlos Ghosn. Was hat sich dadurch für dich verändert?"
Briatore: "Ich weiß, dass Herr Ghosn eine sehr wettbewerbsorientierte Person ist. Er hat das dadurch bewiesen, was er mit 'Nissan' erreicht hat, und ich freue mich, dass er jetzt bei Renault ist. Sein Vorgänger, Louis Schweitzer, hat damals grünes Licht für den Formel-1-Einstieg gegeben, und Patrick Faure hat mir die Verantwortung für dieses Team übertragen. Ich hoffe, dass ich ihr Vertrauen gerechtfertigt habe, und ich möchte das auch weiterhin tun. Renault ist nicht nur in der Formel 1, um dabei zu sein, sondern wir wollen konkurrenzfähig sein und uns als konkurrenzfähige Konzerngruppe darstellen. Wenn man gewinnt, ist die Auswirkung der Formel 1 für ein Unternehmen unbestreitbar, und das müssen wir maximal ausschöpfen."

Frage: "Diese Denkweise geht zurück auf deine Reputation als einer der ernsthaftesten Geschäftsmänner im Paddock, nicht wahr?"
Briatore: "Man kann nicht eine Firma mit 800 Mitarbeitern leiten, ohne einen Geschäftsführer zu haben. Es geht hier nicht nur um den Rennsport - wenn man das will, kann man sich auch mit ein paar Freunden zusammentun, ein Auto bauen, an eine Rennstrecke gehen und dort fahren. Hier geht es um eine komplexe Operation, und wir haben die Verantwortung, das Image einer Gruppe wie Renault zu repräsentieren. Dadurch ist das Business. Das Ziel ist, ein maximales Resultat für minimales Investment zu erreichen. Natürlich werden wir für die Resultate bewertet, aber auf die Art und Weise, wie man diese erreicht, kommt es auch an. Es ist einfach, mit einem offenen Scheckbuch in der Hand alles zu erledigen, aber wir bilden unsere Mechaniker, Ingenieure und Fahrer selbst aus. Wir investieren immer in die Zukunft, sei es bei den Fahrern oder beim Team."

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