• 14.11.2003 14:01

  • von Marcus Kollmann

Brawn: "Wir mussten wieder lernen wie man kämpft"

Der Technische Direktor über die schwierige Saison und wie man der Herausforderung, die WM-Titel zu verteidigen, diesen Winter begegnet

(Motorsport-Total.com) - Für viele ist Ross Brawn in erster Linie das Genie, welches hinter den zum Sieg führenden Strategien der roten Boliden aus Maranello steckt.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn

Für Brawn und seine Mannschaft war 2003 eine "lehrreiche Saison"

Als Technischer Direktor besitzt der Engländer aber einen Verantwortungs- und Aufgabenbereich der weit über das Taktieren am Kommandostand hinausgeht. Beispielsweise muss er dafür Sorge tragen, dass bei Ferrari an den Rennwochenenden und in der Vorbereitung darauf alles so funktioniert, als würde ein Zahnrad ins Nächste greifen.

Saison 2003 war für Ferrari sportlich betrachtet ein Auf und Ab

In seiner Analyse des Jahres 2003 gegenüber dem 'Autosport'-Magazin, hat Brawn zugegeben, dass ihm das nur bedingt gelungen ist. Denn im Gegensatz zum Vorjahr war die zurückliegende Saison vergleichbar mit einer Achterbahnfahrt.

"Für mich hat sich dieses Jahr in vier deutlich voneinander zu unterscheidende Viertel aufgeteilt. Da gab es die ersten paar Rennen die auf die eine oder andere Art wie ein heilloses Durcheinander waren. Anschließend kamen wir zurück und Michael gewann vier von fünf Rennen und die Situation war schon beinahe wie letztes Jahr. Dann erlebten wir aber eine schwarze Serie im Sommer und zum Ende der Saison kamen wir wieder zurück", fasst er zusammen.

Regeländerungen brachten Ferrari aus dem Gleichgewicht

Dass der Saisonverlauf für das Team aus Maranello so bewegt verlief, lag aber nicht nur an der leistungsmäßig aufgeschlossen habenden Konkurrenz, sondern auch an den Regeländerungen, wodurch man seine Stärke auf dem Gebiet der Rennstrategie plötzlich nicht mehr ausspielen konnte. Hatte man in den Jahren zuvor durch eine gewagte Boxenstopptaktik auch aus einer schlechten Startposition einen akzeptablen Platz machen können, gelang dies plötzlich nämlich nicht mehr.

"Wir hatten die Saison die wir hatten, doch es wurden viele Regeländerungen gemacht mit denen man uns versuchte einzubremsen. Und das wurde damit, entweder physisch oder psychologisch, auch erreicht. Einige unserer starken Seiten wurden geschwächt. Zu Saisonbeginn waren wir wegen der neuen Bestimmungen etwas aus dem Gleichgewicht. Wir hatten dadurch nicht mehr viel Freiraum für gewagte Strategien, etwas worin wir in der Vergangenheit immer ziemlich gut waren", erklärt Brawn, der einsehen hatte müssen, dass die Taktik, eine bessere Startposition für mehr Flexibilität im Rennen zu opfern, nicht mehr funktionierte.

Ferraris Technischer Direktor selbstkritisch

Am deutlichsten wurde das dem in neun Tagen seinen 49. Geburtstag feiernden Engländer beim Monaco-Grand Prix vor Augen geführt. Im Verlauf der Saison passte man sich aber langsam an die neuen Bedingungen an. "Zur Jahresmitte hatten wir uns mit der Situation abgefunden und akzeptierten, dass der Vorteil, den wir in der Vergangenheit genossen haben, nicht mehr existiert. Das war mein Fehler, wir hätten uns schneller daran anpassen müssen", gibt Brawn heute zu.

Die Regeländerungen hatten den Traditionsrennstall zwar kurzzeitig durcheinander gebracht, doch dessen Triumph konnten sie am Ende nicht verhindern. "Wir haben zu viele Fehler gemacht", so Brawn selbstkritisch, "aber es ist eine Stärke des Teams, dass wir mit so etwas umgehen und uns auf ein Ziel neu ausrichten können."

Schwierige Saison war für Ferrari wie ein Weckruf

Während die weiß-blaue, silberne und blau-gelbe Konkurrenz nach diesem Jahr schon die Hoffnung hegt, dass man Ferrari nächstes Jahr vom Sockel stürzen wird, denn den Nimbus der Unbesiegbarkeit nahm man den Roten ja schon, sollten sich die Gegner besser nicht zu früh freuen.

"Es ist merkwürdig, doch ich denke, dass diese Saison für uns gut gewesen ist, denn wir mussten wieder lernen wie man kämpft. Wir gehen mit mehr Motivation in diesen Winter und werden weit näher an der Realität sein als letzten Winter."

An Motivation fehlt es Ferrari nicht

"Wenn man 15 von 16 Rennen gewonnen hat, dann ist die eigene Sichtweise der Dinge doch anders als wenn man hart arbeiten und wirklich hart um die Meisterschaft kämpfen musste. Letztes Jahr war ich auch ein paar Monate nicht da, denn ich hatte eine Bandscheibenoperation und das hat sicherlich nicht geholfen. Die Entschlossenheit, die ich im Moment bei Ferrari sehe, ist einfach unglaublich und der Wille und die Begeisterung ist gewaltig", verrät Brawn wie es um die Motivation steht die Fahrer- und Konstrukteursmeisterschaft erneut zu verteidigen.

Brawn rechnet 2004 erneut mit einer schwierigen Saison

"Es wird eine schwierige Saison im nächsten Jahr werden", macht sich der 48-Jährige nichts vor, "doch wenn wir nicht gewinnen, dann ganz sicher nicht weil wir uns nicht genug anstrengen. Die zurückliegende Saison hat das Team einander viel näher gebracht und wir müssen uns alle mehr auf einander verlassen können als wir das letzte Saison getan haben. Wir alle müssen die Messlatte höher legen", so der Technische Direktor, für den 2003 eine lehrreiche Saison war.