Brawn: "Politik ist nicht meine Stärke"

Mercedes-Teamchef Ross Brawn erklärt seine Herangehensweise an den Teamchef-Posten, warum er Juristen bewundert und spricht über Stärken und Schwächen

(Motorsport-Total.com) - Als Ross Brawn seine Formel-1-Karriere als Absolvent eines Messtechnik-Studiums 1976 bei March an der Fräsmaschine begann, ahnte nicht einmal er selbst, dass er es zu einem der erfolgreichsten Motorsport-Manager der Geschichte bringen würde. Seine größten Triumphe feierte der Brite aus Manchester mit Michael Schumacher beim Ferrari-Rennstall, wo er als Technikchef eine der Schlüsselfiguren war. Als Krönung gelang es ihm 2009, mit dem nach ihm benannten Brawn-Rennstall beide WM-Titel einzuheimsen - dabei war wenige Wochen vor dem Saisonstart das Antreten der Truppe aus Brackley noch fraglich gewesen.

Titel-Bild zur News: Ross Brawn, Martin Whitmarsh

In der Formel 1 ist Ross Brawn auch auf dem politischen Parkett gefordert Zoom

In der Formel 1 hat Brawn seine perfekte Spielwiese gefunden, schließlich verbindet sie zwei seiner Kerninteressen. "Ich habe mich für den Ingenieursberuf immer sehr interessiert, vor allem für den Konkurrenz-Aspekt", blickt er gegenüber dem Blog von Formel-1-Reporter James Allen zu seinen Anfängen zurück. "Als Kind bin ich mit Slotcars Rennen gefahren, die wir selber gebastelt haben", gibt er ein Beispiel. Damals habe er aber nicht davon geträumt, es eines Tages in die "Königsklasse" des Motorsports zu schaffen. "Ich hatte nie einen langfristigen Plan, dorthin zu kommen, wo ich jetzt bin - das muss ich zugeben. Die Gelegenheiten kamen, und ich habe sie genutzt."

Triebfeder war aber immer die unbändige Begeisterung für das Ingenieurswesen: "Es ist großartig, an etwas zu arbeiten, wofür man eine Leidenschaft hat, denn dann kommt es einem nicht so wie Arbeit vor. Und wenn man das Interesse für den Ingenieursberuf mit dem Wettkampfgedanken kombiniert, dann ist die Formel 1 das perfekte Umfeld."

Wo Brawn seine Schwächen sieht

Mit seiner Vita ist Brawn in der Formel 1 als Teamchef eine Ausnahmeerscheinung: Die meisten Rennstall-Leiter stammen nicht wie er aus dem technischen Bereich. Genau darin sieht der 58-Jährige, dem von Insidern hervorragende Führungsqualitäten nachgesagt werden, auch seine Stärken: "Ich bin dem Rennsport sehr nahe, habe viel mit den Fahrern zu tun - ich kann diese Bereiche gut einschätzen."

In anderen Bereichen fühlt er sich hingegen laut eigenen Angaben nicht so wohl: "Der Umgang mit dem Vorstand fühlt sich für mich nicht so natürlich an - und auch der Umgang mit der kommerziellen Seite, vielleicht mit der Politik. Und in diesen Gebieten mussten wir mittelfristig Fortschritte machen."

"Der Umgang mit dem Vorstand fühlt sich für mich nicht so natürlich an." Ross Brawn

Ursprünglich hatte Geschäftsführer Nick Fry diesen Bereich abgedeckt, jetzt zeichnet der Geschäftsführende Direktor Toto Wolff für die wirtschaftlichen Belange des Teams verantwortlich. Und mit dessen Landsmann Niki Lauda, der als Aufsichtsrats-Vorsitzender fungiert, verfügt man über einen hervorragenden "Netzwerker", der durch seinen guten Kontakt zu Bernie Ecclestone auch in politischen Belangen als Türöffner dienen kann.

Brawns Polit-Triumphe

Obwohl Brawn das Tanzen auf dem politischen Parkett als eine seiner Schwächen bezeichnet, konnte er in seiner erfolgreichen Karriere diesbezüglich bereits einige Triumphe für sich verbuchen. Man erinnere sich an die FIA-Verhandlung nach dem Grand Prix von Malaysia 1999, als die Disqualifikation der beiden Ferrari-Piloten Michael Schumacher und Eddie Irvine wegen illegaler Windabweiser nachträglich aufgehoben wurde.

Ross Brawn, Chris Harris

Ross Brawn und Mercedes-Anwalt Paul Harris vor dem Internationalen FIA-Tribunal Zoom

Und auch Brawns Auftritt vor dem Internationalen Tribunal der FIA wegen des umstrittenen Pirelli-Tests seines Mercedes-Rennstalls war dieses Jahr von Erfolg gekrönt - anstatt der befürchteten harten Strafe musste man bloß den Young-Driver-Test in Silverstone auslassen. Der Schaden hielt sich - wie der Sieg von Lewis Hamilton in Ungarn beweist - in Grenzen.

Warum der Mercedes-Teamchef Juristen bewundert

Dennoch glaubt Brawn nicht, dass er das Zeug zum Juristen hätte: "Ich glaube, dass ich in meinem engen Bereich die Komplexität der Formel 1 den Leuten auf eine verständliche Art und Weise erklären kann." Das beeindruckende an Juristen sei aber ihre thematische Vielseitigkeit.

"Ich musste mich aufgrund der Natur der Formel 1 über die Jahre leider auch immer wieder mit rechtlichen Dingen auseinandersetzen, und ich bin von den Fähigkeiten der Juristen beeindruckt, sich in ein Thema einzulesen, sich in einer Materie in so kurzer Zeit zurechtzufinden, und dann wieder abzuschalten und mit dem nächsten Thema weiterzumachen", sagt Brawn. Auch Mercedes-Anwalt Paul Harris, der das Team in der Test-Affäre verteidigte, habe "diese beeindruckte Fähigkeit, die sie alle haben, sich wo einzuklinken und wieder auszuklinken."