Folge uns jetzt auf Instagram und erlebe die schönsten und emotionalsten Momente im Motorsport zusammen mit anderen Fans aus der ganzen Welt
Brawn: "Jeder fängt ganz neu an"
Ferraris Technischer Direktor über die Kunst des Motorenbaus, ein Engagement von Valentino Rossi und die Geldmaschinerie der Formel 1
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Trotz der Regeländerungen, die die Motoren betrafen, überrascht alle die enorme Zuverlässigkeit. Wie kompliziert war es, die Motoren so zu bauen, dass sie zwei Wochenenden durchhalten? Und wie war es bei den Autos?"
Ross Brawn: "Ich denke, dass es grundlegend keinen Unterschied bei der ingenieurstechnischen Herausforderung gibt, einen Motor für 300 oder 1.500 Kilometer zu bauen. Jedes Mal, wenn man den Motor auseinander baut, blickt man auf Bereiche, die besonders leiden. So erreicht man Schritt für Schritt die nötige Zuverlässigkeit. Was frustrierend sein kann, ist die zur Verfügung stehende Zeit, denn wenn wir immer mit einem völlig neuen Motor beginnen können, dann wäre das der effizienteste Weg. Dann könnte man die Maßnahmen einfließen lassen, die eine Zuverlässigkeit mit der bestmöglichen Leistung kombiniert. Diese Motoren aber sind nicht dafür ausgelegt, zwei Rennen zu fahren, sondern nur kurze Stints - zumindest unser Motor. Daher ist es ein Kompromiss."#w1#

© Ferrari
Ross Brawn erwartet für das kommende Jahr eine völlig neue Ausgangslage
"Ich denke, dass der kommende V8-Motor zum ersten Mal die Gelegenheit bietet, das Design des Motors von Anfang an zu ändern, weil man weiß, dass er zwei Rennen halten muss. Von daher könnten die V8 noch besser als die jetzigen Motoren sein. Aber es geht immer um das Verhältnis zwischen Zuverlässigkeit und Leistung. Wir alle könnten unsere Motoren hochgehen lassen, das ist nicht schwierig. Das Großartige an den Motoren ist, dass man sie auf einen Prüfstand schnallen und die Arbeit zu Hause machen kann."
Frage: "Finden noch Entwicklungen für 2005 bei euch statt? Und wie bestimmt ihr die Richtung für 2006 angesichts der Reifensituation in diesem Jahr?"
Brawn: "Wir sind in der einzigartigen Position, das einzige Top-Team auf Bridgestone-Reifen zu sein, daher haben wir keine Referenzwerte. Ohne diese ist es zuweilen aber schwer zu wissen, auf welche Bereiche man sich konzentrieren sollte. Daher begrüßen wir, dass auch WilliamsF1 und Toyota im nächsten Jahr zu Bridgestone gehen, denn das wird uns einen besseren Gradmesser für die eigene Leistung geben. Es zeigt sich dann auch, ob man sich auf die Reifenentwicklung oder das Auto konzentrieren sollte. Derzeit versuchen wir beides. Wo immer wir mehr Leistung finden, wird es die Situation verbessern: mehr Leistung der Aerodynamik, des Motors, des Chassis, bessere Reifen."
"Wir sagen von keinem Bereich, dass wir dort gut genug waren und es nun für das nächste Jahr so lassen können. Wir versuchen, selbstkritisch zu sein - bei allem, was wir tun. Es wäre wunderbar, wenn Bridgestone eine Sekunde bei den Reifen finden würde, aber das ist nicht sehr realistisch. Es wäre auch toll, wenn wir eine Sekunde am Auto finden würden, aber auch das ist nicht sehr realistisch. Aber zusammen können wir versuchen, die Situation zu verbessern. Wir konzentrieren uns auf das nächste Jahr und wir haben eine recht gute Idee von unseren Zielen."
Rossi und Ferrari - Abwarten
Frage: "Wie steht es eigentlich um Valentino Rossi? Du sagtest, er solle 2006 regelmäßig testen, er erklärte wiederum, dass er dafür gar nicht die Zeit habe. Wie sieht die Situation aus?"
Brawn: "Er entscheidet letztendlich, was er tut - nicht ich. Ich bin vielleicht über das Ziel hinaus geschossen, weil ich gefragt wurde, wie man Valentino Rossi in einen Grand-Prix-Fahrer verwandeln kann, und ich würde das so machen, das war das Programm dafür. Aber er hat angedeutet, dass er noch keine Entscheidung getroffen hat, also sollten wir einfach warten. Wenn er es aber machen möchte, dann habe ich erklärt, was meiner Meinung nach der beste Weg dafür sei. Die Entscheidung muss aber noch getroffen werden. Er befindet sich inmitten seiner Meisterschaft und wird auch im nächsten Jahr in der MotoGP fahren, also müssen wir abwarten."
Frage: "Stimmt es, dass Rossi nur für Ferrari fahren würde, wenn er in die Formel 1 kommen sollte? Gibt es da eine Abmachung? Und gibt es bereits Testtermine für das laufende Jahr?"
Brawn: "Ich hoffe, dass er einen Formel-1-Einstieg mit Ferrari vollziehen würde, denn es wäre eine nette Kombination. Er hat für uns zwei Tests absolviert, kam gut mit unseren Leuten aus und diese waren auch sehr aufgeregt, ihn bei uns zu sehen. Aber ich denke, dass er sich alle Möglichkeiten ansehen und dann eine Entscheidung treffen wird, wenn er es muss. Niemand hält ihm eine Pistole an den Kopf. Er muss Entscheidungen fällen, die er als richtig empfindet. Wir wären in der Zukunft an einer Zusammenarbeit mit ihm interessiert. Für dieses Jahr ist nichts geplant, er möchte erst seine Meisterschaft abschließen und entscheiden, was er tun wird."
Frage: "Einen Exklusivvertrag mit ihm gibt es also nicht?"
Brawn: "Nein."
"Dann würde es nur um das Ausgeben gehen"
Frage: "Toyota hat in diesem Jahr einen großen Schritt gemacht. Überspielt dies aber vielleicht die Tatsache, dass ihr keine sonderlich gute Saison habt? Und könnte Toyota als relativ junges Team nicht 2006 Probleme bekommen, das Niveau zu halten?"
Brawn: "Ich denke, dass Toyota auf dem Weg nach oben ist. Es ist schwierig zu sagen, wo das aufhört. Vom vergangenen zu diesem Jahr haben sie sicher einen guten Schritt gemacht. Wir wissen nicht, wo sie im nächsten Jahr stehen werden. Toyota auch gezeigt, dass sie willig sind, ein Budget zu investieren, dass das anderer Teams übersteigt. Nun bauen sie einen zweiten Windkanal, der mindestens 50 bis 60 Millionen Dollar kosten wird, hinzu kommen noch die Leute, die ihn bedienen, und die ganzen Teile. Das soll aber keine Kritik an Toyota sein, dennoch sollten wir aufpassen, dass die Formel 1 nicht dazu verkommt, dass das Team mit dem meisten Geld alles gewinnt. Denn dann würde es nur um das Ausgeben gehen. Ich wünsche ihnen Erfolg, aber ich hoffe, dass sie nicht zu Chelsea der Formel 1 werden."
Frage: "Ihr habt euren V8-Motor für 2006 bereits getestet. Traten dabei unübliche Probleme auf oder seltsame Charakteristiken, die ihr nicht erwartet hattet? Werden die Formel-1-Autos 2006 vielleicht auch etwas anders aussehen?"
Brawn: "Ich habe eines der letzten V8-Autos in der Formel 1 betreut, habe also gute Erinnerungen an die Probleme der Vibrationen eines V8. Meine Kollegen bei Ferrari kennen das aber nicht, für sie war es ein neues Experiment, dass Teile abfallen, die sonst nie abfallen. Die größte Einzelherausforderung sind die Vibrationen eines V8. Das kann so stark werden, dass man alles in Gummiaufhängungen lagern muss. Es gingen Teile kaputt, die mit einem V10 sehr lange fahren konnten. Ferrari ist von einem V12 zu einem V10 gewechselt und dachte, das sei schlecht. Nun sehen sie, was bei einem V8 alles passiert. Es ist aber dennoch eine schöne Herausforderung."
"Der Motor hat weniger Drehmoment und weniger Kraft, wirkt sich aber positiv auf die Reifen und das Handling des Autos aus. Jeder fängt ganz neu an, mit einer weißen Weste. Niemand weiß, wo genau man sich befinden sollte, was Kraft, Drehzahl oder Benzinverbrauch angeht. In der Formel 1 sieht man, wdas andere Teams machen, daher weiß man auch, was man selbst erreichen kann. Aber niemand kennt einen V8 wirklich. Man weiß nicht, ob 700 PS reichen, oder 750 oder 800. Wir werden es in der ersten Jahreshälfte 2006 herausfinden. Die, die nicht so viel Leistung haben, müssen schnell aufholen. Die, die sie haben, können sich ein wenig mehr auf andere Aspekte konzentrieren."
Frage: "Glaubst du, dass sich McLaren-Mercedes in diesem Jahr in die Lage gebracht hat, um auch in den kommenden zwei oder drei Jahren eine dominierende Rolle zu spielen, oder stehen hierfür zu gravierende Änderungen an?"
Brawn: "Die Teams erhalten neuen Schwung. Es gibt eine Art Müdigkeit, man trifft seine Entscheidungen und ist damit zufrieden. Aber Regeländerungen können alles durcheinander wirbeln, wir kamen mit den jüngsten Änderungen nicht gut klar. Wenn es keine Regeländerungen gibt, dann entwickelt man die Autos logisch weiter. Für das nächste Jahr sind die Änderungen noch gravierender, denn es betrifft nicht nur den Motor. Das erhöht das Risiko, dass es einer falsch macht, ein anderer richtig. Aber McLaren hat natürlich ein schnelles Auto. Sie konnten daraus nicht so viel Kapital schlagen, wie sie es gewollt haben."

