Brawn: "Der Riese Ferrari ist erwacht"
Die schwache Saison 2005 hat bei Ferrari die Alarmglocken schrillen lassen, mit den neu geschaffenen Strukturen schaffte man wieder den Anschluss
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Bei den vergangenen Rennen und vielleicht auch hier war es ein Thema, wie das Temperatur-Arbeitsfenster der Reifen zu den erwarteten Temperaturen passt. Wie groß war dieses Problem?"
Ross Brawn: "Das ist schon ein recht großes Problem, denn die Anforderungen haben sich gegenüber dem Vorjahr geändert. Bei der Leistung im Qualifying akzeptieren wir einen viel größeren Reifenverschleiß als im Vorjahr, wenn der Reifen schnell ist. Wir versuchen also wieder, unseren Referenzpunkt mit allen Reifenarten und mit verschiedenen Autos zu finden."#w1#

© Ferrari
Ross Brawn blickt mit Zuversicht auf die kommenden Entwicklungen bei Ferrari
"Wir waren nicht so gut darin, uns auf einige Reifen einzustellen, die bei niedriger Temperatur nicht so effektiv waren. Im ersten Stint in Melbourne, der grässlich war, haben wir dafür den Preis gezahlt, denn wir konnten die Reifen nicht auf Temperatur bekommen. Im zweiten Stint, als wir vorgeheizte Reifen beim Boxenstopp aufziehen konnten, war das Auto sehr gut. Aber das ist natürlich keine praktikable Lösung."
"Selbst wenn die Reifen in dieser Situation gut waren, es ist nicht praktikabel, also machten wir mit Reifen weiter, die einen tieferen Arbeitsbereich (bezüglich der Temperaturen; Anm. d. Red.) haben. Aber diese Reifen können natürlich dann leiden, wenn die Temperatur zu stark ansteigt. Das passierte ein wenig in der Mitte des Rennens in Imola."
Brawn lobt den Ferrari-Motor
Frage: "Jean Todt (Ferrari-Rennleiter; Anm. d. Red.) war mit den Höchstgeschwindigkeiten bei Ferrari in Imola sehr zufrieden. Wie wichtig war das für die Gesamtleistung von Ferrari?"
Brawn: "Da haben wir unseren Schwerpunkt gegenüber dem Vorjahr geändert. Im vergangenen Jahr war der Abtrieb der Schlüssel, weniger die Effizienz. Wir hatten kein wirklich gutes Jahr und wir haben die Kurse analysiert, auf denen wir gut waren und auf denen wir weniger gut waren. Wir haben mehr auf die Effizienz des Autos geachtet und haben da einige Schritte machen können, dazu noch Fortschritte auf anderen Gebieten, die auch die Höchstgeschwindigkeit beeinflussten. Das Aerodynamikprogramm konzentrierte sich aber mehr auf die Effizienz und auch in anderen Gebieten hat sich das Auto stark verbessert."
"Auch unser Motor war sehr gut. Man redet immer über die Drehzahlen, aber die Drehzahlen sind nicht der einzige Parameter. Wenn man die Leistung bei niedrigerer Drehzahl erreichen kann, dann kann das zuweilen auch effizienter sein. Wir haben mit Sicherheit einen sehr guten Motor, der gut mit dem Chassis harmoniert. Mit der Geschwindigkeit auf den Geraden sind wir zufrieden, auch mit der Effizienz des Autos. Aber das ist ein Ergebnis von sehr viel Arbeit von sehr vielen Leuten."
Aerodynamikretuschen von Rennen zu Rennen
Frage: "Michael Schumacher mutmaßte am Anfang der Saison, dass die diesjährige Meisterschaft durch das Entwicklungstempo entschieden wird. Trat bisher auch so ein?"
Brawn: "Ich denke, bei allen Teams wird hart gearbeitet. Es geht darum, welche Ergebnisse man aus dieser Arbeit gewinnt, aber jedes Team steckt unglaublich viel Anstrengungen in die Weiterentwicklung. Mit unseren Entwicklungen in diesem Jahr bin ich sehr zufrieden. Wir haben hier ein weiteres Aerodynamikpaket, schon in Imola hatten wir ein neues, wir haben also wieder einen Schritt gemacht. In Barcelona wird es auch eine kleine Modifikation geben und für Monaco wird es wieder neue Pakete geben. Dann kommen die Pakete für wenig Abtrieb in Kanada und den USA."
"Besonders schön ist es, dass wir dabei auf allen Gebieten Fortschritte machen. Im Vorjahr haben wir viel gearbeitet aber kaum Fortschritte erreicht. Ich denke, dass wir durch ein paar interne Umstrukturierungen und eine bessere Fokussierung darauf, was wir brauchen, auch mehr Fortschritte machen. Derzeit steht viel Arbeit an den Aufhängungen an, da haben wir in den vergangenen Jahren nur wenig gearbeitet."
"Wir hatten schon in Imola ein neues Aufhängungssystem und in den kommenden Monaten werden einige neue Systeme entwickelt. Ich denke, in gewisser Weise ist im vergangenen Jahr der Riese Ferrari erwacht. Es war ein schlechtes Jahr und wir entschieden, dass wir etwas tun müssen. Mit den Fortschritten in diesem Jahr bin ich zufrieden."
Frage: "Die Kurvengeschwindigkeiten sind höher als vor einem Jahr. Was trägt dazu - abgesehen von den Reifen - bei? Glaubst du, dass die Auslaufzonen noch zeitgemäß sind?"
Brawn: "Da müsste man zunächst einmal genaue Daten betrachten, denn die Kurvengeschwindigkeiten sind keineswegs gestiegen. Natürlich müssen wir die Reifen nicht so lange verwenden wie 2005, dadurch werden sie schon etwas ansteigen, aber unsere Daten zeigen, dass sich die Daten nicht sehr stark von 2004 unterscheiden. Für die anderen kann ich nicht sprechen, aber bei uns ist die Differenz nicht dramatisch. Die kleinen Unterschiede im Vergleich zu 2004 kommen durch die unterschiedliche Endgeschwindigkeit, daher sind auch die Kurvengeschwindigkeiten etwas anders."

