• 10.08.2007 13:31

  • von Pete Fink

Bourdais und die Formel 1: Der Kreis schließt sich

Zwischen seiner ersten Formel-1-Testfahrt und seinem ersten Formel-1-Vertrag liegen über fünf Jahre und drei US-Titel - Sébastien Bourdais ist angekommen

(Motorsport-Total.com) - Zugegeben, Oriol Servia ist ein enger Freund von Sébastien Bourdais und als solcher vielleicht nicht ganz unbefangen, aber trotzdem hat der spanische ChampCar-Pilot einmal eine gewagte Aussage von sich gegeben: "Ich denke, dass Sébastien der schnellste Mann auf dem Planeten ist", sagte Servia im Herbst 2005 in den USA. "Ich werde nicht sagen, dass er der beste Fahrer auf dem Planeten ist, aber ich glaube, dass er der schnellste ist."

Titel-Bild zur News: Sébastien Bourdais

Sébastien Bourdais hat sich seinen Traum von einem Formel-1-Vertrag erfüllt

Servia bezog sich mit seiner damaligen Aussage auf den Vergleich mit Fernando Alonso in der einstigen F3000 und einer - erst im vergangenen Winter von Bourdais höchstpersönlich verratenen - Randnotiz, als dieser bei einem Renault-Test im Winter 2002 in Jerez auf Anhieb die gleiche Zeit fuhr, wie der damalige Renault-Testfahrer Alonso.#w1#

Natürlich wird der gerade von der Scuderia Toro Rosso verpflichtete Bourdais in der Saison 2008 wohl eher gegen die Kollegen des unteren Mittelfelds fahren, und somit kann der Wahrheitsgehalt der Servia-Aussage ab dem kommenden Jahr nur bedingt auch in der Formel 1 überprüft werden. Was jedoch andererseits nichts anderes bedeutet, dass der mittlerweile 28-Jährige endlich dort angekommen ist, wo er seit Jahren hinwollte - in die Formel 1.

Am Anfang war der Arrrows

Damit schließt sich ein über fünf Jahre andauernder Kreis, den der Franzose selbst wohl eher als harten Kampf bezeichnen würde, denn was im Juli 2002 mit einer ersten Formel-1-Testfahrt in Valencia begann, endete im August 2007 endlich mit einem Stammfahrervertrag für die Königsklasse des Motorsports.

Heinz-Harald Frentzen

Bereits im Arrows war er als Nachfolger von Heinz-Harald Frentzen im Gespräch Zoom

Und dabei hätte alles eigentlich ganz schnell gehen können: Bourdais testete zweimal für das finanziell angeschlagene Arrows-Team von Tom Walkinshaw und als Heinz-Harald Frentzen im August 2002 die Nase voll hatte, war der Franzose ein heißer Kandidat für eine Nachfolge des Deutschen. Der damals 23-Jährige hatte sich die Testfahrten durch seine Erfolge in der F3000 verdient, und holte kurz darauf den Titel, weil sein Hauptkonkurrent Tomas Enge in einen unangenehmen Haschisch-Skandal verwickelt war.

Doch Walkinshaw konnte sein Team nicht halten und so nutzte Bourdais auch ein bereits unterschriebener Stammfahrervertrag für 2003 nichts mehr. Die Formel-1-Türe für Bourdais war zunächst geschlossen. Auch der besagte Renault-Test im Dezember brachte keine positiven Ergebnisse, was dem Franzosen in Bezug aus das französische Team bis heute sauer aufstößt.

Erfolgsstory in den USA

Man würde seine eigenen Piloten wohl bereits haben, mutmaßte Bourdais damals mit Blick auf die Management-Tätigkeiten von Flavio Briatore und der spätere Erfolg gab dem Alonso-Mentor durchaus Recht. Die Beziehung Renault/Bourdais litt jedenfalls sehr darunter: "Ich weiß, dass ich da nicht hingehöre. Sie verfolgen ihre eigene Politik. Ich bin nicht Teil ihrer Strategie und das muss man akzeptieren", so ein verbitterter Bourdais.

Sébastien Bourdais

Die vier USA-Jahre des Franzosen waren eine einzige Erfolgsstory Zoom

So ging sein Weg Anfang 2003 in die USA zum ChampCar-Team von Newman/Haas und er gewann in den USA fast alles, was es zu gewinnen gab. In seiner ersten Saison wurde er Gesamtvierter mit drei Einzelsiegen und dem Titel "Rookie of the Year". Die folgenden drei Jahre dominierte der Franzose und seine Erfolgsquote liest sich durchaus beeindruckend: 68 Starts und davon 27 Siege und drei Meisterschaften in Folge.

Viele Motorsportexperten stellten sich bereits seit Jahren die Frage, warum das offensichtliche Talent des im sonnigen Florida lebenden Franzosen in der Formel 1 keinerlei Beachtung fand, und Bourdais selbst hatte dazu seine eigene Meinung: "Sie kommen zu dir und geben dir eine Chance, oder eben nicht. Bisher hat das Timing einfach nicht gestimmt."

Auch München war keine Option

Dabei gab es bereits im Winter 2005 Gespräche mit dem BMW Sauber F1 Team und BMW Motorsport Direktor Mario Theissen. Doch im Rahmen derer wurde ihm klar gemacht, dass BMW den gültigen Vertrag des damaligen Stammpiloten Jacques Villeneuve honorieren müsse.

Jacques Villeneuve

Jacques Villeneuve erhielt im Winter 2005 den Vorzug vor Bourdais Zoom

Bourdais hätte sich beim BMW Sauber F1 Team für die Saison 2006 sogar mit der Rolle des dritten Fahrers zufrieden gegeben, wenn man ihm die Garantie gegeben hätte, 2007 Rennen fahren zu dürfen. Und dies, obwohl er eigentlich immer zu Protokoll gab, dass ein Testfahrerplatz "2002, als ich 23 Jahre alt war, interessant gewesen" wäre.

Damit ging wieder eine Türe zu, und der Franzose unterschrieb erneut bei Newman/Haas. Zu diesem Zeitpunkt hatte er wohl selbst mit der Formel 1 abgeschlossen, denn Alternativen gab es für ihn keine. "Glauben sie vielleicht, dass ich nicht gut genug bin?", stellte er eine berechtigte Frage in den Raum. "Wenn sie mich nicht testen, wie sollen sie dann wissen, ob ich gut genug bin oder nicht?" Sagte es, und gewann seinen dritten ChampCar-Titel in Folge.

Frankreich ohne Formel-1-Piloten

Es ist angesichts seiner US-Erfolge nachvollziehbar, dass für Bourdais kein Team in Frage kam, das Geld von ihm verlangen würde und auch nach dem Alonso-Abschied war Renault nie eine Option: "Faure und Briatore glauben, dass keiner der französischen Fahrer gut genug ist, um in der Formel 1 zu sein. Wir werden von ihnen ohne Grund nieder gemacht, es ist also besser, das zu vergessen und sich nach wahren Möglichkeiten umzuschauen."

Olivier Panis

Olivier Panis im Toyota war der letzte Stammpilot der Grande Nation Zoom

In der Tat: Nach dem Rücktritt von Olivier Panis hatte die Grande Nation keinen Formel-1-Fahrer mehr, von einem Kurzauftritt Franck Montagnys im Super Aguri einmal abgesehen. Bestand in den 1980er Jahren quasi das halbe Formel-1-Starterfeld aus französischen Piloten, so entstand nun eine gähnende Leere, während Bourdais von Sieg zu Sieg eilte. "Frankreich braucht einen Formel-1-Fahrer und die Formel 1 braucht einen französischen Fahrer", hieß es 2006 aus dem Bourdais-Lager, doch niemand hörte zu.

Bis auf Gerhard Berger, und der Österreicher ist nicht dafür bekannt, lange um den heißen Brei herumzureden. "Er war jemand, den wir uns gern einmal anschauen wollten", so der Toro-Rosso-Mitbesitzer im Winter 2006. "Der Kerl war in Amerika erfolgreich. Viele Leute fragten sich, wie gut er wohl sein würde. Wir sagten uns, weißt du was, setzen wir ihn einfach ins Auto und wir probieren ihn aus.

Der Rest ist seit heute Geschichte, Bourdais bekommt nach drei Toro-Rosso-Testfahrten im strammen Alter von 28 Lenzen seine verdiente Chance, er erfüllt sich dadurch "seinen Traum", die Formel 1 hat wieder einen französischen Piloten und Toro-Rosso-Chef Berger hat mit Bourdais und Sebastian Vettel sein Fahrerproblem gelöst.

Kritik an Bourdais aus Amerika

Doch es gibt auch kritische Stimmen. So ätzte der langjährige Intimfeind des Franzosen, Paul Tracy, vor kurzem, dass Bourdais auf "Basis seiner Persönlichkeit eine sehr unglückliche Person" sein werde, wenn er in der Formel 1 nun nicht mehr - wie aus den USA gewohnt - das Feld von vorne kontrollieren könnte.

Paul Tracy

Paul Tracy war jahrelang der Intimfeind von Sébastien Bourdais Zoom

"Es ist alles großartig, in Ordnung und er glücklich, wenn alles so läuft, wie er es möchte, aber ab dem Moment, ab dem es nicht so läuft, wie er das will, dann reagiert er auf eine sehr negative, harte Weise", so das kanadische ChampCar-Urgestein und so unrecht hat er dabei nicht.

Nicht nur Tracy, auch A.J. Allmendinger, der in der vergangenen Saison zum ernsthaften Bourdais-Herausforderer wurde, und zuletzt auch Robert Doornbos mussten erfahren, dass mit Bourdais teilweise nicht gut Kirschen essen ist, wenn sich der Franzose angegriffen fühlt.

Doch bis der 28-Jährige im Toro Rosso an der Spitze der Formel 1 fahren kann, wird sicher einige Zeit vergehen. Bourdais jedenfalls gilt als analytischer und sehr akribisch arbeitender Fahrertyp und das ist genau das Beuteschema, das sich die Toro-Rosso-Bosse gewünscht haben. Für Bourdais jedenfalls beginnt nun eine ganz neue Aufgabenstellung.