• 10.06.2005 12:04

BMW und WilliamsF1: Szenen einer zerrütteten Ehe

Die medial ausgetragenen Wortgefechte zwischen BMW und WilliamsF1 könnten die Partnerschaft endgültig zum Scheitern bringen

(Motorsport-Total.com/sid) - Patrick Head, 30-Prozent-Teilhaber von WilliamsF1, hat dem Münchner Automobilkonzern BMW für den möglichen Wechsel zum schweizerischen Sauber-Team eine perfekte Vorlage geliefert. Mit scharfen Angriffen gegen die Münchner hat Head neues Öl ins Feuer gegossen und damit BMW Motorsport Direktor Mario Theissen verblüfft: "Ich habe diese Aussagen erst heute gelesen. Ich habe mit Frank Williams nach seiner Ankunft darüber gesprochen, auch er war überrascht", meinte Theissen am Donnerstagabend in Montreal. "Ich werde mich erst dazu äußern, wenn ich mit Patrick persönlich gesprochen habe."

Titel-Bild zur News: Mario Theissen und Patrick Head

Theissen ist "not amused", wie die Queen sagen würde: "Patrick, so geht das nicht!"

In einem Interview mit dem italienischen Magazin "Sport Auto Moto" hatte Head Theissen eine "unehrliche Vorgehensweise" unterstellt und angeprangert, BMW suche die Schuld für Probleme im Team nur auf der Seite von WilliamsF1: "Leider hat sich unser Partner dazu entschieden, den Leuten zu erzählen, dass sie selbst perfekt sind. Gleichzeitig beschuldigen sie uns. Das ist ehrlich gesagt nicht nur unprofessionell, sondern es zeugt auch von einem schlechten Charakter", sagte Head.#w1#

Angelt WilliamsF1 hinter verschlossenen Türen schon nach Honda?

"Ich bin nicht sehr beeindruckt von der Vorgehensweise, dass jedes Problem auf das Auto und keines auf den Motor geschoben wird", polterte Head weiter und erklärte, dass sich WilliamsF1 seinerseits auch schon nach Alternativen zu BMW umsähe: "Angesichts dieser Situation muss ich zugeben, dass wir uns schon mit einigen anderen Leuten unterhalten haben", sagte der Engländer, ohne Namen zu nennen. Allerdings scheint eine Rückkehr zum früheren Motorenpartner Honda, mit dem WilliamsF1 1986 und 1987 zwei Konstrukteurstitel und durch den Brasilianer Nelson Piquet 1987 auch die Fahrerkrone gewann, durchaus denkbar. Angeblich sucht Honda eine Alternative zu BAR, nachdem die Tankaffäre vom Saisonbeginn dem Image des japanischen Konzerns einen Kratzer versetzt hat.

BMW, das seit der Formel-1-Rückkehr 2000 vergeblich auf einen WM-Titel hofft, verhandelt zurzeit mit dem Sauber-Team über die Lieferung von Motoren ab 2006 und hat diese Gespräche auch mehrfach öffentlich zugegeben. Darüber hinaus wird spekuliert, dass die Münchner Sauber möglicherweise ganz übernehmen und in Hinwil ein komplett eigenes Auto bauen könnten. Zuletzt am Nürburgring hatte Theissen aber auch bekräftigt, über das Saisonende hinaus weiter mit WilliamsF1 arbeiten zu wollen. Erst im vorigen Jahr war der Vertrag bis 2009 verlängert worden, allerdings mit angeblichen Ausstiegsklauseln.

Während sich der aktuelle WM-Vierte Nick Heidfeld, der BMW zu seinem früheren Team Sauber folgen könnte, aus den teaminternen Streitereien lieber diplomatisch heraushält, schlägt sich Teamkollege Mark Webber deutlich auf die Seite von WilliamsF1: "Zu denken, WilliamsF1 und BMW bleiben die nächsten drei Jahre zusammen, auch wenn die Resultate nicht kommen, wäre unglaublich naiv", erklärte der Australier, der im Gegensatz zu Heidfeld auch für 2006 unter Vertrag steht.

Webber stellt sich auf die Seite von WilliamsF1

"Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass mir BMW nicht wichtig ist", meinte Webber in Montreal weiter. "BMW ist ein beeindruckendes Unternehmen, aber ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich immer nur für Frank fahren wollte." Er denke, dass Williams und Head "extrem hart daran arbeiten werden, die Sache mit BMW beizubehalten, aber unabhängig vom Motor, den wir nächstes Jahr haben werden, sollte das Team bestens aufgestellt sein. Wenn wir Motoren von BMW bekommen, dann ist das sicher das Richtige, aber ich vertraue auch darauf, dass es das Richtige ist, wenn wir im Endeffekt doch einen neuen Partner bekommen."

Anders als Heidfeld muss sich der frühere BMW WilliamsF1 Team Pilot Ralf Schumacher kein Blatt vor den Mund nehmen. Er kritisierte in Montréal scharf die Aussagen seines ungeliebten Ex-Chefs Head: "Das ist schwer enttäuschend und höchstgradig unfair gegenüber Mario Theissen. Der hat immer nur versucht zu helfen, dem Team unter die Arme zu greifen. Wenn einer die Schuld bei sich suchen muss, dann doch nur Patrick. Bei ihm ist viel unnötige Sturheit dabei", meinte Schumacher, der nach sechs Jahren bei WilliamsF1 jetzt für Toyota fährt.

Zu Heads Vorwürfen, im Jahr 2000 seien im ersten Jahr mit BMW innerhalb einer Saison 150 Motoren kaputt gegangen, meinte der Kerpener nur lapidar: "Ich weiß nicht, welchen Motor Patrick meint, den von seinem Auto oder seinem Helikopter. Ich kann mich nicht erinnern, dass es in meiner Zeit jemals so viele Motorschäden gegeben hat." Auch ist Schumacher überzeugt, dass Williams und Head voneinander "immer wissen, was der andere tut. Ob es noch Sinn macht, weiter mit WilliamsF1 zusammenzuarbeiten, muss jetzt BMW entscheiden."