Berger: "Habe einfach angefangen nachzudenken"

Neo-Formel-1-Rentner Gerhard Berger begründet seinen Rücktritt damit, sich jetzt mehr Gedanken über das Leben zu machen

(Motorsport-Total.com) - "Das stärkste Gefühl", schrieb Gerhard Berger in seiner Autobiografie 'Zielgerade', die 1997 erschienen ist, "das mich über all die Jahre trieb, war die glühende Ungeduld eines jungen Rennfahrers, alles Schöne, Tolle und Aufregende in sich hinein zu pressen. Es war auch viel Verrücktes dabei." Als Leitsatz gab der Tiroler damals an: "Sonst bist einmal alt und hast nix erlebt."

Titel-Bild zur News: Gerhard Berger

Comeback denkbar, aber erst einmal ist eine Pause geplant: Berger

Dachte er beim Schreiben dieser Sätze wohl eher an den Motorsport, so trifft diese Philosophie auch heute noch zu ? wenn auch eher auf das Privatleben abseits der Rennstrecke angewandt. Berger hat vorerst genug vom Leben als Weltenbummler, genug davon, jede Nacht in einem anderen Hotel zu schlafen, genug vom Stress, den die Formel 1 mit sich bringt. Stattdessen will er sich verstärkt seiner Familie widmen und ein paar Jahre einfach genießen.

In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin 'NEWS' gab er außerdem an, dass ihn die vielen Schicksalsschläge der letzten Jahren zum Nachdenken bewogen haben. 1997 starb bekanntlich sein Vater unter mysteriösen Umständen bei einem Flugzeugabsturz, vor ein paar Monaten dann auch seine Mutter. Darüber hinaus musste der 43-Jährige seinen Freund George Harrison zu Grabe tragen und am vergangenen Wochenende vom Tod Barry Sheenes erfahren.

"Ich habe einfach angefangen nachzudenken und irgendwann mit Schrecken festgestellt", so der zurückgetretene BMW-Sportchef, "dass meine Mutter mit 63 gestorben ist und ich auch schon 43 Jahre alt bin. Und ich habe begonnen zu begreifen, dass die ersten Freunde mit Krankheiten aus meinem Leben verschwinden." Die Angst, das Privatleben immer aufzuschieben, aber am Ende nie zu bekommen, hat ihn dann wohl zum Rücktritt getrieben.

"Wenn du solche Dinge erlebst, fängst du plötzlich selbst an zu rechnen. Im Kopf habe ich eine Plus/Minus-Liste gemacht und gemerkt, dass ich mehr Zeit brauche. Ich liebe die Formel 1, aber nicht mehr so, dass ich bereit bin, 24 Stunden nur für sie meine Kraft zu investieren", ergänzte er. Davon soll nun unter anderem Gattin Ana profitieren, die bei Bergers Entscheidung aber nicht gefragt wurde: "Das musste ich mit mir selbst ausmachen."

Obwohl der Österreicher noch bis Ende September einen laufenden Vertrag mit BMW hat, wird er sich ab sofort schrittweise aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Geplant sind nur noch vereinzelte Besuche bei Formel-1-Rennen ? unter anderem in Monaco und Österreich ? und ein paar öffentliche Auftritte. Die anfallenden Aufgaben vor Ort und in der Fabrik in München wird Dr. Mario Theissen übernehmen, der alleiniger Sportchef bleiben soll.

Berger will sich nun vermehrt um seine drei Töchter kümmern: "Als Vater bin ich für die Auflockerung im Tagesgeschäft zuständig. Ana ist verantwortlich für die Disziplin, ich für den Blödsinn. Ich ziehe die Mädels oft auf, warum sie denn in die Schule gehen, das ist ja gar nicht nötig. Dann diskutieren sie oft mit der Ana drei Tage lang, ob ich vielleicht nicht doch Recht habe. Je mehr Blödsinn die Mädels machen, desto besser."

Ganz zum "Urlaubstiger" wird der in Monaco lebende Ex-Rennfahrer aber nicht mutieren, geht es doch dem von seinem Vater gegründeten Speditionsunternehmen wirtschaftlich denkbar schlecht. Die Geschäftsführung der in Wörgl ansässigen Firma macht sich Hoffnungen, dass Berger sich weiterhin für sie engagiert ? wie er es letzten Dezember schon getan hat, als er aus seiner Privatschatulle eine Finanzspritze locker machte, um den Angestellten ihre Gehälter zukommen lassen zu können.