Belgien-Analyse: Ferraris Spa-ziergang in den Ardennen
Die anfängliche Hoffnung, die Konkurrenz wäre dichter an Ferrari dran, hat sich im Rennen wieder einmal zerschlagen
(Motorsport-Total.com) - Was die Konkurrenz auch unternimmt um den großen Rückstand auf Ferrari wett zu machen, die Roten haben die Lage jederzeit im Griff und scheinen Rekordrunden aus dem Ärmel zaubern zu können ? vor allem im Rennen. Zu Beginn des Wochenendes sah es so aus, als hätte Michelin einen Reifen mitgebracht, der die Ferrari-Dominanz beenden könnte, doch selbst im Qualifying lag man schlussendlich ein wenig zurück. Für die Franzosen muss das schlimm gewesen sein, denn lässt man Ferrari einmal außer Acht, so war Michelin am vergangenen Wochenende eindeutig besser als Bridgestone unterwegs, aber gegen das "Überauto" von Ferrari kommt auch kein Wunderreifen an.

© Ferrari
Michael Schumacher konnte die Landschaft beinahe schon genießen...
Ferrari ? 173 WM-Punkte ? Konstrukteursweltmeister
Pole Position, schnellste Rennrunde (1:47.176 Minuten) und der zehnte Saisonsieg ? Michael Schumacher bewies in Belgien, dass Spa-Francorchamps sein "Wohnzimmer" ist, wie er selbst immer so schön sagt. Von Anfang an hatte er die Konkurrenz im Griff, Teamkollege Rubens Barrichello das ganze Wochenende über um 0,5 bis zu einer Sekunde distanziert. Im Rennen fehlten dem Brasilianer 1,020 Sekunden auf die schnellste Runde, was aber immer noch den zweiten Platz in der Liste der schnellsten Rennrunden bedeutete!
Die Roten drehten ihre schnellsten Rennrunden nur in den ersten 16 Runden des Rennens, in den letzten zwei Dritteln des Rennens konnte man aus einem Grand Prix einen "Spa-ziergang" ins Ziel machen. Mit dem zweiten Platz holte Rubens Barrichello an diesem Tag das Maximum für sich heraus. Beide Autos waren ein Vorbild an Zuverlässigkeit und so konnte Michael Schumacher zum 19. Mal in Folge ins Ziel kommen und man erfreute sich an der 50. Podiumsplatzierung für Ferrari in Folge.
Kurzprognose:
Die verbleibenden Rennen in Monza, Indianapolis und Suzuka kann mit Sicherheit Ferrari alle gewinnen ? das Potenzial dazu ist vorhanden. Den neuen Rekord von 10 Siegen pro Saison dürfte Michael Schumacher noch ausbauen können. Rubens Barrichello müsste schon sehr viel Pech haben, wenn er den Vizetitel noch verlieren sollte.
BMW-Williams ? 86 WM-Punkte ? Platz 2
Das BMW-Williams-Team erlebte ein Rennwochenende, das der Bergab-Bergauf-Landschaft der Ardennen ähnelte. Juan-Pablo Montoya startete erstaunlich schwach ins Wochenende, hatte Probleme bei der Abstimmung seines Autos und musste sich im Qualifying Ralf Schumacher geschlagen geben, der bis dahin einen starken Eindruck machte. Im Abschlusstraining war man im Vergleich zu Hauptgegner McLaren-Mercedes schwächer als zuletzt.
Im Rennen drehte sich dann irgendwie alles um. Juan-Pablo Montoya fand plötzlich zur alten Stärke zurück und wurde verdienter Dritter, Ralf Schumacher war plötzlich der Schwächere, leistete sich nicht nur einen Dreher sondern auch einen Bedienfehler seines Lenkrades nach dem Boxenstopp, der ihm wertvolle Zeit kostete und konnte nur dank der vielen Ausfälle noch auf den fünften Platz kommen. Insgesamt gelang es dem Team damit, den Vorsprung auf die silberne Konkurrenz im Kampf um den zweiten Platz ausbauen.
Eklatant war jedoch der Rückstand auf die rote Konkurrenz. Juan-Pablo Montoya fehlten in seiner schnellsten Runde 2,117 Sekunden auf die schnellste Rennrunde ? das bedeutet Rang drei. Ralf Schumacher war auf dem fünften Platz zu finden, ihm fehlten 2,505 Sekunden auf seinen Bruder. Trotz der Tatsache, dass es sich bei Spa-Francorchamps um eine lange Strecke handelt, ist dieser Abstand viel zu groß.
Kurzprognose:
Eigentlich galt der Hochgeschwindigkeitskurs von Spa als BMW-Williams-Terrain. Da stellt sich die Frage, ob Ferrari nicht auch in zwei Wochen in Monza dominieren wird. Bisher haben die Weiß-Blauen nur ein Rennen gewinnen können. Angesichts der überwältigenden Ferrari-Überlegenheit ist die Frage, ob dazu unter normalen Umständen noch ein weiterer Sieg hinzukommen wird.
McLaren-Mercedes ? 57 WM-Punkte ? Platz 3
In Sachen Top-Speed waren die McLaren-Mercedes bei der Musik, Kimi Räikkönens zweiter Platz im Qualifying wieder einmal eine Gala-Vorstellung. Doch im Rennen lief es dann nicht ganz so gut wie erwartet. Vielleicht hatte man sich bei den Silbernen zu sehr auf das Qualifying konzentriert, denn schon am Freitag fuhr man sehr früh mit wenig Sprit an Bord. Das hatte jedoch dazu geführt, dass man schon im Abschlusstraining auf McLaren-Mercedes-Niveau fuhr.
David Coulthard bot eine starke Vorstellung und kam auf den verdienten dritten Platz. Den hätte Kimi Räikkönen auch verdient, doch ein Motorschaden stoppte den Finnen ? in Sachen Zuverlässigkeit hat Mercedes noch Aufholbedarf. Vergleicht man die schnellsten Rennrunden, so fuhren McLaren-Mercedes und BMW-Williams im Rennen fast identische Rundenzeiten, wie man das schon in den letzten Rennen sehen konnte. So fehlten David Coulthard auf Platz vier liegend 2,222 Sekunden auf die schnellste Rennrunde und seinem Teamkollegen Kimi Räikkönen 2,588 Sekunden, was den sechsten Rang bedeutete.
Kurzprognose:
Für McLaren-Mercedes gilt das gleiche wie für BMW-Williams. Angesichts der Ferrari-Dominanz ist es fraglich, ob in den letzten drei Rennen der Saison noch ein Sieg für die Silbernen herausspringt. Das Rennen in Magny-Cours hat allerdings gezeigt, dass man niemals nie sagen soll?
Renault ? 15 WM-Punkte ? Platz 4
Das Renault-Team war vom Speed her in Belgien eindeutig die vierte Kraft, auch wenn man mit den Drehzahlen des Motors und damit auch in Sachen Motorleistung nicht mit den Motoren von BMW, Ferrari und Mercedes mithalten konnte. Dass die Franzosen noch viel Arbeit vor sich haben, zeigte sich im Rennen, als beide Piloten mit einem Motorschaden anhalten mussten. Jarno Trulli konnte zuvor in Runde 15 mit 3,059 Sekunden Rückstand immerhin noch die neuntschnellste Rennrunde drehen.
Kurzprognose:
Besonders in Sachen Motorleistung hinkt Renault gewaltig zurück, das wird dem Team in Monza gar nicht schmecken. Etwas besser sollte es beim Saisonfinale in Suzuka aussehen. Hier scheint es eine realistisch Chance auf Punkte zu geben ? wenn einer der sechs Top-Fahrer ausfällt.
Sauber ? 11 WM-Punkte ? Platz 5
Es war schon schlimm genug, dass Sauber von Freitag bis Sonntag nicht den geringsten Hauch einer Chance auf Platzierungen in der Top 10 hatte und dass man im Qualifying gegen die Minardi kämpfen musste. Schlimmer wog die Tatsache, dass das Team nicht wusste, warum man so schlecht unterwegs war. Das Wort Schadensbegrenzung, das Teamchef Peter Sauber nach dem Rennen benutzte, trifft wie die Faust aufs Auge, denn Hauptrivale Renault konnte ebenfalls nicht punkten.
Es schmerzt aber, dass ein Eddie Irvine auf den sechsten Platz fahren konnte, diesen Punkt hätte sich die Schweizer Truppe nicht entgehen lassen dürfen. Stattdessen sah Heidfeld als Zehnter die Zielflagge, Massa fiel mit einem seltenen Motorschaden aus. Im internen Stallduell behielt Felipe Massa das ganze Wochenende über die Oberhand über Teamkollege Nick Heidfeld. Immerhin die elftschnellste Rennrunde drehte Massa mit 3,419 Sekunden Rückstand, Heidfeld fehlten auf Platz 16 liegend 3,837 Sekunden.
Kurzprognose:
Dass Prognosen schwierig sind, das merkte das Sauber-Team in Spa sehr deutlich, denn man rechnete dort eigentlich mit einem konkurrenzfähigen Rennen. Doch realistisch gesehen sollte der Sauber schon in Monza wieder gut funktionieren. Doch Fakt bleibt: Für die die Formel-1-Teams der dritten Klasse wird die Luft verdammt dünn und die Chance auf Punkte bleibt gering. Ob Rang vier aus diesem Grund noch möglich ist, ist mehr als fraglich.
Jordan-Honda ? 7 WM-Punkte ? Platz 6
Das Jordan-Honda-Team war in Belgien schwächer unterwegs als erwartet. Vor allem Giancarlo Fisichella enttäuschte mit einem 14. Startplatz und im Rennen mit einer schnellsten Rennrunde, die nur zu Platz 15 mit 3,793 Sekunden Rückstand reichte. Dann auch noch mit einem Motorschaden auszufallen, tröstet nicht.
Takuma Sato hinterließ einen gemischten Eindruck. Auf der einen Seite war der Japaner im Qualifying nicht viel langsamer als "Fisico", im Rennen mit 3,710 Sekunden Rückstand sogar auf gleichem Niveau. Aber der Formel-1-Neuling fabrizierte im Warm Up wieder einmal Kohlefaserschrott und das auch noch völlig unnötig. Wie alle anderen Bridgestone-Teams litt Jordan unter dem im Vergleich zum Michelin-Reifen unterlegenen Material.
Kurzprognose:
Das Jordan-Team wird es schwer haben, in den letzten Rennen noch einen WM-Punkt einzufahren, aber Giancarlo Fisichella ist immer eine Überraschung zuzutrauen. Wer sagt denn, dass es nicht noch einmal ein Regenrennen gibt? Zumindest der sechste Platz in der WM-Wertung scheint für das Team relativ sicher zu sein.
BAR-Honda ? 5 WM-Punkte ? Platz 7
Olivier Panis war der Pechvogel des Rennwochenendes. Gleich drei Mal verabschiedete sich der Honda-Motor im Heck seines Autos - im Training, Qualifying und Rennen. Jacques Villeneuve hatte da mehr Glück, er war im Qualifying (bester Nicht-Ferrari-Fahrer auf Bridgestone-Reifen) wie im Rennen schneller als der Franzose und zeigte einige aufregende Überholmanöver. Im Rennen fehlten dem Kanadier 2,611 Sekunden auf die Bestzeit, das bedeutete Rang sieben und macht Mut. Panis war mit 3,099 Sekunden Rückstand auf Platz zehn liegend deutlich langsamer.
Kurzprognose:
Nachdem man während der Saison Fortschritte mit dem Auto machen konnte, scheint man nun auf diesem Niveau zu stagnieren. Zurzeit scheint man einen Tick besser zu sein als Jordan, was auch das Ziel sein muss, ist man doch mit dem gleichen Motor unterwegs. Aus diesem Grund gilt im Prinzip das Gleiche wie für Jordan: Punkte sind nur mit viel Glück noch möglich.
Jaguar ? 4 WM-Punkte ? Platz 8
Der Jaguar funktionierte in Belgien viel besser als bei den letzten Rennen. Die schnellen Kurven und die langen Geraden liegen dem Auto. Dies ist auch kein Wunder, denn die Aerodynamik des Autos ist wesentlich besser als die Mechanik - der starke Cosworth-Motor sowie die gut funktionierenden Michelin-Reifen haben ihr Übriges dazugetan. Außerdem scheint die modifizierte Vorderradaufhängung das Team einen Schritt nach vorne gebracht zu haben.
So gelang es Eddie Irvine auf den sechsten Platz zu fahren und damit einen wertvollen WM-Punkt zu holen. In seiner schnellsten Rennrunde fehlten dem Iren auf Platz 12 liegend 3,653 Sekunden. Da war Teamkollege Pedro de la Rosa mit Platz 8 und 3,045 Sekunden Rückstand schneller. Am Auto des Spaniers krachte allerdings bei über 300 km/h die Hinterradaufhängung zusammen. Ein Defekt, der einem Team nicht passieren sollte.
Kurzprognose:
Eddie Irvine holte in Belgien vor allem deshalb einen WM-Punkt, weil vor ihm Autos ausfielen und weil die Michelin-Reifen überlegen waren. Wenn auch nur ein Faktor davon nicht stimmt, dann gibt es keine WM-Punkte mehr. Mit anderen Worten: Punkte sollte man sich für die letzten drei Rennen besser nicht ausmahlen. Eine Überraschung ist Irvine in Suzuka zuzutrauen, denn da war er immer extrem stark.
Minardi-Asiatech ? 2 WM-Punkte ? Platz 9
Dass die schwarzen Rennen von Minardi ganz hinten stehen würden, war nicht verwunderlich, denn dem Auto mangelt es derart an Motorpower, dass in der kommenden Saison kein Team mit den Asiaten zusammenarbeiten möchte, obwohl es den Motor kostenlos gibt. So bildete man wie erwartet im Qualifying und Rennen das Schlusslicht.
Mark Webber musste im Rennen sein Auto schon in der fünften Runde mit einem Getriebeschaden abstellen, Teamkollege Anthony Davidson musste seinen Boliden hingegen nach einem Fahrfehler im Kiesbett parken. Bei seinem zweiten und vorerst letzten Formel-1-Rennen stand der Brite deutlicher im Schatten von Mark Webber als noch in Ungarn.
Kurzprognose:
Das Team von Paul Stoddart wird auch in den letzten drei Rennen der Saison das Schlusslicht bilden, alles andere wäre verwunderlich.
Toyota ? 2 WM-Punkte ? Platz 10
Das Toyota-Team konnte seit langem wieder einmal einen guten Eindruck hinterlassen. Das lag vor allem daran, dass Spa ein schneller Kurs ist und man nur an einer Stelle über die Randsteine fahren muss ? die größte Schwäche des TF102. Die Top-Speeds des Autos zeigten, dass im Heck ein bärenstarker Motor arbeitet. Mika Salo sah als undankbarer Siebter die Zielflagge, Teamkollege Allan McNish landete zwei Plätze dahinter auf Rang neun.
Kurzprognose:
Wenn das Team die Probleme mit dem Überfahren der Randsteine in den Griff bekommt, sollte auch in Monza ein Platz in den Top 10 möglich sein, zumal man dort wie auch in Spa testen konnte. Einen ersten Hinweis darauf wird man diese Woche bei den Tests erhalten. Punkte jedoch sind und bleiben schwierig herauszufahren.
Arrows-Cosworth ? 2 WM-Punkte ? Platz 11
Das Arrows-Team reiste nach Belgien um dann doch nicht zu fahren. Wie es mit dem Team weiter gehen wird, weiß keiner. Vielleicht wird dem Team schon für Monza die Lizenz entzogen, vielleicht geht das Team dort aber auch schon wieder mit zwei Fahrern an den Start.

