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Beitske Visser: Red Bulls Antwort auf die Männerdomäne

Seit dieser Saison hat die 18-jährige Niederländerin Beitske Visser einen Red-Bull-Vertrag in der Tasche, doch der Weg zur neuen Frauenhoffnung ist noch sehr weit

(Motorsport-Total.com) - Denkt man an Frauen und die Formel 1, dann fallen den meisten Personen wohl als allererstes die Grid-Girls ein, die in der Startaufstellung die Fahrerschilder hochhalten und aufreizend dabei lächeln. Alteingesessene Fans dürften hingegen auch noch an die Zeit der Boxenluder denken, die mit Katie Price bei Jordan wohl ihren Höhepunkt hatte. Doch eine weibliche Fahrerin assoziieren wohl nur die wenigsten, denn seit 1992 ist keine mehr im Blickfeld aufgetaucht.

Titel-Bild zur News: Beitske Visser

Beitske Visser stellt sich dem Kampf gegen die weiblichen Klischees Zoom

Okay, Susie Wolff hängt seit einiger Zeit im Umfeld von Williams rum und kam kürzlich auch zu Testehren beim Young-Driver-Test in Silverstone. Die größten Schlagzeilen lieferte zuletzt aber Maria de Villota - allerdings waren es keine positiven. Der Testunfall, bei dem die Spanierin schwer verletzt wurde, hat dem Ansehen der Frauen im Motorsport wohl eher geschadet, als dass er nützliche Aufmerksamkeit generieren konnte.

Dabei wünscht sich Bernie Ecclestone schon seit längerem wieder eine Frau im Starterfeld. Besonders die US-Amerikanerin Danica Patrick hatte es ihm angetan, doch sie wollte den Sprung über den großen Teich nicht wagen. Und große Unterstützung fand sie seitens der Teams auch nicht - besonders Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko lehnte sich im Februar dieses Jahres weit aus dem Fenster: "Danicas Ergebnisse in Straßenrennen reichen nicht. Wir suchen Fahrer nach Leistungen aus, nicht nach Quote."

Ein Unfall als positiver Knackpunkt

Harte Worte des Österreichers, doch überraschend tauchte nur zwei Monate später ein anderer Name in der Nachwuchsschmiede des Getränkeherstellers auf: Beitske Visser - die erste Frau im Red-Bull-Talentpool. Gerade einmal ihre erste Saison im Formelsport hatte die 18-Jährige 2012 absolviert: In der Formel ADAC holte sie zwei Saisonsiege und den achten Gesamtrang - und somit die Aufmerksamkeit von Red Bull.

Dabei wäre für die Niederländerin sogar noch mehr drin gewesen, doch das Wochenende in Zandvoort machte ihr einen Strich durch die Rechnung - und war doch sogleich der Auftakt des Karriereaufschwungs. Nach einem Unfall im Qualifying wurde sie zur Untersuchung ins Krankenhaus gebracht. "Im Krankenhaus wurden keine groben Verletzungen festgestellt", erzählt sie unaufgeregt gegenüber 'Spox'. "Ich bekam Schmerzmittel. Das erste Rennen verpasste ich, das letzte konnte ich gewinnen."

Der Clou: Eine Woche später revidierten die Ärzte das Untersuchungsergebnis. Visser erlitt eine schwere Rückenverletzung und musste erst einmal aussetzen. Dass sie das Rennen in Zandvoort dennoch gewann, rang vielen Kollegen Respekt ab. Die Belohnung der Saison folgte mit dem Einberufen in den Red-Bull-Nachwuchskader. Schon im Frühjahr durfte sie der Fabrik in Milton Keynes einen Besuch abstatten.

Red-Bull-Angebot als willkommene Gelegenheit

Dort wurden die Rahmenbedingungen für eine Unterstützung geklärt. Derzeit ist sie regelmäßig vor Ort, um sich auf höhere Aufgaben vorzubereiten. "Darüber hinaus wird mir beim physischen Training geholfen. Wenn ich mein Programm ordentlich bestreite, kann ich die Anforderungen der Formel 1 erfüllen", weiß sie. Tritt sie vielleicht irgendwann sogar in die Fußstapfen von Sebastian Vettel? Der Druck und die Aufmerksamkeit sind auf jeden Fall schon sehr hoch, wenn man es als Frau in den Kader von Red Bull schafft.

Doch Visser winkt ab: "Ich verspüre keinen Druck. Mein Ziel ist, zu gewinnen. Red Bulls Ziel ist, zu gewinnen." Zudem weiß die 18-Jährige die Geste des aktuellen Premium-Teams in der Formel 1 zu schätzen: "Jeder hätte liebend gerne die Unterstützung eines Formel-1-Rennstalls", sagt sie und musste bei der Unterzeichnung keinen Moment zögern - im Gegensatz zu anderen Piloten wie Robin Frijns, der einst ein Red-Bull-Angebot abgelehnt hat und nun in einer Sackgasse steckt.

Ob die Karriere von Visser auf einer Einbahnstraße in Richtung Königsklasse verläuft, dafür ist es noch zu früh zu sagen. In dieser Saison war sie noch einmal mit großen Ambitionen in die Formel ADAC gestartet, doch der aktuell neunte Gesamtrang dürfte nicht zu ihrer Zufriedenheit ausfallen, auch wenn sie am Sachsenring mit einem Sieg erneut beweisen konnte, welches Potenzial in ihr schlummert - auch wenn das Rennen witterungsbedingt vorzeitig abgebrochen werden musste.

Beitske Visser

Die Niederländerin schlug der Konkurrenz in der Formel ADAC so manches Schnippchen Zoom

Zwischen der Nachwuchsserie und der Formel 1 liegen allerdings noch viele Stufen, die es zu erklimmen gilt, deswegen will die Niederländerin es Jahr für Jahr angehen. "Bis in die Königsklasse sind es viele Schritte. So etwas lässt sich nicht planen", sagt die 18-Jährige - und schon gar nicht lässt sich auf Teufel komm raus eine europäische Danica Patrick züchten. Und um die Vorurteile in einer männerdominierten Sportart loszuwerden, braucht es wohl auch noch mehr als ein paar Achtungserfolge.