• 31.07.2003 14:57

  • von Fabian Hust

Barrichellos Renningenieur ist ein Improvisator

Gabriele Delli Colli erklärt, wie man bei Ferrari durch Arbeitsteilung versucht, konkurrenzfähiger zu werden

(Motorsport-Total.com) - Gabriele Delli Colli ist optimistisch für Hockenheim gestimmt, gewann doch Rubens Barrichello das vergangene Rennen in Silverstone. Nun träumt der Italiener natürlich auch von einem guten Ergebnis für den Ferrari-Piloten auf deutschem Boden. Für den 36-Jährigen war die Leistung Barrichellos in Silverstone, der auf Grund seiner sensationellen Überholmanöver viel Lob von den Experten erntete, keineswegs eine Überraschung.

Titel-Bild zur News: Gabriele Delli Colli und Barrichello

Renningenieur Gabriele Delli Colli und Rubens Barrichello

Delli Colli weiß als Renningenieur des Brasilianers genau, wovon er redet. Nachdem Alfa Romeo aus dem Tourenwagensport ausstieg, wechselte der Ingenieur mit dem gelockten Haar zum Minardi-Team in die Formel 1, arbeitete dann auch bei Sauber und Jordan bevor er zum Weltmeister-Team wechselte. Auf Grund seiner Arbeit bei Jordan kennt er ? wie auch Barrichello ? den Rennkurs von Silverstone wie seine eigene Westentasche.

Ferrari war für Silverstone gut gerüstet

"Es war auch eine der Strecken, auf der wir vor dem Rennen testen konnten", so Delli Colli. "Wir wussten aus diesem Grund bereits ziemlich genau, wie das Auto abzustimmen ist, bevor wir an der Strecke ankamen. Danach war es nur die Frage der Feinabstimmung für das Rennen und im Hinblick auf die aktuellen Bedingungen."

Doch auch auf einem Kurs wie Hockenheim, auf dem das Team seit einem Jahr nicht mehr gefahren ist, reist man mit einem ordentlichen Setup an, das man dank Simulationen sogar für den neuen F2003-GA herausfinden konnte. Dank der Basisabstimmung kann sich das Team viel Zeit und wertvolle Kilometer sparen, was eine maximale Zahl an frischen Reifensätzen sichert.

Bei Ferrari arbeiten die Fahrer zusammen

Hinzu kommt, dass man bei Ferrari trotz aller Rivalität zwischen den Fahrern zusammenarbeitet und Informationen austauscht, um ein gutes Setup zu finden: "Am Ende des Tages ist es doch wichtig, dass Ferrari gewinnt. Wir sind ein Team und ich arbeite für Ferrari. Es ist egal, wer gewinnt. Der Idealfall ist der, bei dem beide Autos gut sind. Das ist das Hauptziel meiner und der Arbeit des Teams."

"Ich weiß, dass Außenstehende vielleicht denken, dass das Team in zwei Teile aufgespaltet ist. Es gibt zwei Rennautos und die Zusammenarbeit ist sehr offen. Wenn ich oder Michaels Ingenieur etwas gut findet, dann teilen wir die Information. Wir sind dazu verpflichtet, die Arbeitslast zu teilen, denn während einem Rennwochenende haben wir sehr wenig Zeit. An einem Auto arbeitet man so in die eine, am anderen Auto in die andere Richtung. Vor dem Qualifying oder vor dem Rennen haben wir eine offene Diskussion über das, was getan werden muss und wir versuchen, das Herausgefundene miteinander zu teilen."

Nur wenige Unterschiede zwischen den Fahrern

"Die meiste Zeit über sind sich die beiden Autos sehr ähnlich. Das Grundsetup des Autos ist ähnlich und es sind nur sehr kleine Details, die jeder Fahrer vorzieht. Es ist wie ein Anzug, die Form ist die gleiche, aber dennoch gibt es Kleinigkeiten anzupassen, da die Fahrer unterschiedlich fahren. Wir müssen uns die Arbeit teilen, denn ansonsten würde es zu viel Zeit kosten. Es ist normal, dass sich zum Beispiel ein Fahrer auf die Reifen und der andere auf den Abtrieb oder sonst etwas konzentriert. Am Abend entscheiden wir dann, was die beste Variante ist."

"Wir kennen die Unterschiede unserer beiden Fahrer, was ihre Vorlieben für das Setup angeht. Bei jeder Fahrt auf die Strecke sammelt Ross Brawn Informationen über beide Autos und dann versorgt er alle über Informationen bezüglich der guten Dinge, die wir herausgefunden haben und jene, die nicht funktioniert haben. Ansonsten würde man kein gutes Rennergebnis zustande bekommen."

Trotz Computer ist der Renningenieur wichtig

In der heutigen Zeit werden so gut wie alle Parameter des Autos von der Telemetrie überwacht. Braucht man da überhaupt noch einen Renningenieur in der klassischen Form? Laut Gabriele Delli Colli definitiv, denn es geht nichts über einen Techniker, der die Strecke, das Auto und den Fahrer genau kennt. "Ein Renningenieur muss auch einmal in der Lage sein zu improvisieren. Die Telemetrie kann später nur schwarz auf weiß die Bestätigung dafür liefern, ob man mit der Entscheidung richtig gelegen ist oder nicht.

"Die Improvisation ist immer noch ein großer Teil des Renningenieur-Jobs", so Delli Colli. "Man kann alles simulieren und man wird durch die Programme sehr gut unterstützt. In der Fabrik gibt es auch eine Menge Leute, die die Daten studieren. Jedoch ist es wichtig, dass man in Sachen Improvisation den richtigen Moment kennt, in dem man etwas am Auto verändern muss oder die Reifenwahl trifft. Es sind die kleinen Details, mit deren Hilfe man das Beste aus dem Auto-Setup und dem ganzen Paket, was die Reifen, die Abtriebslevel und so weiter angeht, herausholt."

Simulationen als Hauptwerkzeug

"Die Simulationen sind gut, denn man kann so viele Dinge vorbereiten. Aber die Erfahrung sagt einem, wann die passende Situation zu jedem Zeitpunkt eines Rennwochenendes ist. Man kann sich die verschiedensten Lösungen ausdenken und somit gut vorbereitet sein. Das schwierige an meinem Job ist es, zur richtigen Zeit gerüstet zu sein. Manchmal ist es der richtige Moment, um etwas auszuprobieren, manchmal, um einen Schritt zurück zu machen und das Auto vielleicht so zu lassen, wie es ist. Für einen Fahrer ist es die Frage, ob er in das Auto Vertrauen haben kann. Es ist besser für den Fahrer, wenn er ein Auto fährt, dessen Limit er kennt."

"Man muss wissen, wann ein Fahrer auf die Strecke gehen muss, wann man sich besser eine Lösung ausdenken sollte, um das Auto schneller zu machen. Es gibt den allgemeinen Glauben, dass unsere Arbeit in der Zukunft sogar noch mehr durch Computer kontrolliert werden wird. Aber schlussendlich sind Fahrer Menschen und manchmal ist es schwierig, sie zu verstehen. Die Aufgabe eines Renningenieurs ist es, sie zu verstehen und zu wissen, wann die richtige Zeit ist, um etwas zu tun."