Barrichello: "Wir müssen nachlegen"
Brawn-Pilot Rubens Barrichello im Interview über das Rennen in Ungarn, das Balance-Problem bei seinem Team und den Besuch bei Felipe Massa
(Motorsport-Total.com) - Für Rubens Barrichello begann das Rennwochenende in Ungarn nicht gerade toll: Der Brasilianer verpasste in der Qualifikation den Einzug in die Top 10 und stand auch im Rennen auf verlorenem Posten. Wie er im Interview nach dem Grand Prix verriet, zieht es den Brawn-Piloten nun an die Seite seines Freundes Felipe Massa ins Krankenhaus und anschließend zu seiner Familie.

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Brawn-Pilot Rubens Barrichello konnte in Ungarn nicht in die Punkteränge fahren
Frage: "Rubens, an den jüngsten Rennwochenenden spielte das Wetter Red Bull in die Karten, doch in Ungarn hätte eigentlich Brawn besser dastehen sollen. Was ist passiert?"
Rubens Barrichello: "Wir haben die Ergebnisse der beiden vergangenen Rennen im Prinzip auf das kalte Wetter geschoben. Wir sind felsenfest davon überzeugt gewesen, an diesem Wochenende deutlich besser abzuschneiden. Am Freitag haben wir eine gute Leistung gezeigt. Das war in Ordnung, denn wir konnten konstante Rundenzeiten hinlegen. Alles hat gepasst. Am Samstag waren wir nicht so konkurrenzfähig. Ich persönlich denke, dass mein Wochenende in Bezug auf das Setup und die Geschwindigkeit sogar besser war, als das von Jenson."#w1#
"Er hatte allerdings auch ein Problem. Weil ich Schwierigkeiten mit den hinteren Federn hatte, musste auch er diese Teile ebenfalls auswechseln lassen. Dadurch hatte er nur eine schnelle Runde in der Qualifikation. Hätten wir nicht dieses Problem gehabt, dann hätten wir uns für die Top 4 qualifizieren können. Davon bin ich überzeugt. Damit hätten wir auch ein komplett anderes Rennen gehabt. Heute hat mich Buemi getroffen und ich rutschte von der Strecke. Dadurch war ich ganz hinten."
"Mit meiner Geschwindigkeit hätte ich aber durchaus Sechster werden können. Realistisch betrachtet muss man einfach festhalten: Glock war hinter mir und er konnte nicht so gute Rundenzeiten fahren wie ich. Wir hatten eben ein Meeting und haben dabei besprochen, in welcher Phase des Rennens das Auto gut lief oder schlecht. Wir müssen nun unsere Fabrik für eine gewisse Zeit schließen und einen klaren Kopf bewahren, bis sich die Tore unseres Werkes wieder öffnen."
"Dann wollen wir schließlich zurückkommen. Die anderen haben sich sehr stark verbessert - wir allerdings nicht. Einige unserer Probleme könnten eventuell von den Bodenwellen auf dieser Strecke verursacht worden sein. Das war eigentlich einmal eine unserer Stärken. Mit der neuen Aerodynamik-Ausbaustufe fühlt sich das Auto zwar generell besser an, aber eben nicht auf den Bodenwellen. Als ich hinter anderen Fahrzeugen lag, habe ich das extrem gespürt."
Brawn in Zugzwang
Frage: "Wisst ihr schon, wo bei euch die Probleme lagen? Waren es bei einem bestimmten Rennen zum Beispiel die Reifen oder wo lagen eure Schwierigkeiten?"
Barrichello: "Das ist alles sehr seltsam. Nach einem unserer Meetings habe gab ich einem Reifentyp den Vorzug, Jenson fand den anderen besser. Es ist also alles eine Frage der Balance. Wir reden hier nicht über Grip. Der von den Reifen bereitgestellte Grip verschafft uns lediglich etwas mehr Unter- oder Übersteuern. Wenn also eine Reifenmischung Balance bietet, dann ist das unsere Wahl."
"Das wirklich Verrückte ist aber, dass wir eine unterschiedliche Wahl treffen - dabei sind unsere Fahrstile durchaus ähnlich. Daher müssen wir schauen, ob wir etwas am Auto finden. Wir sollten jedenfalls nicht dafür beten müssen, dass sich die Wolken rechtzeitig vor dem Start verziehen mögen. Es war ja nicht immer so. Zu Saisonbeginn funktioniert unser Fahrzeug einfach - unabhängig von den Temperaturen. Aktuell haben wir eben etwas mehr zu kämpfen."
Frage: "Du hast schon früher mit Ross zusammengearbeitet. Bist du zuversichtlich, das Ruder noch einmal herumreißen zu können?"
Barrichello: "Ich denke schon. Das Team steht im Augenblick allerdings etwas mehr unter Druck. Ich liege 26 Punkte hinter Jenson und sehe die Situation als sehr offen an. Das ganze Team muss nun einfach die Ruhe bewahren. Wir haben einige gute Leute. In den vergangenen drei Rennen lief irgendetwas nicht wirklich rund. Wir müssen jetzt das gesamte Fahrzeug peinlich genau untersuchen, ob es da irgendein Teil gibt, das den Ausschlag zum Positiven oder zum Negativen gegeben hat."
Frage: "Rückt ein Sieg für dich auf Brawn immer weiter in die Ferne, je länger die Saison dauert?"
Barrichello: "Wenn ich Jenson wäre und 18,5 Punkte in Führung liegen würde, dann würde ich mir überhaupt keine Sorgen machen. Wir haben gerade keinen positiven Schwung, doch das Team steht sehr eng zusammen. Wir haben uns zu Beginn der Saison einen guten Vorsprung aufgebaut und müssen nun eben noch einmal nachlegen. Ich denke, das ist drin für uns."
Barrichello macht Urlaub mit der Familie
Frage: "Die beiden ersten Autos hatten KERS an Bord. Ist das ein Zufall oder liegt das möglicherweise an den Charakteristiken dieser Strecke?"
Barrichello: "Ich habe schon am Donnerstag betont, dass KERS hier auf diesem Kurs den größten Effekt haben könnte. Das war auch schon in Monaco der Fall. Damals hat Ferrari vor allem in der Qualifikation davon profitieren können. Das ist also sicherlich kein Zufall, doch die Strecke begünstigt das natürlich. Bei den anderen Kursen dürfte das nicht so sehr der Fall sein."
Frage: "Du hast Felipe bereits gestern Abend einen Besuch abgestattet. Wirst du auch heute noch einmal bei ihm vorbeischauen?"
Barrichello: "Ja, das werde ich tun."
Frage: "Warum machst du das?"
Barrichello: "Das habe ich schon den brasilianischen Fans gesagt: Wenn ich irgendwie helfen kann, dann will ich das tun. Manchmal verderben zu viele Köche den Brei. Die gesamte Familie ist da. Ich möchte zu ihm gehen und wünsche mir sehr, ihn zu sehen. Leider konnte ich ihn gestern Abend nicht besuchen, doch das würde ich sehr gerne nachholen. Aber wenn ich an Felipe denke, dann muss ich gleichzeitig auch an meine eigene Familie und an meine Kinder denken."
"Das ist ein sehr emotionaler Moment für mich und nagt in gewisser Weise an mir. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht während des Rennens daran gedacht hätte. Er ist ein guter Freund von mir. Es liegt nicht daran, dass die Feder von meinem Auto weggeflogen ist. Deswegen ist es nicht. Er hätte dasselbe für mich getan und nur darum geht es. Wenn ich also behilflich sein kann, dann werde ich das tun. Wenn nicht, dann wartet meine Familie bereits auf mich."
Frage: "Wie lauten deine Pläne für den Sommerurlaub?"
Barrichello: "Meine Familie ist schon in Amerika. Die Kids haben noch eine Woche Ferien, ehe sie wieder in die Schule müssen. Das ist also das Wichtigste. Ich werde also dorthin gehen, eine Woche dort verbringen und dann wieder nach Brasilien fliegen."

