Barrichello: "Mache nur Platz wenn ich muss"
Der Brasilianer im Interview über seinen Teamkollegen, die Konkurrenz, seine Zukunft bei Ferrari und die neue Saison
(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Nur noch zwei Wochen dauert es bis die neue Formel-1-Saison mit dem Großen Preis von Australien endlich beginnt. Für Ferrari-Pilot Rubens Barrichello wird es das dritte Jahr bei Ferrari sein. Viele Kollegen beneiden den Brasilianer zwar um sein Cockpit bei Ferrari, jedoch nicht um seinen Teamkollegen, den Martin Brundle als "Killer" bezeichnet und von dem Eddie Irvine, von 1996 bis 1999 Teamkollege des Deutschen, noch immer nachhaltig beeindruckt ist. In der Saison 2000 konnte Rubens Barrichello mit seinem ersten Sieg beim Deutschland-Grand Prix kurzzeitig aus dem Schatten Schumachers hervortreten, 2001 gelang ihm das schlussendlich nicht so, wie er sich das gewünscht hatte. Was letztes Jahr war ist für den 29-Jährigen aber nicht mehr wichtig. Denn dieses Jahr, so kündigte der Mann aus Sao Paulo kürzlich an, wolle er seinem deutschen Teamkollegen noch gefährlicher werden und allen Kritikern beweisen, dass er sich hinter Michael Schumacher nicht verstecken muss.

© Shell-Ferrari
Barrichello will 2002 aus Schumachers Schatten hervortreten
Im Interview sprach "Rubhino", wie ihn seine Fans nennen, über die Last Michael Schumachers Teamkollege zu sein, den
Nummer-2-Status bei Ferrari, die bevorstehende Saison, seine Stärken und Schwächen und das neue Auto, den F2002.
Frage: "Rubens, wie schneidet Michael ab, wenn du ihn mit den großen Fahrern der frühen Jahre der Formel 1 vergleichst?"
Rubens Barrichello: "Als Rennfahrer sehe ich ihn als sehr talentierten Piloten. Er hat in der modernen Ära neue Rekorde aufgestellt die erst einmal gebrochen werden wollen. Aber ich werde nie wissen, ob er der beste Fahrer der Welt ist. Ich bin hier und trete gegen ihn an und habe die Chance ihn zu besiegen, aber das was er erreichen kann beeindruckt auch mich. Ich bin in Sachen Speed nicht viel langsamer als er. Was das Erreichte angeht jedoch schon. Aber wenn ich ihn beginne zu besiegen, dann weiß ich, dass ich sehr gute Arbeit leiste. Um auf die ursprüngliche Frage zurückzukommen, so muss man sagen, dass wir nie wissen werden wie gut Michael in Relation zu Ayrton Senna oder Juan-Manuel Fangio ist. Man kann das einfach nicht wirklich miteinander vergleichen."
Frage: "Du bist die Nummer 2 bei Ferrari. Was für ein Gefühl ist das?"
Barrichello: "Nun, ich denke nie, niemals, dass ich nicht gewinnen kann. Würde ich das tun, dann wäre es Zeit aufzuhören. Man hat zwei Optionen im Leben: glücklich aufzuwachen oder unglücklich aufzuwachen. Ich habe mich für die erste Option entschieden. Jedes Jahre wächst meine Motivation und ich bin auch sehr zufrieden mit meiner jetzigen Fitness. Ich habe eine Menge trainiert in der letzten Zeit. In dem Moment in dem ich in das Auto steige, beginne ich zu leben. Letzte Saison nach dem Rennen in Österreich war es scher zu verdauen, dass ich Michael zu einem so frühen Zeitpunkt in der Saison vorbeilassen musste. Aber ich konnte damit umgehen. Dieses Jahr will ich einfach nur fahren, mein Bestes geben und ich bin sicher, dass ich das tun werde. Ich sage nicht, dass ich auf einem neuen Leistungslevel angelangt bin, aber ich bin zuletzt sehr gut gefahren."
"Die Qualifikation ist einer meiner starken Bereiche"
Frage: "Vergangene Saison warst du auffallend gut in den Rennen, jedoch weniger stark in der Qualifikation. Woran hat das gelegen?"
Barrichello: "Ehrlich gesagt bin ich gar nicht unzufrieden wie ich mich in den Qualifikationssitzungen verkauft habe. Wenn du mich allerdings fragen würdest was einer meiner starken Bereiche sind, dann würde ich schon sagen die Qualifikation. Letztes Jahr war die Kommunikation zwischen mir und den Ingenieuren oder unser Timing nicht immer optimal. Irgendetwas passte da immer nicht. Das Auto war in den Rennen immer gut, jedoch fehlte ihm ein wenig Speed in der Qualifikation. Manchmal hatte ich mit massigem Untersteuern zu kämpfen und konnte das einfach nicht rechtzeitig abstellen. Am Sonntagmorgen war das dann aber alles besser. Ich bin dieses Jahr für die Qualifikationen sehr gut vorbereitet. Die Qualifikation ist schließlich das, was ich liebe. Das Tempo, welches man aus dem Auto herausholen kann, beeindruckt mich."
Frage: "Was rechnest du dir mit dem neuen Auto aus?"
Barrichello: "Schwer zu sagen, denn ich konnte noch keine Runde damit fahren und das sollte ich erst einmal tun. Auf jeden Fall ist es sehr stark verändert. Wir haben vermutlich mehr Sachen verändert als die anderen Teams. Die Heckpartie ist total neu. Es war auch schön die Entwicklung dieses Autos von Beginn an mitzubekommen. Ich habe die Entwürfe gesehen, war im Windkanal, saß im Auto und habe schon mit den Knöpfen am Lenkrad spielen können."
Frage: "Du hast vorhin den Österreich-Grand Prix angesprochen. Würdest du dieses Saison unter ähnlichen Umständen ohne dich zu beklagen wieder Platz machen?"
Barrichello: "Wenn ich muss schon. In einer Situation wo das Team der Meinung ist dass es okay ist ja. Aber man hat mir versichert, dass wenn ich um den ersten Platz kämpfe, ich nicht den Weg frei machen muss."
"80 Prozent von dem was man hört sind Gerüchte"
Frage: "Glaubst du, dass du noch lange Zeit bei Ferrari bleiben wirst?"
Barrichello: "Das ist eine Möglichkeit. Natürlich ist es für jeden außerhalb des Teams leicht zu denken, dass das Team mit Michael, Ross Brawn und Rory Byrne so stark ist, dass, egal was mit mir passiert, Ferrari weiter beide Weltmeisterschaften gewinnen wird. Ich denke da jedoch etwas anders. Ich bin auch einer der Fahrer des Teams und ich kümmere mich auch darum was um mich herum passiert. Ich liebe es bei der Verbesserung des Setups des Autos zu helfen. Testen bedeutet nicht nur seine Runden zu fahren, sondern auch, dass man Probleme angeht und diese aussortiert. Ich habe meinen Teil in den letzten Jahren zum Gewinn der Meisterschaftstitel beigetragen. Nicht nur indem ich Punkte holte, sondern auch indem ich für Michael das Auto verbesserte. Also ist es eine Möglichkeit beim Team zu bleiben. Wir sprechen über diese Sache aber noch nicht jetzt, weshalb es zu früh ist darauf näher einzugehen. Die Leute haben sich meiner Meinung nach schon über zu viele Gerüchte den Kopf zerbrochen. Ich könnte auch ein Gerücht in die Welt setzen und es würde immer weiter ausgewälzt... In Brasilien kursieren derzeit so viele Spekulationen... Mein Vater sagt immer, dass dort wo Rauch ist, auch Feuer sein muss. Wenn also jemand eine Menge über etwas sagt, dann könnte da etwas wahres dran sein. Auf der anderen Seite sind 80 Prozent von dem was in der Formel 1 gesagt wird Gerüchte und nur 20 Prozent Wahrheit. Besonders zu Beginn eines Jahres. Ich sehe aber dich Möglichkeit beim Team zu bleiben. Ich denke, dass wir unsere Hochs und unsere Tiefs hatten, aber wir kommen gut miteinander aus und ich mag die Arbeit mit dem Team. Ich denke auch, dass sie gerne mit mir zusammenarbeiten. Wenn sie mich über Dinge des Autos fragen, dann merke ich immer den Respekt den sie mir gegenüber haben."
Frage: "Die Fans stellen sich die Frage, ob euer Auto für das erste Rennen bereit sein wird?"
Barrichello: "Wir sind für alles in den ersten drei Rennen vorbereitet. Wir haben das 2001er-Auto als Versicherung für den Fall der Fälle. Mit dem neuen Motor habe ich bei den Tests in Mugello eine Distanz von 400 Kilometern abspulen können und es war also ein erfolgreicher Test. Natürlich ist da immer ein Risiko, wenn man das neue Auto so spät vorstellt, denn 15 Tage zum Aussortieren möglicher Probleme sind einfach ziemlich wenig. Aber Ferrari ist so auch schon in den letzten Jahren verfahren. Wenn es ein Problem gab, dann konnte man es auch lösen. Also hoffe ich, dass es dieses Jahr genauso sein wird. Wenn wir uns gegen das Risiko und gegen den Einsatz des F2002 entscheiden sollten, dann werden wir mit dem alten Auto aber immer noch sehr schnell sein."
Frage: "Wen siehst du als Ferraris größte Gegner in diesem Jahr?"
Barrichello: "Ich denke, dass die beiden McLaren und die zwei Williams-Fahrer auch große Chancen haben Rennen zu gewinnen. Es ist alles möglich. Ralf Schumacher hatte im letzten Jahr eine sehr gute erste Saisonhälfte und Juan-Pablo Montoya war in der zweiten Hälfte sehr gut. David Coulthard ist ebenfalls in einer guten Ausgangsituation, um Punkte und einige Siege zu holen. Kimi Räikkönen ist noch neu und wir wissen nicht so recht was wir von ihm erwarten können. Aber ich bin sicher, dass unsere Vorstellung besser sein wird als im letzten Jahr."

