• 22.11.2001 17:19

  • von Fabian Hust

Barrichello: "Ich war von Räikkönen sehr beeindruckt"

Im ausführlichen Interview spricht Barrichello über Kimi Räikkönen und seine Chancen an der Seite von Michael Schumacher

(Motorsport-Total.com/Haymarket) - Frage: "Wie lautet dein Fazit der Saison 2001?"
Rubens Barrichello: "Ich denke, dass ich sehr gut in die Saison gestartet bin. Ich war sehr gut auf das vorbereitet, was ich mir vorgenommen hatte. Aber ich denke, dass in diesem Jahr die Resultate nicht großartig waren. Ich verlor in Australien eine Position, da mein Auto beschädigt wurde, als ich mit Frentzen aneinander geriet. Ich verlor in Malaysia eine Position, weil mein Auto sich in seine Bestandteile auflöste, als ich von der Strecke gerutscht bin. Irgendwie hatte ich also ein wenig Pech."

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello weiß nicht, welchen Status er 2002 im Team haben wird

Frage: "Gab es Rennen, die du genossen hast, weil du in der Lage warst, Druck zu machen und Leute zu überholen?"
Barrichello: "In diesem Jahr denke ich, dass ich mein bestes Rennen in Ungarn hatte. Ich konnte dort den Speed von Michael mitgehen und dann musste ich mich ein wenig zurückfallen lassen, da Coulthard in einer Position war, in der er hätte unsere Strategie zunichte machen können. Und dann kam ich wieder sehr stark zurück. Er überholte mich, ich musste dran bleiben, aber das Auto fühlte sich nicht gut an, bis es plötzlich wieder besser wurde. Ich konnte also den Kontakt halten. Ich bin der Meinung, dass Ungarn eines der körperlich anstrengendsten Rennen war, aber ich überstand es. Das war sehr befriedigend. Aber das einfachste Rennen, Monza, das hätte ich gewinnen sollen. Ich denke, dass es ziemlich offensichtlich war, dass dies möglich gewesen wäre. Ich hätte es gerne für die Tifosi getan und für Zanardi."

Frage: "Und in Brasilien warst du wieder einmal ziemlich frustriert?"
Barrichello: "Brasilien war frustrierend, aber es war in gewisser Weise mein Fehler. Nachdem mein Auto bei der Einführungsrunde stehen blieb, musste ich mich bei jemand wie Gott bedanken, dass ich wieder im Rennen war. Ich war ziemlich aufgewühlt. Der Start funktionierte nicht, ich musste also manuell starten. Ich verlor Positionen, überholte in der ersten Runde zwei Leute, in der zweiten Runde hätte ich aus diesem Grund etwas langsamer machen sollen. Ich war aber auch auf einer Zwei-Stopp-Strategie, musste also Zeit gut machen. Ich hatte nie erwartet, dass Ralf so früh bremsen würde. Aber er entschied sich, dass er den Jordan vor ihm nicht packen würde und bremste aus diesem Grund etwas früher. Darauf war ich wirklich nicht vorbereitet. Ich kam voll an und bremste im Qualifying-Stil und krachte dann nur noch in sein Heck. Ich war sehr enttäuscht weil es ein gutes Rennen hätte werden können."

Frage: "Fühlst du dich in deinem zweiten Jahr im Team wohler?"
Barrichello: "Ja, weil ich jeden kenne und ich weiß, wo die Knöpfe sitzen, ich kenne mich in der Strategie besser aus, ich konnte mich mehr einbringen. Es ist einfacher."

Frage: "Befindest du dich jetzt in einer stärkeren Ausgangslage?"
Barrichello: "Ja, grundsätzlich schon. Ich weiß nicht, von wo wir nächstes Jahr in die Saison starten werden. In den letzten Rennen fielen die Entscheidungen zu Gunsten der Bevorzugung 50:50. Normalerweise ist Michael bevorzugter. Ich weiß nicht, wie wir in der nächsten Saison starten werden. Ich war zu Beginn dieses Jahres schneller als Michael. Beim Testen war ich schneller und der Rundenrekord von Mugello ist meiner. Vielleicht ist es die Aufmerksamkeit, die man braucht, damit es einem gelingt. Ich sage nicht, dass er besseres Material wie ich erhalte, aber es ist auf ihn zugeschnitten. Es ist nicht die Frage des schnelleren Fahrens. Man muss sich zeigen. Ich kann im Qualifying Erster oder Zweiter sein und ich kann das Rennen gewinnen. Das Rennen ist das, was zählt."

Frage: "Du hast selbst sehr jung angefangen, jetzt sehen wir eine neue Welle junger Fahrer in den Sport kommen. Was denkst du darüber?"
Barrichello: "Das ist der Lauf der Natur. Ich war von Räikkönnen sehr beeindruckt. Nicht wegen seiner Ergebnisse sondern von der Tatsache, dass er einen Formel Renault fuhr und dann ein Formel-1-Auto. Ich konnte das nicht tun."

Frage: "Ist die Formel 1 also einfacher geworden?"
Barrichello: "Es könnte einfacher sein. Aber als ich zum ersten Mal einen Formel 3000 fuhr, da dachte ich, dass dieser für mich zu schnell ist. Von der Formel 3000 zur Formel 1 ist kein so großer Sprung. Es ist unglaublich, was er geleistet hat. Vielleicht kann er mit vielen Dingen besser leben als andere, da er aus einem Land ohne Emotionen stammt. Wenn er Brasilianer wäre, dann wäre er vielleicht nicht so gut gefahren ? dann hätte er in sich vielleicht auch ein paar Emotionen gespürt."

Frage: "Glaubst du, dass im nächsten Jahr Michelin der entscheidende Faktor sein wird?"
Barrichello: "Williams hatte in diesem Jahr ein sehr gutes Auto und einen sehr guten Reifen. Die Möglichkeit, dass sie sich mehr verbessern ist da, aber es wird schwieriger und schwieriger, wie sie möglicherweise selbst wissen. Ein gutes Auto noch besser zu machen ist schwieriger als ein schlechtes in ein gutes zu verwandeln. Aber man weiß nie. Wir gehen davon aus, dass sie sehr, sehr gut werden und auch McLaren wird gut werden da ich nicht davon ausgehe, dass Adrian Newey das diesjährige Auto sehr gemocht hat, weswegen er etwas anders konstruieren wird."

Frage: "Geht mit der langen Winterpause für dich ein Traum in Erfüllung?"
Barrichello: "Man kann einfach mal komplett abschalten. Wir testen in der Mitte des Jahres so viel, so viele Dinge ? das ist ermüdend. Ich bin so stolz auf Luca Badoer, denn er muss es langsam satt haben, in Fiorano seine Runden zu drehen. Es muss unglaublich sein. Es ist nicht so, dass ich das Testen nicht liebe, aber für alles gibt es eine Grenze. Dein Körper hält es dann nicht mehr aus und du beginnst, Probleme zu bekommen. Jetzt schalte ich komplett ab, lege den Telefonhörer beiseite und bin einfach nur für meine Familie da!"