• 06.05.2011 16:54

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Barrichello gibt Coughlan eine Chance

Rubens Barrichello und Mark Webber halten große Stücke auf Sam Michael, doch Barrichello will auch Mike Coughlan eine Chance geben

(Motorsport-Total.com) - Die Personalrochaden bei seinem Arbeitgeber Williams haben Rubens Barrichello überrascht, denn der Brasilianer wurde nicht vom Team darüber informiert, sondern erfuhr aus den Medien davon. Neuer Chefingenieur wird Mike Coughlan, dafür werden Technikchef Sam Michael und Chefaerodynamiker Jon Tomlinson am Jahresende gehen.

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello

Rubens Barrichello bedauert den Abgang von Sam Michael am Jahresende

Coughlan haftet seit der Spionageaffäre von 2007 in der Branche ein höchst fragwürdiger Ruf an. Denn der damalige McLaren-Ingenieur war es, der geheime Informationen von Ferrari-"Maulwurf" Nigel Stepney in Empfang nahm und für seine Arbeit verwendete. Der Schwindel flog auf, kostete McLaren 100 Millionen US-Dollar und brachte Coughlan eine zweijährige Strafe ein. Die hat er inzwischen abgesessen.

Aus Fehlern lernt man

Barrichello will dem Neuzugang zumindest eine Chance geben: "Ich kenne ihn nicht sehr gut", sagt der Williams-Pilot. "Man hat mich gefragt, ob Williams dadurch in ein schiefes Licht gerückt wird. Finde ich nicht. Menschen lernen nur aus ihren Fehlern. Einen Fehler zu machen und ein besserer Mensch zu werden, ist eben das Leben. Wenn er für nächstes Jahr ein schnelles Auto baut, wird sich keiner mehr an seine Vergangenheit erinnern."

Allerdings macht er auch keinen Hehl daraus, dass er Michael nicht nahegelegt hätte, Konsequenzen aus dem schlechten Saisonauftakt zu ziehen: "Ich bedaure die Bekanntgabe von Sam, denn ich habe schon bei Jordan mit ihm zusammengearbeitet. Bei Williams wieder auf ihn zu treffen, hat mich gefreut", seufzt Barrichello. "Ich bin traurig, dass er geht. Meiner Meinung nach wäre er mit anderen Leuten sehr gut für dieses Team, aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir."


Fotos: Williams, Großer Preis der Türkei


"Es ist Sams Entscheidung", sieht der 38-Jährige ein. "Wir sind ungefähr gleich alt und kommen gut miteinander aus und er arbeitet so, wie ich das will. Er braucht nur den Freiraum, an den Dingen arbeiten zu können, die ihm am meisten liegen. Ich kenne Sam als Kämpfer und ehrlichen Menschen. Er hat gesagt, er wird dieses Auto bis zum letzten Rennen besser machen. Das stimmt mich zuversichtlich. Aber was nächstes Jahr passieren wird, ist mit einem Fragezeichen versehen."

Der längstdienende Grand-Prix-Pilot aller Zeiten ärgert sich darüber, dass er vor den Personalrochaden nicht um Rat gefragt wurde. Außerdem habe er Williams schon mehrere Male auf die Schwachstellen im System hingewiesen, doch man habe seinen Input nicht ernst genug genommen. Dabei hätte man die Trendwende laut Barrichello auch schaffen können, ohne Michael vor die Tür zu setzen.

War Michael auf sich alleine gestellt?

"Sam war mit Sicherheit überlastet", nimmt er den scheidenden Technischen Direktor in Schutz. "Okay, Williams ist im Vergleich zu einigen anderen Teams verhältnismäßig klein, aber wir haben 500 Mitarbeiter in der Fabrik. Force India hat vielleicht nicht einmal die Hälfte. Wir brauchen Änderungen ganz oben, damit alles wieder besser läuft. Das Team arbeitet mit voller Kraft daran, dieses Auto besser zu machen. Sie tun, was sie können."

¿pbvin|512|3622||0|1pb¿"Überrascht vom Umfang der Veränderungen, die das Team vornimmt", ist auch Mark Webber, der 2005 und 2006 für Williams gefahren ist. "Williams ist ein Team, das die Messlatte sehr hoch ansetzt. In den vergangenen Jahren waren sie von ihrer Leistung ziemlich enttäuscht. Sie tauschen nun eine Schlüsselposition aus und die Zeit wird zeigen, ob ihnen das zum Vorteil gereicht oder nicht. Hoffentlich finden sie wieder zurück auf Kurs."

Webber schätzt die Lage ähnlich ein wie Barrichello: "Sam nahm viel Verantwortung auf seine Schultern. Er ist mit sehr viel Leidenschaft bei der Sache. Viele große Entscheidungen im Hinblick auf das Auto nahm er auf seine Kappe, um das Fahrzeug voranzubringen. Er ist zweifelsohne ein sehr talentierter Bursche. Bei Williams befand er sich aber wohl in einer schwierigen Situation. Auch jetzt ist es vermutlich nicht einfach für ihn", so der Red-Bull-Pilot.