• 03.05.2011 14:43

  • von Christian Nimmervoll & Dieter Rencken

Williams: Coughlan "hat noch eine Rechnung offen"

Warum Williams keine Vorurteile gegenüber "Spygate"-Verschwörer Mike Coughlan hat und was der ehemalige McLaren-Mann bei Williams bewegen soll

(Motorsport-Total.com) - Nach dem Abgang von Adrian Newey rückte Mike Coughlan bei McLaren in eine der wichtigsten Positionen innerhalb der Technikabteilung auf. Allerdings wurde seinem Karriere-Höhenflug jäh ein Ende gesetzt, als bekannt wurde, dass er gemeinsam mit Nigel Stepney (Ferrari) der Drahtzieher hinter der Spionageaffäre "Spygate" war.

Titel-Bild zur News: Mike Coughlan

Mike Coughlan möchte seine zweite Chance in der Formel 1 nutzen

Coughlan war in den Skandal, der seinen früheren Arbeitgeber McLaren 100 Millionen US-Dollar Geldstrafe kostete, tief verwickelt. Seine Ehefrau war es, die die fraglichen Ferrari-Unterlagen damals in einem Copyshop kopieren ließ, sodass die Spionage überhaupt erst entdeckt wurde. Doch fast vier Jahre später ist etwas Gras über die Sache gewachsen und der Brite möchte bei Williams ein zweites Mal in der Formel 1 durchstarten.

Wie groß ist Coughlans Hunger?

"Er hat mit der Formel 1 noch eine Rechnung offen", erklärt Adam Parr, Vorstandsvorsitzender des britischen Teams, das den 52-Jährigen zunächst als Chefingenieur unter Vertrag genommen hat. "Ich glaube, dass er seinen Namen und seine Reputation reinwaschen und beweisen möchte, wozu er in der Lage ist." Coughlan wird seinen Dienst in Grove im Juni antreten und könnte ab 1. Januar 2012 zum Technischen Direktor aufrücken.

Dann nämlich, wenn sich Williams entscheidet, anstelle von Sam Michael keinen neuen Mann an Bord zu holen, sondern Coughlan zu befördern. Das gilt als wahrscheinlich, denn: "Als wir uns zusammengesetzt haben, um über die Zukunft zu sprechen, haben mich seine unheimliche Erfahrung, sein Antrieb und seine Leidenschaft tief beeindruckt. Auch Frank und Patrick hatten denselben Eindruck. Also fragten wir ihn, ob er nicht zu uns kommen möchte", erinnert sich Parr.

"Uns ist wichtig, klar verteilte Rollen zu haben. Mike wird als Chefingenieur unsere technische Ausrichtung in Ordnung bringen. Gleichzeitig wird er für den FW34, das nächstjährige Auto, verantwortlich sein. Sam bleibt verantwortlich für den FW33", so der Brite. "Am Jahresende werden wir entscheiden, ob Mike Technischer Direktor wird oder Chefingenieur bleibt und wir ihm einen Neuzugang zur Seite stellen, der das Team als Technischer Direktor zusätzlich verstärken kann."

"Mike wird als Chefingenieur unsere technische Ausrichtung in Ordnung bringen." Adam Parr

Zusätzlich braucht Williams noch "einen neuen Chefaerodynamiker", denn neben Michael wird auch Jon Tomlinson das Team verlassen. Ein neuer Mann soll laut Parr "vor Saisonende" seinen Dienst antreten, allerdings stehen noch keine Namen fest. Hauptaufgabe des Neuzugangs wird es sein, am Design des 2012er-Boliden zu arbeiten. Außerdem wird sich auch Patrick Head komplett aus dem Tagesgeschäft zurückziehen. Williams befindet sich also im Umbruch.

Von 2002 bis 2007 bei McLaren

Coughlan bringt als neuer Cheftechniker viel Erfahrung mit: Gelernt hat er unter anderem bei John Barnard, unter dessen Regie er zum Beispiel für Benetton, Ferrari und Arrows tätig war. Als Barnard seine Zusammenarbeit mit Arrows beendete, stieg Coughlan erstmals in seiner Karriere zum Technischen Direktor auf. Ende 2002 wechselte er schließlich zu McLaren, wo er sich in der Branche einen hervorragenden Namen machte.

Die McLaren-Fabrik in Woking gilt als modernste der Formel 1. Doch zumindest in diesem Bereich scheint Williams keine großen Defizite zu haben: "Mike war nach der Fabrikbesichtigung unglaublich beeindruckt", erinnert sich Parr an einen gemeinsamen Rundgang im Verlauf der Vertragsverhandlungen. "Im Vergleich zu allem anderen, was er schon gesehen hat, glaubt er, dass wir alles haben, was notwendig ist, um erfolgreich zu sein."

"Mike war nach der Fabrikbesichtigung unglaublich beeindruckt." Adam Parr

Bei Williams nimmt man den Briten, der zuletzt für das gescheiterte Stefan-Formel-1-Team, ein Rüstungsunternehmen und das NASCAR-Team von Michael Waltrip tätig war, vorurteilsfrei auf: Zwar sei ihm Coughlans Vergangenheit "schon durch den Kopf gegangen", räumt Parr ein, "aber meine Meinung ist ganz einfach: Du machst einen Fehler, wirst dafür bestraft, sitzt deine Strafe ab und erkennst, dass du etwas Falsches getan hast."

"Du lernst daraus und hast das Recht, alles hinter dir zu lassen, sonst wird eine Zweijahres- ganz schnell zu einer lebenslangen Strafe. Das wäre nicht richtig gewesen", findet er. "Aber natürlich war das ein Faktor, den wir in Betracht gezogen haben." Nur: "So eine Erfahrung macht dich zu einem besseren Menschen. Wenn du von einem Erfolg zum nächsten durch das Leben surfst, ist es sehr schwierig, ein besserer Mensch zu werden. Ich glaube, dass er daraus gelernt hat."

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