• 29.03.2002 11:53

Barrichello denkt noch lange nicht an sein Karriereende

Der Ferrari-Pilot im ausführlichen Gespräch über seine Situation bei den Roten, die WM-Situation, Schumacher und vieles mehr

(Motorsport-Total.com/sid) - Frage: "Sind Sie nach dem Rennen in Malaysia und den anschließenden Testfahrten froh, wieder zu Hause in Sao Paulo zu sein?"
Rubens Barrichello: "Ja, sehr. Normalerweise sind die ersten
drei Rennen des Jahres immer gut für mich. Ich mag Melbourne, die
Strecke in Malaysia ist auch sehr schön und Sao Paulo ist mein
Heimrennen. Ich freue mich immer darauf, hier zu fahren."

Titel-Bild zur News: Rubens Barrichello in der Ferrari-Box

Barrichello akzeptiert Ferraris Entscheidungen und seine Situation im Team

Frage: "Sie haben in der vorigen Woche noch in Barcelona
getestet. Das ist eher ungewöhlich für Sie ..."
Barrichello: "Es war das erste Mal, dass ich vor meinem
Heimrennen noch getestet habe. Sonst bin ich immer direkt von
Malaysia nach Hause geflogen. Aber ich hatte zum ersten Mal die
Gelegenheit, unser neues Auto zu fahren."

Barrichello: Gehe jetzt anders mit dem Druck um"

Frage: "In Sao Paulo wird Michael Schumacher den F2002 erstmals im Rennen einsetzen. Sie fahren noch mit dem F2001. Bestehen große Unterschiede zwischen den beiden Autos?"
Barrichello: "Es gibt ein paar Unterschiede. Aber wenn man
nicht beide Autos zur gleichen Zeit auf der Strecke hat, spürt man
nicht, wie viel schneller oder langsamer ein Fahrzeug ist. Natürlich will man in einer neuen Saison so schnell wie möglich das neue Auto fahren. Aber das ist eine Entscheidung von Ferrari."

Frage: "Im brasilianischen Grand Prix hatten Sie meistens Pech. Bei neun Starts steht lediglich ein vierter Platz zu Buche ..."
Barrichello: "Ich denke, das ist nur Zufall. Ich hatte einige
schlechte Rennen, manchmal aber auch einfach nur Pech."

Frage: "Spüren Sie vor heimischem Publikum einen größeren Druck?"
Barrichello: "Normalerweise schon, aber ich gehe damit auf
meine Weise um und nehme es als volle Unterstützung."

Frage: "Nach den ersten beiden Rennen des Jahres sind Sie noch
ohne Punkt. Macht das die Situation für Sie schwieriger?"
Barrichello: "Man muss das Positive sehen und darauf vertrauen, dass es besser wird. Wenn man denkt: Mist, ich habe null Punkte und muss jetzt unbedingt in Brasilien was holen, wird der Druck zu groß. Gemessen an meiner Arbeit sollte ich eigentlich schon ein paar Punkte haben, deshalb starte ich in aller Ruhe einen neuen Versuch."

Chancen stehen 50:50

Frage: "Sie haben Ihre Einstellung zum Rennsport im Winter ein
wenig geändert. Sie wollen ruhiger bleiben, das Fahren mehr genießen. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?"
Barrichello: "Ich denke, man lernt im Leben dazu. Dass ich jetzt Vater bin, hat mir vielleicht einiges aufgezeigt. Es ist dumm, um Kleinigkeiten zu kämpfen. Wir leben in einer extrem materialistischen Welt, deshalb ist es schön, sein Leben zu genießen und sich um die Dinge zu kümmern, auf die es wirklich ankommt."

Frage: "Welches Ziel haben Sie sich für diese Saison gesetzt?"
Barrichello: "Gute Arbeit abzuliefern, Rennen zu gewinnen und
im Auto Spaß zu haben."

Frage: "Wo steht Ferrari nach den ersten Rennen im Vergleich mit der Konkurrenz?"
Barrichello: "Schwer zu sagen. In Australien lief unser Reifen
gut, deshalb haben wir gewonnen. Im zweiten Rennen war es schwieriger. Ich hätte vielleicht Zweiter werden können, aber ich denke nicht, dass wir in Malaysia gewinnen konnten. Im Moment scheinen die Chancen 50:50 zu stehen."

Barrichello fährt nicht wegen des Geldes, sondern aus Liebe zum Motorsport

Frage: "Wann sind Sie zum ersten Mal auf der Strecke in Sao
Paulo gefahren?"
Barrichello: "Das war noch auf dem alten Kurs. 1989 bin ich in
der Formel Ford dort gefahren."

Frage: "Und als Zuschauer?"
Barrichello: "Meine Großmutter wohnte zwischen der ersten und
zweiten Kurve. Ich erinnere mich noch an 1979, das war mein erstes
Formel-1-Rennen. Ich bin hier quasi aufgewachsen."

Frage: "Wäre ein Heimsieg wichtiger als ein WM-Titel?"
Barrichello: "Wenn ich beides gewonnen habe, kann ich diese
Frage beantworten."

Frage: "Haben Sie schon mal an das Ende Ihrer Karriere gedacht?"
Barrichello: "Nein, noch nie. Ich werde gerade erst 30 und
kann noch lange fahren. An dem Tag, an dem man aufwacht und denkt, dass man ein Rennauto nicht mehr schnell genug bewegen kann, sollte man aufhören. Ich habe aber das Gefühl, dass ich noch Rennen gewinnen werde. Ohne diesen Traum und nur noch für Geld zu fahren, ist nicht meine Sache. Ich fahre, weil ich es liebe und glaube, dass ich noch etwas erreichen kann."

Schumacher ist auf seinem Zenit

Frage: "Wie lange kann man in der Formel 1 fahren?"
Barrichello: "Das ist nicht vom Alter abhängig. Michael
Schumacher ist auf seinem Zenit, er ist 33."

Frage: "Wie stark ist Schumacher als Teamkollege und als
Konkurrent?"
Barrichello: "Er ist einer der Besten, wenn nicht der Beste
überhaupt, und hat viele Rekorde aufgestellt. Es macht mich stolz,
zusammen mit ihm zu fahren, es ist eine große Herausforderung."

Frage: "Sie haben das mal mit dem Kampf gegen einen Sumo-Ringer verglichen."
Barrichello: "Wenn ich gegen einen Sumo-Ringer antrete, muss
ich glauben, dass ich stärker bin als er, sonst kann ich ihn nicht
schlagen. Und in der Formel 1 muss ich auch daran glauben, dass ich
besser bin als jeder andere Fahrer, sonst werde ich kein Rennen
mehr gewinnen."