Barcelona: Aerodynamik auf dem Prüfstand

Eine gute Aerodynamik ist der Schlüssel zu einer guten Performance auf dem 'Circuit de Catalunya' - Analyse eines Renault-Ingenieurs

(Motorsport-Total.com) - Nach den Härtetests für die Motoren in Malaysia und Bahrain steht am kommenden Wochenende in Barcelona vordergründig die Aerodynamik der Formel-1-Autos auf dem Prüfstand. Der 4,627 Kilometer lange 'Circuit de Catalunya' mit seinen lang gezogenen High-Speed-Kurven erfordert ein stabiles Fahrverhalten und möglichst viel Abtrieb.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso und Rod Nelson

Rod Nelson beim Besprechen des Setups mit seinem Schützling Alonso

"Durch die schnellen Kurven ist Barcelona einer der empfindlichsten Kurse des Jahres, was die aerodynamische Performance angeht", erklärt Rod Nelson, verantwortlicher Chefingenieur für das Renault-Chassis von Fernando Alonso. "Weil die Aerodynamik einen so großen Teil zur Gesamtperformance beiträgt, gilt Barcelona als guter Referenzpunkt für das Potenzial eines neuen Autos bei den ersten Testläufen."#w1#

Trotz Datenbanken: Barcelona birgt Überraschungen

Entsprechend häufig wird der 'Circuit de Catalunya' von den Formel-1-Teams als Teststrecke genutzt, entsprechend umfangreich auch die Datenbanken, auf die man in Sachen Setup zurückgreifen kann. Dennoch birgt das Rennwochenende immer wieder Überraschungen - einerseits wegen der seit den Wintertests veränderten Bedingungen, andererseits wegen des unberechenbaren Windes, der oft binnen Minuten seine Richtung wechselt.

Prinzipiell geht man aber in Richtung recht steil eingestellter Flügel, wie Nelson bestätigt: "Die Strecke beinhaltet alle Kurventypen und zwei lange Geraden. In Sachen Abtrieb setzen wir auf steile Flügel, weil vor beiden Geraden schnelle Kurven sind. Das bedeutet, dass man guten Top-Speed nicht durch flach eingestellte Flügel erreicht, sondern eher durch steiler eingestellte Flügel, um schnell aus den Kurven kommen zu können. Die Kurvenausgänge bestimmen die Geschwindigkeit entlang der Geraden."

Diese Charakteristik des 'Circuit de Catalunya' sorgt auch dafür, dass es kaum Überholmöglichkeiten gibt - die erste Kurve nach Start und Ziel gilt noch als am besten geeignete Stelle für etwaige Angriffe. Selbst dort muss sich aber jeder Fahrer ein Herz fassen, will er an einem Vordermann vorbeigehen, weil vor der langen Geraden eine lang gezogene Kurve liegt. Sich dort an den Vordermann heranzusaugen, ist schwierig, da man in den Luftverwirbelungen eines anderen Autos entscheidenden Abtrieb und somit Bodenhaftung verliert.

Bodenhöhe kann gegenüber 2004 verringert werden

Im mechanischen Setup werden die Teams "eine ganze Reihe an Kompromissen" eingehen müssen, wie Alonsos Renningenieur weiter ausführt - vor allem die Federn und die Bodenhöhe seien davon betroffen, aber: "Seit der Neuasphaltierung im Winter und der Neugestaltung der zehnten Kurve ist die Bodenhöhe nicht mehr so problematisch wie früher. Die Bodenwelle vor der ersten Kurve, wegen der wir die Autos immer höher einstellen mussten, ist eliminiert, ebenso wie der 'Waschbrett-Effekt' in Kurve zehn, der die Autos stets aus der Balance geworfen hat."

"Was die Radaufhängung angeht, müssen wir die Front dennoch möglichst steif einstellen, um in den Kurven eins und zwei beziehungsweise sieben und acht einen schnellen Richtungswechsel zu ermöglichen. Die Federn im Heck stellen wir hingegen etwas weicher ein, um die Traktion aus den langsamen Kurven heraus zu fördern", so Nelson.

Linker Vorderreifen am stärksten belastet

Ein Hauptaugenmerk wird er auch auf die Reifen legen: "Durch die langen Kurven ist die Reifenenergie - also vereinfacht ausgedrückt die Arbeit, die ein Reifen verrichtet - sehr hoch, was den Verschleiß erhöht. Angesichts der neuen Regeln ist dies ein entscheidender Faktor. In den schnellen Kurven werden besonders die Vorderreifen beansprucht - und weil die meisten Kurven Rechtskurven sind, muss der linke Vorderreifen die mit Abstand höchsten Belastungen aushalten", sagt der Renault-Ingenieur.

Möglichkeiten, der spezifischen Belastung für den linken Vorderreifen entgegenzuwirken, gibt es laut Nelson kaum, allerdings werde man in den Freien Trainings verschiedene Radsturzeinstellungen ausprobieren, um einen möglichst guten Kompromiss für die Renndistanz zu finden. Dabei wird man in Richtung einer leichten Neigung nach innen tendieren, weil ansonsten die Außenseite des Reifens wesentlich stärker verschlissen wird als die Innenseite.