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  • 17.05.2020 14:30

  • von Luke Smith, Übersetzung: Maria Reyer

Barcelona 2016: Max Verstappens Formel-1-Rekord für die Ewigkeit

Vier Jahre nach dem Sensationserfolg von Max Verstappen im Grand Prix von Spanien 2016 blicken wir zurück auf die Rekordfahrt des Red-Bull-Piloten

(Motorsport-Total.com) - In 70 Jahren Formel 1 wurden die Rekordbücher gut gefüllt. Die Evolution mancher Meilensteine wird in ein paar Jahrzehnten noch faszinierender erscheinen. Manch ein Rekord wird sein Plateau aber bald erreichen, speziell wenn es um die Altersfrage geht. Ein Rückblick.

Titel-Bild zur News: Max Verstappen

Max Verstappen schrieb am 15. Mai 2016 Formel-1-Geschichte in Barcelona Zoom

Der Rekord für den jüngsten Weltmeister ist in den vergangenen 15 Jahren deutlich gesunken. Zuvor wurde dieser Meilenstein jahrelang von Rennlegende Emerson Fittipaldi gehalten. Der Brasilianer war 1972 bei seinem ersten Titelgewinn 25 Jahre und 303 Tage alt.

Doch dann kam 2005 zunächst Fernando Alonso. Der Spanier drückte den Rekord. Lewis Hamilton übertrumpfte 2008 seinen Ex-Teamkollegen. Doch auch der Brite sollte nicht der jüngste Weltmeister bleiben. Denn 2010 gewann Sebastian Vettel in Abu Dhabi überraschend die WM-Krone im Alter von 23 Jahren und 134 Tagen.

Kritik an Red Bull, Druck auf Kwjat

Bis heute kam kein Fahrer an diese Marke heran. Zwei Piloten haben in dieser Saison die letzte Chance, den Vettel-Rekord zu brechen: Max Verstappen und Charles Leclerc. Besonders der Niederländer ist erpicht darauf, mit Red Bull die neue Bestmarke aufzustellen - hat er in der Vergangenheit doch bereits mehrfach Altersgrenzen verschoben.

Verstappen ist nicht nur der jüngste Rennteilnehmer, sondern auch der jüngste Punktesammler, jüngste Podestfahrer, jüngste Führende und der jüngste Fahrer, der überhaupt je an einem Rennwochenende als Freitagstester teilgenommen hat. Und natürlich ist Verstappen auch der jüngste Sieger eines Grand Prix.

Am 15. Mai 2016 schrieb der damals 18-Jährige auf dem Circuit Barcelona-Catalunya Geschichte. Wir erinnern uns heute am Jubiläums-Rennsonntag an das Märchen zurück: Ein Red Bull auf dem obersten Siegestreppchen ist keine große Überraschung, aber die Umstände jenes Verstappen-Siegs waren außergewöhnlich.

Nach seiner überraschenden Beförderung ins Topteam wenige Tage zuvor und nach nur vier Saisonrennen fuhr Verstappen in Barcelona sein erstes Rennen mit der neuen Mannschaft. Das war der Startschuss für jene Beziehung, die Verstappens Formel-1-Karriere prägen sollte.


Fotostrecke: Die 10 jüngsten Formel-1-Piloten aller Zeiten

Schon in seinem Debütjahr mit Toro Rosso 2015 hat der Sohn von Jos Verstappen enorm viel Aufmerksamkeit erregt. Mit gerade einmal 17 Jahren und 163 Tagen sollte er der jüngste Formel-1-Fahrer aller Zeiten werden. Experten äußerten Bedenken ob seiner Jugend, Red Bull erntete Kritik - und sogar die FIA änderte die Bestimmungen für die Superlizenz.

Der Niederländer lieferte ein beeindruckendes Debüt ab. Daher riss der Hype um Verstappen auch 2016 nicht ab, was den Druck auf Daniil Kwjat erhöhte. Der Russe äußerte sich in der Öffentlichkeit zwar gelassen über seine Zukunft, im Hintergrund schien es aber bereits zu rumoren.

"Torpedo" in China, Crashkid in Russland

Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko hatte sich fest vorgenommen, den jungen Verstappen eher früher als später in das Topteam zu holen. Wenn Red Bull eine Ausrede brauchte, um den Wechsel vorzunehmen, dann hat Kwjat dem Team zu Beginn der Saison eine geliefert.

Zwar stand er nach seinem "Torpedo"-Moment mit Vettel in China noch auf dem Podium, zwei Wochen später zerbrach Kwjat dann ausgerechnet bei seinem Heimrennen in Russland. Er verursachte gleich zwei Kollisionen - erneut mit Vettel - in der ersten Runde.

Ihm war nicht nur der Ärger des Ferrari-Piloten sicher, sondern auch jener des Red-Bull-Managements. Und so kam es dann schließlich zu der Entscheidung, Verstappen eine Chance zu geben. Vier Tage nach dem Sotschi-Rennen verkündete Red Bull den Wechsel offiziell.

Er wurde Teamkollege von Daniel Ricciardo im Topteam, während Kwjat zu Toro Rosso degradiert wurde. So sehr seine Berufung ins Toro-Rosso-Team überrascht hat, so sehr herrschte nun Unsicherheit darüber, ob Verstappen im Alter von nur 18 Jahren bereit sein würde, in Barcelona an der Spitze der Königsklasse zu kämpfen.


Fotostrecke: Der Vettel/Kwjat-Crash in Sotschi

Schon in den ersten beiden Trainings am Freitag strafte er seine Kritiker Lügen. Verstappen konnte sich so schnell an den Red Bull RB12 gewöhnen, dass ihm in den beiden Freien Trainings nur jeweils rund zwei Zehntelsekunden auf Ricciardo fehlten. Im finalen Training belegte er den vierten Rang.

Im Qualifying zum Grand Prix von Spanien ließ er vier Zehntelsekunden auf seinen australischen Teamkollegen liegen, dennoch reihte er sich knapp vor den Ferraris von Kimi Räikkönen und Vettel auf dem vierten Startplatz ein.

Schlüsselszene in Kurve 4

"Ich habe nicht erwartet, dass ich mich so schnell ans Auto anpassen kann", kommentierte Verstappen seine Leistung nach dem Qualifying. "Ich habe auch nicht erwartet, in der zweiten Reihe zu stehen." Der 18-Jährige freute sich.

"Wir sind nahe an einem Podium dran. Hoffentlich können wir unsere Position im Rennen halten." Diese Aussage wirkt im Nachhinein wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Den Start in sein erstes Rennen mit Red Bull absolvierte er ordentlich. Er konnte sich hin zu Kurve 1 im Windschatten von Ricciardo positionieren.

Das nutzte Vettel aus, der sich auf den vierten Platz nach vorne schob. Doch Verstappen reagierte schnell, mit einem mutigen Manöver auf der Außenseite der langgezogenen Kurve 3 holte er sich seine Position zurück - und dann folgte der alles entscheidende Vorfall.

Die dominanten Mercedes-Autos von Lewis Hamilton und Nico Rosberg kollidierten in Kurve 4, beide wurden in das Kiesbett gewirbelt - für beide war das Rennen gelaufen. Das Safety-Car wurde auf die Strecke geschickt. In der neuen Rangordnung führte Ricciardo vor Verstappen.


Fotostrecke: Der Mercedes-Crash in Barcelona

Zum ersten Mal seit seiner Formel-3-Zeit fand sich Verstappen in einem Duell um den Sieg wieder. Aber sicherlich würde er bei seinem ersten Start für Red Bull keine Chance haben gegen Rennsieger Ricciardo. Das Duo hatte den Vorteil, dass Carlos Sainz im Toro Rosso auf Rang drei lag und als Puffer gegen die Ferraris agierte.

Beim Restart konnte Ricciardo die Führung behaupten, doch Verstappen blieb ihm dicht auf den Fersen. Dadurch konnte der Australier keinen großen Zeitpolster aufbauen. Als Vettel endlich am langsameren Sainz vorbeikam, hatte er bereits fünf Sekunden auf die Spitze eingebüßt, Räikkönen fehlten weitere vier Sekunden.

0,616 Sekunden entscheiden im Ziel

Nach den ersten Boxenstopps lagen die Bullen weiterhin in Führung, allerdings konnten die Ferraris auf frischen Reifen vorpreschen. Am Ende des zweiten Stints hatte Vettel nur noch zwei Sekunden Rückstand auf den Führenden, während Verstappen in DRS-Reichweite zu seinem Teamkollegen cool blieb.

Die Schlüsselszene folgte vor den zweiten Boxenstopps. Dank der besseren Strategie sollte Verstappen das Rennen gewinnen. Denn Red Bull holte Ricciardo in Führung liegend in Runde 28 an die Box, um ihm einen frischen weichen Reifensatz anzuschrauben.

Ferrari hatte Ricciardo im Auge und mit Vettel gut abgedeckt - er ging auf dieselbe Strategie eine Runde später. Das führte dazu, dass Verstappen das Rennen plötzlich anführte. Räikkönen lauerte ein paar Sekunden dahinter.

Im Nachhinein sollte sich herausstellen: Die weichen Reifen konnten Ricciardo und Vettel nicht jene Performance bieten, die sie gebraucht hätten. Dadurch mussten beide Fahrer zu einem dritten Stopp an die Box, wodurch sie wertvolle Zeit und Positionen verloren.

Verstappen und Räikkönen entschieden sich beim zweiten Boxenstopp hingegen für den Medium-Pneu. Zwar waren Vettel und Ricciardo auf den frischeren Reifen unterwegs, dennoch hatte Verstappen die Position auf der Strecke inne und gab dem Finnen kaum eine Chance, aufzuholen.

Der Weltmeister von 2007 kam zwar regelmäßig im Abstand von nur rund einer Sekunde bei Start-Ziel an Verstappen heran, doch selbst mit DRS konnte er nicht überholen. Der Niederländer hingegen machte keinen Fehler und widerstand dem Druck eines Piloten, der doppelt so alt war wie er selbst und fast 300 Rennen Erfahrung auf dem Buckel hatte.

Max Verstappen, Kimi Räikkönen

Räikkönen kommt gegen Ende hin gefährlich nahe - kann aber nicht überholen Zoom

Auf der Ziellinie fehlten Räikkönen 0,616 Sekunden - damit krönte sich Verstappen im Alter von 18 Jahren und 227 Tagen zum jüngsten Sieger der Formel-1-Geschichte. "Das ist großartig. Ich konnte gar nicht glauben, dass ich das Rennen anführe", meinte Verstappen nach dem Rennen überglücklich.

"Das ist eine sehr große Überraschung, ich habe das nicht erwartet. Ich kann es gar nicht glauben." Vor dem Rennen habe er einen Podestplatz anvisiert, erzählte der strahlende Sieger. "Aber gleich zu gewinnen, das ist ein tolles Gefühl. In den letzten Runden habe ich einen Krampf bekommen, da ich so aufgeregt war."

Er habe immer wieder auf die Boxentafel gestarrt. "Dort stand mein Name und noch zehn Runden zu fahren. Ich habe dann immer wieder raufgeschaut, aber gedacht: 'Schau dort nicht rauf, fokussiere dich auf die Reifen und bring es nach Hause'."

"Keine Spannung, keine Panik"

Der Sieg konnte als unmittelbare Rechtfertigung für Red Bulls scheinbar kaltherzige Entscheidung betrachtet werden, Kwjat abzumontieren. Vier Jahre später wird der Tausch immer noch als eine der besten Entscheidungen des Teams angesehen.

"Neu in das Team zu kommen, sich für die zweite Startreihe zu qualifizieren und dein erstes Rennen zu gewinnen - das kann dann eigentlich nur noch schlechter werden!", scherzte Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem Rennen. "Ich denke, er wird noch stärker werden, je mehr Erfahrung er sammelt."

Der Brite strich besonders einen Aspekt heraus: "Seine Ruhe. Er hat so viele Kapazitäten, wenn er das Auto fährt." Fünf Runden vor Rennende wurde die Red-Bull-Führung nervös, denn die Pirelli-Pneus waren am Ende ihres Lebenszyklus angekommen.

"In seiner Stimme lag keine Aufregung, keine Panik, keine Spannung. Es handelte sich um einen jungen Mann, der die Kontrolle über das, was er tut, völlig in der Hand hatte. Das hat er getan, seit er ins Auto gestiegen ist."


Fotostrecke: Max Verstappen: Die schönsten Jubelfotos

Diese Gelassenheit ist ein Markenzeichen des Erfolgs von Verstappen seit diesem ersten Durchbruch. Bis heute konnte er sieben weitere Siege einfahren - aber dieser erste scheint in der Formel-1-Geschichte auf ewig verankert zu bleiben.

Denn wenn ein Spitzenteam nicht einen herausragenden jungen Fahrer findet und ihm zum frühestmöglichen Zeitpunkt - kurz nach seinem 18. Geburtstag - einen Platz anbieten kann, dann wird Verstappens Siegrekord wohl kaum jemals übertroffen werden.

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