Aschewolke: Formel 1 rückt zusammen

Wie Tony Fernandes die halbe Formel 1 rettete, Whitmarsh plötzliche seine Rivalen einlud und warum Glock seine rasche Rückreise Toyota zu verdanken hat

(Motorsport-Total.com) - Ein Grand Prix von Spanien in Schanghai? Der Vorschlag des Toro-Rosso-Teams in der Teamaussendung war freilich nicht ganz ernst gemeint. Dennoch zwang der Vulkanausbruch in Island und die darauffolgende Sperre des europäischen Luftraums den in China gestrandeten Formel-1-Tross zu kreativen Problemlösungen.

Titel-Bild zur News: Ausbruch des Eyjafjallajökull

Der Ausbruch des Eyjafjallajökull hielt die Formel 1 tagelang auf Trab...

Und plötzlich rückte der sonst so sterile und unnahbare Formel-1-Zirkus zusammen, er zeigte sich von seiner menschlichen Seite. Ausgerechnet das als Tiefkühltruhen-Rennstall verschriene McLaren-Team bot seinen Rivalen am Mittwoch Plätze in der eigens gecharterten Maschine nach London an, wie die 'Welt' berichtet. McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh: "Wir laden jeden ein mitzufliegen."#w1#

Ein Glas auf Tony Fernandes

Doch Whitmarsh war nicht der einzige Retter: Tony Fernandes, malaysischer Teamchef bei Lotus, flog einen Teil der Formel-1-Belegschaft mit seiner AirAsia-Billigfluglinie nach Kuala Lumpur. Gerade noch rechtzeitig, denn bei einigen Teammitgliedern von Ferrari , Toro Rosso, Sauber und Mercedes lief wenige Stunden später das Visum für China ab.

Mit an Bord waren auch 55 Mitglieder des Lotus-Teams sowie zahlreiche Formel-1-Journalisten und Fotografen - Fernandes ermöglichte es ihnen, den ersten Flug nach Großbritannien zu nehmen, als der Luftraum wieder geöffnet wurde.

Technikchef Mike Gascoyne war nach der Landung am Mittwoch zu Mittag erleichtert: "Ich muss mich bei Tony und seinem AirAsia-Team bedanken, sie haben uns sprichwörtlich unter ihre Flügel genommen und uns so schnell nach Hause gebracht - jetzt können wir uns endlich wieder auf unseren Job konzentrieren." Andere stießen schon an Bord auf Fernandes an. Der 45-Jährige hat seitdem mit Sicherheit einige Freunde mehr im Fahrerlager.

Glück für Glock

Virgin-Pilot Timo Glock war nicht an Bord. Doch auch sein Retter trägt Lotus-Klamotten: Dieter Gass, früher bei Glocks Ex-Team Toyota Chefingenieur. Glock stand bereits beim Check-in für einen Flug ins noch geöffnete Istanbul, um zumindest irgendwie nach Europa zu gelangen, als ihn Gass im letzten Moment stoppte: Es gäbe vielleicht doch noch einen Lufthansa-Flug nach Frankfurt und München, er solle noch ein bisschen zuwarten.

"Ich hatte nur noch fünf Minuten, als die Bestätigung kam, dass Lufthansa tatsächlich nach Frankfurt fliegt." Timo Glock

Glock vertraute ihm - und gewann: "Ich hatte nur noch fünf Minuten, um mich zu entscheiden, doch dann kam die Bestätigung, dass die Lufthansa tatsächlich fliegen würde." So hatte das enttäuschende Rennwochenende von Schanghai für Glock doch noch ein versöhnliches Ende. Auch für Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, dem wiederum Glock half: "Norbert lag schon im Bett." Der Schwabe landete am Mittwoch ebenfalls in Frankfurt - und hastete sofort ins Büro: "Wir arbeiten an einem Siegerauto."

Ecclestone mit dem richtigen Riecher

In einer anderen Maschine von Schanghai nach Nizza traf sich währenddessen das Who's who der Formel 1: Robert Kubica, Felipe Massa, Jarno Trulli, Vitantonio Liuzzi und Sébastien Buemi - sie alle flogen in der Economy-Class. In Anbetracht des gemeinsamen Ziels gerieten auch die atmosphärischen Probleme zwischen Liuzzi und Buemi in den Hintergrund. Die beiden Piloten waren in der ersten Runde in Schanghai kollidiert.

Clever waren jedoch wieder einmal die Piloten, die sich an den großen Formel-1-Zampano hielten: Sebastian Vettel und Michael Schumacher. Beide nützten den Privatjet von Bernie Ecclestone, der auch im Flugchaos die Übersicht behielt: Am Mittwoch saß dieser längst im Büro, als andere noch den besten Weg suchten. Die Teams HRT und Force India erwischten es hingegen am schlechtesten: Sie sitzen immer noch in China fest.

Das Ende der Nächstenliebe

Abgesehen davon ist die Formel 1 längst wieder zum Normalzustand zurückgekehrt. Längst denkt man nicht mehr daran, dem Rivalen zu helfen, sondern arbeitet daran, die Konkurrenz zu besiegen. Der Grand Prix von Spanien wird ein Gradmesser für die gesamte Saison, zumal alle Teams neue Aerodynamikpakete bringen werden und dadurch die Hackordnung nach den Überseerennen neu definiert wird.

"Wer als erstes an den Autos entwickelt, der gewinnt." Martin Whitmarsh

Das weiß auch McLaren-Teamchef Whitmarsh, der eben noch mit Nächstenliebe überzeugt hatte: "Wer als Erster entwickelt, gewinnt. Barcelona wird definitiv eine Herausforderung. Wir müssen die Autos so schnell wie möglich ins Werk schaffen, damit wir mit ihnen arbeiten. Wenn nicht, wird es chaotisch."

Am meisten hat aber keines der Teams, sondern unser Kollege Kevin Eason von der Londoner 'Times' um seine Heimreise gezittert. Eason jettete von Schanghai über Hongkong, Tel Aviv und Rom nach Paris, von wo aus es dann durch den Eurotunnel in seine britische Heimat ging - gerade noch rechtzeitig, denn am Samstag findet seine Hochzeit ab, mit der er innerlich wohl schon abgeschlossen hatte...