Arrows: Langsame Runden als Überlebenskampf
Hohe Schulden und frostige Verhandlungen in London zwangen Arrows dazu, sich in Magny-Cours absichtlich nicht zu qualifizieren
(Motorsport-Total.com) - Zurecht enttäuscht dürften die Fans des Arrows-Teams heute nach der Qualifikation gewesen sein, denn obwohl Heinz-Harald Frentzen und Enrique Bernoldi auf die Strecke gingen, werden die beiden Rennfahrer morgen nicht an den Start gehen. Auf Anweisung des Teams erfüllte man nur die blanke Pflicht, um nicht für die Nichteilnahme am Frankreich-Grand-Prix eine Strafe in Höhe von 250.000 US-Dollar je Auto bezahlen zu müssen.

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Die Arrows-Mechaniker machten sich am Nachmittag ans Zusammenpacken
Die Teilnahme an der Qualifikation, auch wenn man sich dabei nicht qualifiziert, ist laut Reglement ausreichend, um der zuvor genannten Bestrafung zu entgehen. In 1:18.497 Minuten fuhr Frentzen eine genauso lockere Runde wie Bernoldi, der die französische Strecke in 1:19.843 Minuten umrundet hatte. In den ersten beiden Sektoren zeigten beide Fahrer, dass sie sich hätten locker qualifizieren können und das ohne vorher trainiert zu haben. Doch in den letzten beiden Sektoren mussten die Piloten dann vom Gas gehen.
Zusammenpacken für eine "positive Zukunft"
Obwohl es offensichtlich war, welches Spiel Tom Walkinshaw da spielte und welche Anweisung er seinen beiden Fahrern gegeben hatte, erklärte der Teamchef in der offiziellen Erklärung den Grund für die Nichtqualifikation wie folgt: "Leider konnte sich heute keines unserer Autos qualifizieren. Unsere Priorität ist es, mit dem Team wieder zum normalen Arbeitsalltag überzugehen, um eine positive Zukunft zu ermöglichen", versicherte der Schotte, dass das Team weiterhin bestehen bleiben soll. "Es ist traurig, doch wir werden jetzt abreisen und uns auf Hockenheim vorbereiten." Im Anschluss an die Qualifikation packten die Mechaniker bereits die Ausrüstung zusammen.
Heinz-Harald Frentzen meinte gegenüber 'Premiere' niedergeschlagen, dass es schade sei, dass man sich nicht habe qualifizieren können, doch "mehr ging nicht". Der Deutsche hofft nun, dass sich die Probleme mit den Teilhabern des Teams ausräumen lassen, so dass er in Deutschland seinen Heim-Grand Prix von Anfang an bestreiten kann. "Wir werden nun nach Hause fahren und uns dort für Hockenheim vorbereiten", so Frentzens Chef Tom Walkinshaw. Mit der Schein-Qualifikation hat das Team nicht nur die Konventionalstrafe umgangen. Man hat sich auch die Formel-1-Lizenz und mögliche TV-Gelder gesichert, sollte es mit dem Team doch noch weitergehen.
Kampf an zwei Fronten
Doch damit Heinz-Harald Frentzen nicht wie schon im Vorjahr schon wieder zuschauen muss, als er aus heiterem Himmel von Jordan vor die Türe gesetzt wurde, ist hinter den Kulissen eine Menge Arbeit vonnöten ? und das innerhalb von wenigen Tagen, denn es gibt keine Pause zwischen diesem und dem nächsten Rennen. Anteilseigner Morgan Grenfell, eine Bank, die einst geschätzte 20 Millionen Dollar in das Team steckte, will dieses Geld zurückhaben, wenn Tom Walkinshaw sein Team verkauft. Vor etwas mehr als zwei Wochen erwirkte die Bank vor einem Londoner Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Schotten, der das Team verkaufen wollte.
Sparmaßnahme und Druckmittel zugleich
Die Nicht-Qualifikation in Magny-Cours ist Sparmaßnahme wie Druckmittel zugleich. Walkinshaw geht es nur noch darum, sein Team möglichst schnell zu verkaufen, bevor alles zu spät ist. Auf Dauer werden die Sponsoren das Auftreten des Teams nicht dulden. Das verschuldete Team steht so tief in der Kreide, dass Heinz-Harald Frentzen angeblich sein Minimalgehalt von 500.000 Euro nicht korrekt ausgezahlt bekommt ? auf die entsprechende Frage wollte der Mönchengladbacher keine Antwort geben. Dass das Verhalten von Arrows schlecht für den Sport ist, ist logisch. Mehrmals kann sich Walkinshaw eine solche Vorstellung nicht leisten, dann wird auch der Motorsportweltverband FIA ein Machtwort sprechen.
"Sportsgeist" ist Banken ein Fremdwort
Da das Team defacto schon zahlungsunfähig ist, könnte die Anweisung, in den kommenden Tagen so kostengünstig wie möglich zu agieren, auch von den Gerichten gekommen sein, entsprechende Andeutung machte Walkinshaw. "Es laufen im Moment in London Verhandlungen mit sowohl Morgan Grenfell als auch mit den Investoren, aber sie stehen nicht direkt miteinander in Kontakt, das wird durch eine dritte Partei erledigt", so der Teamchef am Samstag in Magny-Cours, was deutlich macht, wie verhärtet die Fronten sind. Sportsgeist ist den Banken ein Fremdwort, ihr Job ist nicht eine gute Show zu bieten sondern so viel Geld wie möglich zu machen und genau das passiert im Moment.
Tom Walkinshaw ist der festen Überzeugung, dass das Team überleben wird, auch wenn es dann wohl nicht mehr Arrows heißen wird und der Stuhl des für seine ungewöhnlichen Geschäftspraktiken bekannten Teamchefs abgesägt werden dürfte: "Leider muss dieser langwierige Prozess unter den Augen der Öffentlichkeit vonstatten gehen." Als man am Freitag einfach in der Box stehen blieb, nannte man es schlichtweg einen "Streik".
Kein Geld für nichts
Dass das Arrows-Team in Frankreich überhaupt insgesamt magere 12 Runden fahren konnte, liegt daran, dass Bernie Ecclestone jüngst Fernsehgelder vorstreckte und Tom Wallkinshaw mit seinem Privatvermögen auf die vorgestreckten Gelder haftete. In Silverstone hatte Cosworth zunächst die Elektronikbox für den Motor nicht herausgerückt, da eine Rate zur Zahlung fällig war. In Magny-Cours hätte die FIA Enrique Bernoldi fast ein Startverbot erteilt ? weil eine Strafe für zu schnelles Fahren in der Boxengasse vom Kanada-Grand-Prix bisher nicht bezahlt worden war...

