• 23.03.2009 17:10

  • von Roman Wittemeier

Anderson: KERS-Chaos und fliegende Flügel

Ex-Formel-1-Designer Gary Anderson steht der neuen Hybridtechnik noch skeptisch gegenüber und rechnet mit Kleinholz beim Rennstart

(Motorsport-Total.com) - Auch ein Technik-Urgestein steht den aktuellen Entwicklungen in der Formel 1 manchmal ratlos gegenüber. Der ehemalige Jordan-Designer Gary Anderson betrachtet die Einführung von KERS auf freiwilliger Basis zum Start der neuen Formel-1-Saison mit großer Skepsis. Anderson verteufelt nicht die Technologie an sich, sondern hinterfragt - wie viele andere auch - ob es sein muss, dass man die Teams für horrende Summen ein System entwickeln lässt, welches schon im Folgejahr durch ein Standardmodul ersetzt werden soll.

Titel-Bild zur News: Gary Anderson

Gary Anderson entwickelte mehrere Formel-1-Boliden für Eddie Jordan

"Es muss schon Sinn ergeben, wenn ich in diesem Jahr KERS einsetzten will", sagte der Nordire gegenüber 'Crash.net'. "Wenn du es an Bord hast, dann kannst du auf langen Geraden diesen Leistungsschub über sechs bis sieben Sekunden gut nutzen. Du kannst so gesehen einen Vorteil haben. Aber für die Rundenzeit bringt es nur sehr, sehr wenig. So sehe ich das. Es bringt beim Gewicht einfach zu viele Nachteile. Das Auto wird nicht übergewichtig, aber die Last ist am falschen Platz. Außerdem kann die Zuverlässigkeit leiden."#w1#

Nur wenige Teams werden voraussichtlich beim Saisonstart auf die neue Hybridtechnik setzen. Renault und Ferrari haben öffentlich erklärt, dass man in Melbourne mit KERS fahren wolle, beim BMW Sauber F1 Team ist ein Einsatz wahrscheinlich. "Eigentlich sollten sich die Formel-1-Teams an einen Tisch setzen und eine klare Lösung finden", sagte Anderson. "Sie müssten sagen: 'Wir sind noch nicht soweit, also fangen wir alle erst in Barcelona damit an. Sparen wir uns doch den ganzen Transport nach Übersee'. Es wäre ein Kompromiss."

Neben der aktuellen Diskussion um die Diffusoren von Williams, Toyota und Brawn könnten nach Ansicht des erfahrenen Technikers auch andere Bauteile in Melbourne für Spektakel sorgen. Robert Kubica und Nick Heidfeld hatten bereits im Vorfeld Bedenken geäußert und rechnen mit vielen abrasierten Frontflügeln. Anderson stimmt dem zu. "Mich würde es nicht wundern. Auch früher sind oft Frontflügel abgeflogen. Nun sind sie aber wesentlich breiter und der entscheidende Bereich ist durch die Vorderräder verdeckt."

"Das größte Problem ist, dass der Frontflügel bei den heutigen Autos einen Großteil des Abtriebs an der Fahrzeugfront erzeugt. Wenn also ein Flügel beschädigt ist und dann fliegt er aufgrund des hohen Drucks irgendwann bei Tempo 300 ab, dann gibt es richtig Probleme. Es würde mich nicht wundern, wenn wir so einige Autos schlingern sehen", beschrieb Anderson.

"Die Fahrer müssen das bedenken. Man will ohnehin nicht gleich sein Rennen in der allerersten Runde ruinieren. Solch ein Grand Prix ist 300 Kilometer lang und nicht nur einen. Man muss Respekt haben", sagte der Nordire. "Auf der anderen Seite sind schon immer soclhe Zwischenfälle passiert. Das haben wir schon oft genug erlebt." Insgesamt seien vor der Saison 2009 endlich einmal wieder technische Experimente gefragt gewesen. "Die Ingenieure durften endlich mal wieder querdenken."