• 07.08.2007 09:21

  • von Michael Noir Trawniczek

An Prodrive kommen langsam Zweifel auf

Weil David Richards für sein Prodrive-Team noch immer keine Verträge in der Tasche hat, kommen langsam Zweifel an dem Projekt auf

(Motorsport-Total.com) - "Wir sind davon überzeugt, dass die neuen Regeln es nicht nur Prodrive erlauben, mit einem erschwinglichen Budget wettbewerbsfähig zu sein, sondern dass dies die Formel 1 zugleich noch aufregender gestalten und der Sport für die Zuschauer vor Ort und vor den Fernsehgeräten noch unterhaltsamer sein wird", erklärte David Richards auf der Website der Firma Prodrive, nachdem diese den Zuschlag als zwölftes Formel-1-Team erhielt.

Titel-Bild zur News: David Richards und David Lapworth

David Richards mit seinem Projektchef für die Formel 1, David Lapworth

Prodrive ist eine Firma mit rund 1.000 Angestellten und sechs weltweit verteilten Niederlassungen, der Hauptsitz befindet sich im britischen Banbury, Oxfordshire. Bekannt wurde die Firma mit ihrem Einsatz der Werks-Subarus in der Rallye-WM, aber auch Gruppe-N-Fahrzeuge werden dort eingesetzt - und auch in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft (BTCC) ist die von Richards geleitete Firma aktiv tätig; dort werden Boliden von Aston Martin eingesetzt.#w1#

Das Formel-1-Programm wurde ins Leben gerufen, weil die Sportbehörde FIA ab 2008 Kundenautos in der Formel 1 zulässt. Richards hat mit der Königsklasse noch eine offene Rechnung zu begleichen - der Brite war als Teamchef von Benetton und BAR nicht sonderlich erfolgreich. Für den Formel-1-Einsatz sind Kundenautos von McLaren-Mercedes geplant, zudem wurden Zeichnungen einer protzigen Fabrik veröffentlicht, die es freilich bislang nur auf Papier zu bewundern gibt.

Gibt es bald wieder 24 Formel-1-Cockpits?

Schon im kommenden Jahr sollen also wieder wie einst 24 Boliden in der Startaufstellung stehen, doch im Fahrerlager der obersten Formelserie glauben immer weniger Experten und Insider daran, dass Prodrive tatsächlich an den Start gehen wird. In Ungarn bestätigte McLaren-Geschäftsführer Martin Whitmarsh, dass es bislang noch keinen Vertrag mit Prodrive geben würde. Richards bestätigte zuvor im Rahmen des Grand Prix von Großbritannien, dass er das nötige Budget für den Formel-1-Rennstall noch nicht beisammen habe.

Für die Piloten ist Prodrive äußerst attraktiv. Das bestätigte McLaren-Mercedes-Testfahrer Pedro de la Rosa im Rahmen des Grand Prix von Ungarn auf dem Hungaroring: "Natürlich würde ich gerne dort fahren. Nur: Jeder möchte bei Prodrive fahren, das ist klar."

"Jeder möchte bei Prodrive fahren, das ist klar." Pedro de la Rosa

Zwar kommt es nicht nur darauf an, einen McLaren-Mercedes zur Verfügung zu haben - dass es auch an dem Team, an den Technikern und der Infrastruktur liegt, beweist die GP2-Serie, wo zwar Einheitschassis und -motoren zum Einsatz kommen, es aber dennoch gewaltige Unterschiede zwischen den Rennställen gibt -, dennoch sollte auch der Prodrive-Silberpfeil für ansprechende Platzierungen gut sein.

Alexander Wurz erklärte dazu: "Da geht es sicher auch um andere Dinge - zum Beispiel, wie gut die Ingenieure sind. Prodrive würde vielleicht nicht auf dem gleichen Niveau wie McLaren-Mercedes fahren können, aber grundsätzlich würden sie nicht dramatisch weit weg liegen - ein paar Zehntel vielleicht. Man muss sich das vielleicht so vorstellen wie bei Toro Rosso und Red Bull Racing, wo das B-Team teilweise doch an das A-Team herankommen kann, wenn die Fahrer und die Ingenieure gut sind."

De la Rosa verhandelt mit Prodrive

Weil Prodrive Chassis und Motoren von McLaren-Mercedes einsetzen möchte, gehören die aktuellen McLaren-Mercedes-Testpiloten de la Rosa und Gary Paffett zu den Topfavoriten auf die begehrten Cockpits. Der Spanier bestätigte: "Wir sind natürlich im Gespräch." Zugleich sagte er: "Wir müssen abwarten - derzeit ist noch gar nichts fix. Es ist noch nicht einmal klar, ob es das Team überhaupt geben wird."

"Wir sind natürlich im Gespräch." Pedro de la Rosa

Diese Skepsis ist weit verbreitet im Fahrerlager - egal, wen man auch fragt, man erntet Achselzucken. Der Tenor lautet: "Prodrive? Zwölftes Team? Man hat nichts mehr von ihnen gehört. Die Zeit wird knapp. Wenn nicht bald etwas bekannt gegeben wird, kann man das wohl vergessen." Prodrive geistert also als eine Art Phantom der Formel 1 durch den Paddock.

Wurz stimmte ins gleiche Horn: "Ich bin auch skeptisch, weil es schon sehr spät ist im Jahr und wir noch nicht viel hören von dem Team. Von der Deadline her würde ich sagen, dass sie noch bis zum September Zeit haben, da könnte man das noch machen."

Wurz hat sich bereits eingehend mit dem Thema Kundenteam befasst: "Ich wusste ja auch bei dem geplanten Direxiv-Team über Details Bescheid." Die besagte Firma galt als Hauptsponsor eines geplanten Teams, das ebenso Kundenautos von McLaren-Mercedes einsetzen wollte, mit Jean Alesi als Teamchef und mit Wurz-Ehefrau Julia in der Organisation.

Wann kommen die hochrangigen Techniker?

Wurz kann also aus dem Nähkästchen sprechen. Was dem Niederösterreicher ganz besonders stark auffällt: Es gab noch keinerlei Verpflichtungen von Technikern oder sonstigen Teammitgliedern. Die Infrastruktur ist, so scheint es, noch gar nicht vorhanden. Wurz: "Du musst dir folgendes vorstellen: Du hast ein Problem, wenn du die Leute noch nicht eingestellt hast, denn die kommen ja nicht sofort. Du musst Ausschreibungen und Interviews mit den Interessenten machen."

Zudem müsse auch für den Einsatz von Kundenchassis eine entsprechende technische Infrastruktur errichtet werden. Wurz: "Es sind vor allem die ganzen so genannten Kleinigkeiten, die einen doch ziemlich langen Vorspann brauchen. Zum Beispiel die Jacks zu machen, mit welchen du das Auto heraufhebst. Du musst die ganzen LKWs einrichten. Oder die Heizdecken - die müssen ja hergestellt werden, gebrandet werden, sie müssen eigens entwickelt werden."

"Es sind vor allem die ganzen so genannten Kleinigkeiten, die einen doch ziemlich langen Vorspann brauchen." Alexander Wurz

"Du kannst nicht in den Supermarkt gehen und sagen: 'Ich brauche Hydraulic-Jacks, damit ich ein Formel 1-Auto aufheben kann!' Das muss alles gemacht werden - und das dauert alles richtig lang", fügte Wurz augenzwinkernd hinzu.

Für ihn ist daher klar, dass innerhalb des nächsten Monats ein entsprechender Vertrag bekannt gegeben werden muss, nur dann könne man wirklich mit einem zwölften Formel-1-Team rechnen. Sollte es bis dahin keine Neuigkeiten von Prodrive geben, wird man die Geschichte wohl vergessen können, zumindest für 2008. Für Wurz ist jedenfalls sonnenklar: "Nach September ist finito la tutti!"