Alonso: "Wussten, dass unsere Chance kommen würde"
Der Ferrari-Pilot im Interview über sein starkes Rennen in Silverstone, warum er zu jeder Zeit ruhig blieb und an seine Chance glaubte
(Motorsport-Total.com) - Frage: "Dies ist der erste Saisonsieg für dich und Ferrari. Dir wurde die Führung von Red Bull geschenkt, aber hast du das Gefühl, dass du den Fehler heute erzwungen hast?"
Fernando Alonso: "Nun, ich weiß es nicht. Das ist schwierig zu wissen. Ich sah das Problem beim Boxenstopp von Sebastian, und wir lagen zu diesem Zeitpunkt in Führung. Ich weiß nicht, denn ich kämpfte auch mit Lewis Hamilton und mit Mark Webber, und ich verließ die Box und fand mich selbst in der Führung des Rennens wieder."

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Fernando Alonso genießt den Moment: Silverstone-Sieg ist etwas Besonderes
"Dann baute ich einen guten Vorsprung auf. Man weiß nie. Das Rennen fand unter unterschiedlichen Bedingungen statt. Wir begannen auf einem sehr nassen Teil der Strecke, und dann war es etwas trocken, aber dennoch fuhren wir noch mit den Intermediates."
"Anschließend bekamen wir auf den Intermediates etwas Probleme. Zu diesem Teil des Rennens waren wir sehr schnell, und auf den Trockenreifen war es ebenso. Wir waren zu Beginn sehr langsam, als die Strecke feucht war, und sehr schnell, als die Strecke trocken war."
"Ich wusste also, dass es ein Rennen war, in dem man ruhig bleiben muss, das Auto immer auf der Strecke halten muss, sich keine Fehler erlauben darf, zu keinem Zeitpunkt neben die Piste kommen darf, da das Gras immer noch sehr nass war. Und wenn man keine Fehler machte, so wusste ich, dass das Auto eine ausreichend gute Geschwindigkeit hat, um um den Sieg kämpfen zu können. Schlussendlich war das auch der Fall."
Frage: "Du hattest einen großartigen Zweikampf mit Hamilton. Erzähle uns etwas über das Überholmanöver und wie du dann wieder an ihm vorbei gekommen bist."
Alonso: "Nun, er hat mich ziemlich locker überholt. Als wir die Trockenreifen montierten, war er zu diesem Zeitpunkt des Rennens sehr, sehr schnell. Wir waren aus diesem Grund gezwungen, ruhig zu bleiben. Wir wussten, dass unsere Chance später im Rennen kommen würde. Und als ich ihn erneut überholte, hatte ich dies DRS und KERS und all diesen Möglichkeiten zu verdanken, die wir in der heutigen Zeit haben."
"Dann attackierten wir die Red Bull, so wie das von nun an immer der Fall sein wird. Jedes Rennen versuchen wir zu absolvieren wie das Finale. Die Hoffnungen auf die Meisterschaft sind im Moment sehr schwierig, denn Sebastian beendet weiterhin alle Rennen auf der ersten oder zweiten Position. Das einzige, was wir tun können, ist zu versuchen, jedes Rennen zu gewinnen und sehr aggressiv zu sein. Jedes Rennen, jeder Start, jede Strategie wird am Maximum sein."
Frage: "Beschreibe uns die Emotionen und die Befriedigung, welch dir dieser Sieg heute verleiht."
Alonso: "Es ist ein sehr spezieller Sieg. Für jeden Fahrer, der in der Formel 1 an den Start geht, ist Silverstone meiner Meinung nach eine spezielle Veranstaltung. Wir kennen die Geschichte des Motorsports hier in Großbritannien, es ist aus diesem Grund ein spezieller Grand Prix."
"Zudem hatte ich heute das Privileg, das Auto von Jose Froilan Gonzalez zu fahren. Es war der erste Ferrari-Sieg in der Formel 1, und dieses Jahr ist es 60 Jahre her, dass ein Ferrari-Auto das erste Rennen in der Formel 1 gewann."
"Heute haben wir auf derselben Strecke mit derselben Leidenschaft, mit derselben Gruppe Leute, die für dieses fantastische Team arbeiten, gewonnen. Jedes Jahr wird in der Formel 1 von Beginn an angetreten, das ist das Große bei Ferrari. Die Leidenschaft, der Sieg und die Liebe für den Wettbewerb - ich bin aus diesem Grund sehr glücklich, dieses Auto zu fahren und diesen Erfolg erneut zu erzielen."
Frage: "Der Sieg kam also zum 60. Geburtstag des ersten Ferrari-Sieges genau richtig, oder?"
Alonso: "Definitiv. Ich konnte heute mit dem Auto zwei Runden genießen, und das ist Teil der Geschichte von Ferrari. In jedem einzelnen Jahr, in jeder einzelnen Meisterschaft der Formel 1 - der Sieg vor 60 Jahren mit dem Auto und nun 60 Jahre später auf derselben Strecke mit derselben Atmosphäre... Ich bin mir sicher, dass im Team dieselbe Leidenschaft herrscht, mit dem roten Auto Siege zu holen."
"Wir sind sehr stolz auf das Team, sehr stolz auf die Aufholjagd, die wir geleistet haben. Vor drei oder vier Rennen lagen wir um 1,5 Sekunden zurück, und nun haben wir das Rennen gewonnen und sind davon gezogen."
"Das war vom Team also definitiv eine gute Aufholjagd und ein sehr spezieller Tag. Jedes Rennen ist speziell, aber an historischen Orten auf dieser fantastischen Strecke, Silverstone, mit der Tradition in Großbritannien in der Formel 1, der Kultur des Motorsports zu gewinnen, ist sogar noch spezieller."
Frage: "Glaubst du, dass du ohne das Problem beim Boxenstopp von Sebastian gewonnen hättest? Du hast eine Abfolge schnellster Rennrunden zur Mitte des Rennens absolviert, hattest am Ende einen Vorsprung von rund 20 Sekunden."
Alonso: "Wer weiß? Das weiß man nie. Es ist schwierig, irgendeine Vorhersage zu treffen, was passiert wäre, hätte Sebastian die Probleme nicht gehabt. Mit Sicherheit wäre es schwieriger gewesen, und man muss auf der Strecke überholen."
"Und wenn man über drei oder vier Zehntelsekunden Unterschied redet, ist es nicht einfach zu überholen, wie man anhand von McLaren und Sebastian sehen konnte, als er versuchte, Lewis Hamilton zu überholen."
¿pbvin|512|3858|ferrari|0|1pb¿"Es ist nicht einfach zu überholen, also waren die Probleme beim Boxenstopp bei ihnen eine Hilfe. Aber das ist in jedem Rennen so. Vielleicht war es bei Jenson in Kanada eine andere Sache. Er gewann das Rennen und wir fielen aus. Die Rennen laufen ab, wie sie ablaufen."
Frage: "Du hast vor dem Wochenende gesagt, dass dies keine Strecke ist, von der du ausgehst, dass sie dem Ferrari liegt. Was können wir vom Nürburgring erwarten?"
Alonso: "Nun, für uns ist es eine gewaltige moralische Motivation. Wir sind zuversichtlich, dass wir hier in Silverstone schnell waren, denn ohne Zweifel war dies ein Rennen im Kalender, welches ein rotes Kreuz hatte."
"Wir wussten, dass es für uns in Bezug auf die Charakteristiken der Kurven, dem Layout keine einfache Strecke ist. Denn die Hochgeschwindigkeitskurven waren in den vergangenen zwei oder drei Jahren nie unsere Stärke."
"Wir wussten deshalb, dass Silverstone wie Barcelona für uns schwierig sein würde. Es ist aus diesem Grund für alle eine gute Motivation, dass wir hier gewonnen haben. Ich bin mir sicher, dass wir die kommenden Rennen voller Zuversicht angehen werden, denn die Strecken werden uns etwas besser liegen."
Frage: "Du kannst nun anstatt einem Kreuz einen roten Haken hinzufügen..."
Alonso: "Wir werden versuchen, den Moment, den Sieg und die harte Arbeit zu genießen. Wir werden dieselbe Herangehensweise haben, welche wir in Valencia hatten, die wir in Kanada hatten, und die wir auch hier und an jedem Wochenende haben."
"Es ist ein Wochenende, an dem wir versuchen, den Sieg zu holen, das Rennen zu gewinnen. Im Moment gibt es keine Gedanken an die Meisterschaft bei irgendjemandem im Team, denn wir wissen, dass der Abstand auf Sebastian im Moment massiv ist. Wir müssen einfach jedes Wochenende genießen, versuchen, an jedem Wochenende zu gewinnen und am Start, bei den Boxenstopps aggressiv zu sein. Es gibt keine Zeit, an etwas anderes zu denken."
Frage: "Du hast schon vor einer ganzen Weile gesagt, dass Silverstone für Ferrari der Wendepunkt wird. Was wusstest du, was der Rest von uns nicht wusste, und wie wichtig ist es für dich persönlich, deinen ersten Saisonsieg geholt zu haben?"
Alonso: "Während den vergangenen paar Rennen habe ich gesagt, dass sich das Team mit Sicherheit deutlich verbessern wird. Es gab einen Teil der Meisterschaft, während dem wir neuer Teile an das Auto montierten, und sie waren nicht schneller. Also hat uns der Windkanal nicht die Wahrheit gesagt. Wir verloren aus diesem Grund in den ersten paar Rennen mit den Upgrade am Auto etwas an Boden."
"In den letzten drei oder vier Rennen schien jedes neue Teil am Auto gut zu funktionieren. Es gab für uns also Fortschritte und sehr gute Neuigkeiten, nicht nur für dieses Jahr sondern auch für die Entwicklung des nächstjährigen Autos. Wir sind darüber sehr glücklich, und es scheint, als hätten wir hier ein ziemlich großes Aerodynamik-Update mitgebracht und alles scheint zu arbeiten. Sowohl Felipe als auch ich fühlen uns im Auto viel glücklicher. Dies ist etwas, das wir in den vergangenen drei oder vier Rennen gefühlt haben, und das meinte ich damit."
"Der Sieg hier ist sehr speziell. Wie ich schon sagte, ich denke, dass der Motorsport hier in Großbritannien sehr groß ist. Die Leute verstehen den Sport, sie lieben Motorsport. Es gibt hunderte verschiedener Kategorien, klassische Autos, viele Dinge, die es nur hier in England gibt, denn sie lieben den Motorsport. Es ist aus diesem Grund aus der Sicht des Fahrers großartig, hier vor all diesen Leuten zu gewinnen, hier in Silverstone mit all den historischen Rennen, die wir hier hatten, und den guten Kämpfen zahlreicher großer Namen, welche hier Rennen gefahren sind."
Frage: "Das war für alle hier eine wirklich aufregende Erfahrung, dich diesen alten Ferrari bis an das Limit treiben zu sehen. Wenn du 60 Jahre älter wärst, glaubst du, dass du lieber ein primitives Auto fahren würdest oder genießt du es mehr, einen modernen Ferrari zu fahren?"
Alonso: "Ich denke, dass ich immer noch den Motorsport lieben, Autos lieben würde. Ich hatte auch das Privileg, vergangene Woche in Maranello im Auto von John Surtees zu sitzen. Meiner Meinung nach war es natürlich ein anderer Sport, viel gefährlicher."
"Das Niveau an Leistungen und Haftung ist nun völlig anders. Wenn ich diese Autos fahre, so gibt es jede Menge Kraft für die Haftung, über die wir verfügen. Wir reden von rund 450-500 PS auf einem Rad, das so breit ist. Aber bei jedem Auto oder jedem Lenkrad, das du in deinen Händen hältst, ist es egal, ob es 60 oder 30 Jahre alt ist. Da ist es egal, ob es gefährlicher oder weniger gefährlich ist, das merkst du nicht."
"Du willst es einfach fahren, am Limit sein und das Fahren genießen. Ich verstehe das Adrenalin und die Emotionen aus dieser Zeit absolut, und ich bin mir sicher, dass es sehr ähnlich zu dem ist, was wir nun verspüren. Wir haben nur das Glück, dass sich die Sicherheit deutlich verbessert hat."
Frage: "Wie stark glaubst du, haben sich die Veränderungen am Reglement in Bezug auf den angeblasenen Diffusor an diesem Wochenende auf die generelle Leistung deines Autos ausgewirkt?"
Alonso: "Bei mir nicht. Ich denke nicht, dass dies ein großer Faktor ist. Wir haben gesehen, dass ein McLaren bis zum letzten Moment um das Podium gekämpft hat. Wir sahen Red Bull, Ferrari um die anderen Positionen auf dem Podium fahren, so, wie wir dies schon vor 15 Tagen in Valencia gesehen haben, als ich Zweiter war. Ich habe keinen Force India oder einen Sauber um den Sieg kämpfen sehen, weil sich die Regeln geändert haben. Es war mehr oder weniger dasselbe."
Frage: "Wo würdest du Ferrari nun in Bezug auf die Leistung in schnellen und langsamen Kurven einordnen, vielleicht in Relation zu Red Bull, oder relativ gesehen dort, wo du dich vor vier Rennen befunden hast?"
Alonso: "Natürlich ist das schwierig zu sagen. Wir müssen das Rennen etwas besser analysieren, die Sektoren und so weiter. Ich denke jedoch, dass wir zwischen einer und 1,5 Sekunden hinter Red Bull lagen, besonders im Qualifying vor vier Rennen. In Barcelona denke ich, dass ich um 1,2 Sekunden und Felipe um 1,6 Sekunden oder so hinter mir lag."
"Der Durchschnitt war also hier und dort vorhanden, mit ähnlichen Charakteristiken, Hochgeschwindigkeitskurven und exakt denselben Reifen, den weichen und den harten, waren wir deutlich näher dran, das ist also definitiv eine Verbesserung. Hier waren wir aus irgendeinem Grund im zweiten Sektor das gesamte Wochenende über schnell, welcher ein Hochgeschwindigkeitssektor ist."
"Vielleicht bedeutet dies, dass wir diesbezüglich jede Menge Boden gut gemacht haben. Nun konzentrieren wir uns etwas mehr auf unsere Stärke, welches die Geschwindigkeit in langsamen Kurven war, wo wir Verbesserungen vornehmen müssen."
Frage: "Was wäre gewesen, wenn Hamilton nicht Sebastian und Mark hinter sich gehalten hätte? Wäre dein Rennen dann anders gewesen? Und was wäre gewesen, wenn du in einem normalen Rennen die harten Reifen hättest verwenden müssen?"
Alonso: "Das ist ein guter Punkt. Nach den ersten Runden auf den Intermediates mussten wir den harten Reifen nicht mehr verwenden. Also entschieden wir uns dazu, das gesamte trockene Rennen mit dem Reifen zu fahren, welcher die beste Leistung bringen, und das war in diesem Fall der weiche. Es gibt also ein Fragezeichen dahinter, wie die Leistung des Autos auf dem harten Reifen ausgesehen hätte."
"Im 3. Freien Training und im ersten Qualifying-Teil waren wir auf dem harten sehr, sehr konkurrenzfähig. Wir sind also ohne Probleme und ohne die Zweifel ins Rennen gegangen, die wir in Barcelona hatten. Es gab dort ein großes Problem, aber wir waren überzeugt, dass hier auf den harten Reifen alles in Ordnung sein würde. Aber das war natürlich nur ein Gedanke."
"Und natürlich wäre das Rennen mit Sicherheit etwas anders gewesen, hätte Hamilton nicht Sebastian hinter sich gehalten. Wir hätten mehr Druck machen müssen, um einen Vorsprung herauszufahren. Da Lewis dort war, war das Rennen für uns etwas komfortabler, und wir konnten die Drehzahl etwas zurücknehmen und etwas mehr auf den Motor, die Reifen und solche Dinge achten."
Frage: "Vor einem Jahr hast du dich inmitten der Teamorder-Krise befunden. Genießt du nun die Tatsache, dass Politik bei Red Bull involviert ist?"
Alonso: "Ich bin nicht glücklich mit irgendwelcher Politik, nicht bei mir und auch nicht bei Red Bull. Ich denke nicht, dass es diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten gibt. Auf die Fragen, die ihr Vettel und Webber hier stellt, antworten sie gut, es gibt also keine Meinungsverschiedenheiten. Aber ich bin mir sicher, dass ihr morgen etwas schreiben werdet..."

