• 26.03.2009 11:51

Alonso: "Was wir brauchen, ist Kontinuität"

Fernando Alonso im Interview über den bevorstehenden Saisonstart, den geplanten WM-Modus für 2010 und das Debüt von KERS

(Motorsport-Total.com) - Nach einem schwierigen Start in den Testwinter scheint sich Renault wieder etwas gefangen zu haben und rechnet sich für den Saisonstart in Australien einiges aus. Die Équipe wird in Melbourne das neue KER-System zum Einsatz bringen und erhofft sich davon wertvolle Erkenntnisse, möchte aber auf jeden Fall sofort in die Punkteränge vorstoßen. Doppelweltmeister Fernando Alonso erläuterte im Interview, was er sich von der bevorstehenden Formel-1-Saison erwartet und wen er an der Spitze sieht.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso, Melbourne, Albert Park Melbourne

Doppelweltmeister Fernando Alonso war zum Auftakt in Melbourne bester Dinge

Frage: "Fernando, mit was für einem Gefühl gehst du in diese Saison?"
Fernando Alonso: "Ich fühle mich prima. Vor uns liegt eine sehr interessante Saison mit vielen Neuerungen. Wir sind alle schon sehr gespannt. Sobald wir am Sonntag im Rennen sind, werden wir wissen, wie konkurrenzfähig wir sind. Man kann nach den Wintertests immer nur schwer einschätzen, wie schnell man wirklich ist. Die Antwort auf diese Frage werden wir schon in naher Zukunft erhalten."#w1#

Alonso plädiert für Stabilität bei den Regeln

Frage: "Welche deiner Konkurrenten hast du besonders im Auge?"
Alonso: "Wir unterschätzen garantiert niemanden. Brawn, Ferrari, BMW, Toyota - da gibt es richtig viele Namen. Die Meisterschaft scheint ziemlich offen zu sein und gerade das macht es für uns so aufregend. Wir werden sehen."

Frage: "Manche Leute meinen, die Meisterschaft könnte durch den Diffusor-Streit entschieden werden. Ist das wirklich so bedeutend?"
Alonso: "Das glaube ich nicht. Vielleicht ist das in den ersten Rennen ein Thema, denn dabei werden sicherlich einige Teams richtig schnell sein - wie zum Beispiel Brawn. Sie haben die Regeln eben anders interpretiert. Für die ersten paar Rennen ist es also wichtig zu wissen, wie die heutige Entscheidung ausfällt. Für den Rest der Meisterschaft macht es keinen großen Unterschied, denn in drei oder vier Rennen werden die Autos ohnehin ausgeglichen sein - egal, welche Entscheidung heute getroffen wird."

"Lasst uns einfach einmal das erste Rennen abwarten..." Fernando Alonso

Frage: "Es scheint fast so, als stünde dieser Saisonstart in keinem guten Licht. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Auftakt..."
Alonso: "Da stimme ich vollkommen zu. Leider waren die vergangenen drei oder vier Wochen nicht gerade gut für unseren Sport - bei den ganzen Regeländerungen und Versuchen, die Weltmeisterschaft künftig durch Siege alleine zu entscheiden. Wir freuen uns sehr, dass sie ihre Entscheidung zurückgenommen haben und zum normalen Punktesystem zurückgekehrt sind."

"Aber jetzt haben wir diese Diffusor-Geschichte. Für die Fans ist es sicherlich unmöglich zu verstehen, wie die Formel 1 bei so vielen Veränderungen und Zweifeln überhaupt in eine neue Saison gehen kann. Lasst uns einfach einmal das erste Rennen abwarten, dann können wir wieder über den Sport reden und über den Spaß im Auto. Hoffentlich werden die Zuschauer es genießen. Die Formel 1 ist schon seit über 50 Jahren eine der verrücktesten Sportarten überhaupt, die Millionen von Fans rund um die Welt verfolgen."

FOTA-Vorschläge für Alonso sehr vernünftig

"Die vergangenen drei Weltmeisterschaften wurden jeweils erst im letzten Rennen - im vergangenen Jahr sogar erst in der letzten Kurve - entschieden. Wir sollten uns also nicht auf den Kopf stellen und verzweifelt versuchen, den Leuten eine noch bessere Show zu bieten. Die Show ist gut genug - was wir brauchen, ist Kontinuität."

"In meinen Augen waren das sehr clevere Ideen." Fernando Alonso

Frage: "Bernie (Ecclestone; Anm. d. Red.) hat angekündigt, dass er den neuen WM-Modus schon 2010 verwirklicht sehen will. Denkst du, dass ihn die Fahrer oder irgendjemand anders davon abbringen können?"
Alonso: "Ich glaube schon. Die Teamvereinigung FOTA hat einige Vorschläge eingereicht und die waren sehr klar formuliert. In meinen Augen waren das sehr clevere Ideen, wobei den Fans viel Beachtung geschenkt wurde. Wir sind uns alle darin einig, dass der Sieger mehr verdient hat, als das, was er im Augenblick bekommt."

"Das 12-9-7-System würde also möglicherweise einen Kompromiss darstellen und wäre wahrscheinlich zukunftsträchtiger als der Siege-Modus. Alle Fahrer und alle Teams denken so - die FIA und Bernie können sich da nicht einfach gegen den Rest der Welt stellen. Wenn sich die Fans, die Fahrer und die Teams einig sind, dann müssen sie sich einfach dieser Richtung fügen."

KERS als große Unbekannte

Frage: "Du hast wieder den WM-Titel ins Visier genommen. Glaubst du, dass du für den richtigen Wagen und das passende Team dafür hast?"
Alonso: "Das will ich doch hoffen! Zumindest will ich im Moment davon ausgehen. Unser Ziel hat sich seit unserem Launch in Portugal nicht verändert. Wir müssen um die Weltmeisterschaft fahren und wollen am Ende des Jahres auch Weltmeister sein. Wir wissen um die Schwierigkeit dieser Aufgabe Bescheid und ja, es ist die Formel 1. Ich habe allerdings vollstes Vertrauen in unsere Mannschaft. Das Team hat im vergangenen Jahr unter Beweis gestellt, dass es den Wagen verbessern kann."

"Wir sehen uns also in einer guten Situation. Die Ausgangslage ist in diesem Jahr wesentlich besser als noch 2008. Wir sollten gut genug sein, um schon zu Saisonbeginn in die Punkte zu fahren. In meinen Augen haben wir das Potential, um dem Wagen während der Saison noch mehr Performance einzuhauchen. Wenn wir konstant sind, dann haben wir schließlich auch einen Chance auf den Titel. Darauf hoffe ich sehr."

"Wir erwarten uns in Bezug auf die Rundenzeit keine Quantensprünge." Fernando Alonso

Frage: "Wie zuversichtlich bist du in Punkto KERS? Wird es ein Vorteil sein?"
Alonso: "Das sind die Fragen, die uns momentan ebenfalls bewegen. KERS ist im Augenblick noch die große Unbekannte. Wir werden es nun erstmals im Renntrimm ausprobieren und um Zweikampf mit anderen Fahrern. Bislang ist KERS ausschließlich bei den Testfahrten zum Einsatz gekommen und da waren wir alleine auf der Strecke. Wir erwarten uns in Bezug auf die Rundenzeit jedenfalls keine Quantensprünge."

"Vielleicht verliert man ein bisschen in den Kurven und gewinnt dafür etwas auf den Geraden. Das ändert also nicht viel. Wir müssen nun die Antwort auf die Frage finden, ob KERS im Zweikampf wirklich eine Hilfe ist. Das werden wir vermutlich am Sonntag erfahren. Wir haben uns dazu entschieden, KERS einzusetzen. Wir sind glücklich mit dieser Entscheidung - besser, wir haben es an Bord."

Alonso rechnet in jedem Fall mit McLaren-Mercedes

Frage: "Hast du wegen des KERS-Einsatzes Gewicht abnehmen müssen?"
Alonso: "Daran führt eigentlich kein Weg vorbei, denn dieses System ist doch recht schwer. Im vergangenen Jahr hatten wir noch einiges an Ballast an Bord, den wir frei platzieren konnten, um ein gutes Setup zu erhalten. Das ist in diesem Jahr nur noch sehr begrenzt möglich. Das Team musste also schauen, wo es 500 Gramm, 400 Gram oder 300 Gramm einsparen konnte, um am Ende zwei Kilogramm weniger auf die Waage zu bringen. Als Fahrer versucht man natürlich, dem Team so gut wie möglich zu helfen."

"Wir müssen abwarten und sehen, wie konkurrenzfähig sie wirklich sind." Fernando Alonso

Frage: "McLaren hat verlauten lassen, dass sie in den ersten drei oder vier Rennen vermutlich nicht siegfähig sein werden. Ist dieser Nachteil zu groß, als dass sie noch in den WM-Kampf eingreifen könnten?"
Alonso: "Wir müssen einmal abwarten und sehen, wie konkurrenzfähig sie wirklich sind. Bei den Testfahrten kann man nur bedingt erkennen, wie schnell ein Team ist. Hier in Australien wird sich also zeigen, ob sie um WM-Punkte und letztendlich um den WM-Titel kämpfen können. Sollten sie nicht schnell sein und auch keine Punkte machen, dann wird es darauf ankommen, wie rasch sie neue Teile erhalten und wie schnell sie damit sein können."

"Wir gehen jedenfalls davon aus, dass McLaren siegfähig sein wird und auf das Podium fahren kann, auch wen sie keine gute Ausgangslage haben. Ihre Ressourcen und ihr Potential sind riesig. Wenn es sein muss, dann können sie innerhalb eines Monats ein komplett neues Auto bauen. Andere Teams würden dafür glatt ein halbes Jahr brauchen.