Alonso kritisiert Formel 1: Vor zehn Jahren war alles besser

Fernando Alonso kritisiert die aktuellen Zustände der Formel 1 und wünscht sich schnellere Autos und eine bessere Show: Die muss aber nicht Überholen beinhalten

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 steht vor wichtigen Veränderungen. Das neue Reglement für die Saison 2017 entscheidet über die Zukunft der Königsklasse. Lange Zeit gab es ein großes Gezerre um das Reglement, doch seit Ende April ist der Rahmen festgezurrt. Der Grundtenor ist, dass die Formel-1-Boliden ab der kommenden Saison wieder schneller werden sollen: Von drei bis fünf Sekunden pro Runde ist die Rede.

Titel-Bild zur News: Fernando Alonso

Fernando Alonso fühlte sich vor zehn Jahren in der Formel 1 noch wohler Zoom

"Es geht in die richtige Richtung", freut sich Fernando Alonso. Der Spanier war schon in der Serie unterwegs, als man Mitte der 2000er-Jahre die schnellsten Zeiten der Geschichte fuhr. Danach versuchte man die Königsklasse mit Regeländerungen Stück für Stück langsamer zu machen, doch nun folgt die Rolle rückwärts. "Die Autos sind zu langsam", findet auch der Spanier. "Wir sind im Rennen neun Sekunden langsamer (als im Qualifying; Anm. d. Red.), und diese Zeiten sind nicht akzeptabel."

Zumindest dieses Problem soll sich 2017 erst einmal lösen lassen. Allerdings sehen viele die Veränderungen skeptisch, weil sich die Show dadurch verschlechtern könnte. Es heißt, dass die Autos einander nicht mehr so leicht folgen können und dass Überholmanöver dadurch wieder Mangelware werden können. Doch das findet Alonso nicht problematisch und verweist auf zwei Rennen aus der schnellen Formel-1-Zeit: Imola 2005 und 2006.

Überholen: Lieber weniger als künstlich

Damals gab es einen intensiven Kampf zwischen dem damaligen Renault-Piloten und Ferraris Michael Schumacher. Schumacher hatte das schnellere Auto, doch Alonso konnte den Deutschen 2005 knallhart hinter sich halten, 2006 war das Ergebnis genau umgekehrt. "Die Rennen waren sehr interessant. Es gab drei oder vier Überholmanöver im ganzen Rennen, trotzdem wird es als eine der besten Shows angesehen", erklärt er, dass er nicht unbedingt Überholmanöver braucht. "Wir müssen keinen Fokus auf das Überholen legen, weil es damals schwierig war, trotzdem waren die Rennen großartig."

Fernando Alonso, Michael Schumacher

2005 gewann Fernando Alonso in Imola, trotz großen Drucks von Schumacher Zoom

Heutzutage seien Überholmanöver ohnehin inflationär, wie sich am Beispiel des China-Grand-Prix darstellt. Dort wurde der Rennverlauf ziemlich unübersichtlich, weil immer irgendein Fahrer an einem Gegner vorbeigebraust war. Doch das ist für Alonso auch nicht der Sinn der Sache: "Die Überholmanöver sind nicht so echt wie früher. Wenn man in einer Kurve nicht vorbeikommt, wartet man eben noch eine weitere und fährt vorbei", kann er dem Überholspektakel nichts abgewinnen. "Es ist ein wenig zu künstlich."

Stattdessen sollte sich die Formel 1 auf andere Probleme besinnen. Der McLaren-Pilot weiß, auf welche Dinge er Wert legen würde: "Wir brauchen die schnellsten Autos für die gute Show, wir brauchen ein wenig Sound, gute Kämpfe und große Namen, die um die Meisterschaft kämpfen." Speziell Letzteres ist ihm ein Anliegen, weswegen er einen Fußball-Vergleich bemüht: "Wenn im Fußball Barcelona und Madrid um die Meisterschaft kämpfen, dann schaut jeder. Bei zwei kleineren Teams, die keiner kennt, schauen vielleicht die Leute aus der Stadt - aber niemand anderes", sagt er.

Alonso: "Es gibt keinen echten Wettbewerb"

Und in gewisser Weise fühlt er sich gerade in der Formel 1 so - vermutlich weil Alonso wie auch Teamkollege Jenson Button höchstens um die Goldene Ananas kämpft, anstatt den WM-Titel im Visier zu haben: "Es gibt keinen echten Wettbewerb, und manchmal sind einem die Hände gebunden", seufzt der Spanier, der mit McLaren im Grunde keinen Pfifferling gewinnen kann. "Ich kann den besten Tag meines Lebens und eine magische Runde am Samstag haben, aber dann bin ich halt Elfter statt 13. Das fällt am Fernsehen niemandem auf. Das muss sich ändern", fordert er.

Spezielle Leistungen scheinen heutzutage in der Formel 1 nur noch selten möglich zu sein. Dass ein langsameres Fahrzeug ein schnelleres aufhalten kann, ist durch DRS und große Unterschiede der Reifenperformance eine Sache von äußerstem Seltenheitswert. Auch deswegen kann beispielsweise ein Lewis Hamilton trotz zehntem Startplatz in Sotschi spielend auf Rang zwei nach vorne fahren, was das Kräfteverhältnis nur noch mehr zementiert und die Königsklasse vorhersehbarer macht.

Die fehlende Spannung um den Sieg ist ein weiterer Kritikpunkt von Alonso. Zwar gab es diese auch zu Hochzeiten eines Michael Schumacher bei Ferrari, doch selbst in der absoluten Dominanz 2004 gab es vier verschiedene siegreiche Teams. Seit der Mercedes-Ära konnte abgesehen von den Silberpfeilen nur noch ein weiterer Fahrer pro Saison gewinnen (2014 Daniel Ricciardo, 2015 Sebastian Vettel), 2016 steht nur Nico Rosberg in den Siegerlisten.

Kräfteverhältnis zementiert

Zwar verdiene Mercedes es, weil sie den besten Job gemacht haben, meint Alonso, doch glücklich ist er damit nicht: "Die Rennen sind derzeit vermutlich zu vorhersehbar, was den Sieg angeht", sagt er und gibt dem Reglement dafür die Schuld. "Es ist nicht einfach zu reagieren und aufzuholen. Die Motoren sind eingefroren, und es ist ziemlich unmöglich, innovativ und kreativ beim Design des Autos zu sein", erklärt er und verweist auf Honda, die den Rückstand seit dem Einstieg nicht aufholen konnten.

Fernando Alonso, Romain Grosjean

Mit seinem McLaren kämpft Alonso meist um hintere Positionen Zoom

Und dass mit Pirelli nur ein Reifenhersteller alle Teams ausrüstet, sei ebenfalls ein Faktor für Langeweile: "Früher hatte man zwei Hersteller und einem konnte eine Strecke besser liegen, doch jetzt haben alle die gleichen Reifen, die gleichen Reifendrücke, die gleiche Gewichtsverteilung...", winkt er ab und sieht aktuell keine Chancen für die Konkurrenz der Silbernen: "Wenn Mercedes das erste Rennen gewinnt, gewinnen sie auch das 21."

Und weil die Entwicklung während der Saison keine entscheidenden Wendungen mehr bringen kann, benötige ein Fahrer auch bei seiner Teamwahl Glück. Welcher Rennstall vor einer Regelnovelle das beste Händchen hatte, der könnte eine ganze Zeit lang davon profitieren - wie etwa Red Bull in der Vettel-Ära oder nun Mercedes mit ihren Turbomotoren. "Aus Herstellersicht ist das gut, aber vielleicht nicht aus Sicht der Show und der Sportler", zuckt Alonso mit den Schultern.

Alonso fordert Gehör für Fahrer

Der Spanier selbst hatte dadurch bereits des Öfteren Pech gehabt. Mit Ferrari und nun McLaren hatte er in der Weltmeisterschaft das Nachsehen gegen Red Bull und Mercedes und konnte auch nachträglich keinen Weg in die dominierenden Teams finden. "Früher konnte man von einem Topteam aufgelesen werden, heute weiß man nicht, wer in zwei oder drei Jahren ein Spitzenteam sein wird", hadert er ein wenig.


Fotostrecke: Die zehn denkwürdigsten F1-Regeländerungen

Auch 2017 ist noch nicht klar, wer der große Profiteur der Regeländerungen sein wird, doch zumindest sollte der sportliche Aspekt wieder besser werden. Alonso freut sich zumindest auf Autos, die spektakulärer und schneller sein werden. Und für alles weitere sollte man ihn und seine Kollegen anhören, fügt er an: "Wir wollen noch mehr gehört werden. Wir sind nicht hier, um die Regeln zu ändern, aber wir können etwas sagen, um die Show durch unsere Erfahrung zu verbessern."