• 16.09.2001 16:51

Ärzte kämpfen immer noch um Zanardis Leben

Die Ärzte in Berlin haben Zanardi in ein künstliches Koma versetzen müssen und kämpfen um das Leben des Italieners

(Motorsport-Total.com/sid) - Die Ärzte kämpfen um Alessandro Zanardis Leben, die Rennfahrerkarriere des Italieners ist auf grausame Weise für immer zerstört. Der 34-Jährige verlor bei einem schrecklichen Unfall bei der Europa-Premiere der US-Cart-Serie auf dem EuroSpeedway Lausitz beide Beine, sie mussten oberhalb der Knie amputiert werden. Zudem erlitt der einstige Formel-1-Teamkollege von Ralf Schumacher schwere Beckenverletzungen. Zanardi wurde im Klinikum Berlin-Marzahn fünf Stunden operiert und am Sonntag in ein künstliches Koma versetzt. Sein Zustand sei "kritisch, aber stabil", teilte Cart-Rennarzt Dr. Steve Olvey mit, Zanardi habe "sehr viel Blut verloren".

Titel-Bild zur News: Zanardis Helm

Schreckliche Gewissheit: Alessandro Zanardis Helm wird für immer leer bleiben

Das Unglück ereignete sich 12 Runden vor Schluss. Bis dahin hatte Zanardi das Rennen angeführt und war auf dem Weg zum ersten Saisonsieg. Doch dann stockte den 88.000 Zuschauern der Atem: Nach der Ausfahrt aus der Boxengasse stellte sich der Reynard-Honda des zweimaligen Cart-Champions (1997, 1998) nach einem Dreher plötzlich quer. Der nachfolgende Alex Tagliani (Kanada) konnte nicht mehr ausweichen und bohrte sich mit dem Reynard-Ford bei Tempo 320 in Zanardis Fahrzeug. Das Auto des Italieners wurde dabei förmlich in zwei Teile gerissen, überall lagen Trümmer auf der Strecke. Zanardis Frau Daniela brach mit einem Schock zusammen. Tagliani kam ohne schwere Blessuren davon, musste aber zur Beobachtung noch im Krankenhaus bleiben.

"Wir beten für Alex und seine Familie, denn er hat jetzt seinen schwersten Kampf vor sich. Aber wir kennen Alex und wissen, dass er ein Kämpfer ist", sagte Teambesitzer Moris Nunn. Auch in Monza bei BMW-Williams reagierte man bestürzt. "Ich bin total fertig. Ich mag ihn. Alex ist ein dufter Typ und der beste Teamkollege, den ich je hatte", sagte Ralf Schumacher. Erschüttert war auch Prost-Pilot Heinz-Harald Frentzen: "Das ist schrecklich. Am Montag war er noch bei mir zu Hause in Monaco und hat mit meiner Tochter gespielt."

Derweil suchte der ehemalige Tourenwagen-König Klaus Ludwig (Roisdorf), der als Co-Kommentator der ARD unmittelbar nach dem Unfall kreidebleich das Studio verließ, nach Gründen: "Cart müsste sich Gedanken darüber machen, die Reifen wie in der Formel 1 und DTM mit Heizdecken vorzuwärmen. Das Problem bei Zanardi war, dass er beim Beschleunigen aus der Box wegen der harten Reifen wenig Grip hatte und dadurch quer kam. Das ist so, als wenn man mit einem Serienauto auf nasser oder glatter Fahrbahn voll beschleunigen würde", sagte Ludwig dem Sport-Informations-Dienst (sid).

Hans-Jörg Fischer, Geschäftsführer des EuroSpeedway Lausitz, betonte, dass die Hochgeschwindigkeits-Strecke in keinster Weise für den Unfall verantwortlich sei: "Wir bedauern es sehr, was passiert ist. Aber das war ein reiner Rennunfall und hat mit der Strecke nichts zu tun. Das hätte auf jeder anderen Strecke auch passieren können." Fischer habe schon im Mai gesagt, "dass wir auch in Zukunft von Unfällen nicht verschont bleiben werden".

Es war das dritte Unglück auf dem hochmodernen EuroSpeedway in diesem Jahr. Am 25. Mai war der Italiener Michele Alboreto in einem Audi bei Testfahrten für die 24 Stunden von Le Mans in der Lausitz tödlich verunglückt. Am 11. Juni erlitt ein Streckenposten beim Training für die Deutsche Tourenwagen Challenge (DTC) tödliche Verletzungen.

Ausgelassen, erwartungsfroh und mit fröhlichen Gesichtern war der 1.500 Mann starke US-Tross am Montag zur Premiere angereist. Geschockt, fassungslos und mit versteinerten Mienen erfolgte am Sonntag die Abreise. Erst drohte der Veranstaltung nach den verheerenden Terror-Anschlägen in den USA der Abbruch, dann drehte sich am Donnerstag im Daueregen kein Rad, und schließlich sorgte Zanardis Unfall für ein tragisches Ende.
Dennoch bemühte sich Fischer um eine positive Bilanz. In der Tat sahen insgesamt fast 150.000 Besucher erstklassigen Sport. Das bis zum Unfall spannende Rennen mit vielen Überholmanövern wurde in einer Gelb-Phase hinter dem Safety Car entschieden. Nach 154 Runden auf dem 3,255 km langen Tri-Oval fuhr der Schwede Kenny Bräck zum vierten Saisonsieg und übernahm mit 131 Punkten die Führung in der Gesamtwertung.