• 17.06.2002 14:39

75 Jahre Nürburgring - Vom Notstand zur Goldgrube

Mit 150.000 Fans und der neuen "Mercedes-Arena" will der Nürburgring am kommenden Wochenende das Jubiläum feiern

(Motorsport-Total.com/sid) - Von der Notstandsmaßnahme zur Goldgrube: Vor 75 Jahren wurde der Nürburgring am 18. Juni 1927 nach zweijähriger Bauzeit im Rahmen der "produktiven Erwerbslosenfürsorge" feierlich eröffnet, heute ist der Ring die berühmteste Rennstrecke der Welt, eine lebenswichtige Geldquelle für die Eifelregion und vor allem der größte Wallfahrtsort für die "Rotkäppchen". 150.000 Fans wollen Weltmeister Michael Schumacher am Sonntag (14.00 Uhr/live bei Premiere und RTL) beim großen Preis von Europa zum Sieg brüllen.

Titel-Bild zur News: Nürburgring

In diesem Jahr zog das Bruder-Duell die Fans magisch in die Eifel

"Die Zuschauer wollen ihren Helden gewinnen sehen", sagt Nürburgring-Geschäftsführer Walter Kafitz, der trotz der großen Dominanz des Kerpeners keine Langeweile befürchtet. "Es ist die wohl letzte Chance für BMW und Mercedes, noch einmal ins Geschäft zu kommen. Das muss einfach ein spannendes Rennen werden", meint Kafitz im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid).

Stolz ist der "Herr des Rings" auf das neueste Highlight in der ruhmreichen Geschichte der Strecke: die Mercedes-Arena, die am Sonntag vor dem Rennen von Bundeskanzler Gerhard Schröder offiziell eingeweiht wird. Der stadionartige Streckenteil lässt wieder einmal Rekorde purzeln. Die Zuschauerkapazität steigt auf 150.000 Plätze, insgesamt werden am Wochenende 350.000 Fans rund um die Nürburg erwartet.

Für die strukturschwache Eifelregion ist das wie ein warmer Regen. Rund 100 Millionen Euro werden am Wochenende umgesetzt, 15 bis 20 Millionen bleiben davon als Nettowertschöpfung übrig. Etwa 3.000 Unternehmen mit 15.000 Beschäftigten profitieren vom Ring. So weit hatten die Politiker und Planer vor 75 Jahren sicher nicht gedacht, als sie mit mehr als 2.500 Arbeitern eine einzigartige Renn- und Teststrecke in die hügelige Eifellandschaft bauten.

28,2 Kilometer Länge, davon 22,8 auf der legendären Nordschleife, Steigungen von bis zu 17 Prozent und vor allem mehr als 170 Kurven. Der damals 26 Jahre alte Rudolf Caracciola gewann am 19. Juni 1927 in einem Mercedes Typ S das Eröffnungsrennen. Am Mittwoch wird McLaren-Mercedes-Pilot David Coulthard mit dem Original-Auto von 1927 eine Ehrenrunde in der Mercedes-Arena drehen.

Es folgten weitere Meilensteine in der Nürburgring-Geschichte. 1934 wurde in der Eifel der Mythos der "Silberpfeile" geboren, als Mercedes-Sportchef Alfred Neubauer über Nacht von seinen Autos die weiße Farbe abschleifen ließ, um das Gewichtslimit zu erreichen. 1954 lockten die Mercedes-Silberpfeile mehr als 300.000 Zuschauer zum Formel-1-GP.

Als in den 60er Jahren die Rennwagen immer schneller wurden, wuchs die Kritik an der Sicherheit der Nordschleife. Angeführt von Jackie Stewart, der den Begriff der "Grünen Hölle" prägte, boykottierte die Formel 1 1970 den Eifelkurs, kehrte nach einem Umbau der Nordschleife aber 1971 zurück. Der spektakuläre Feuerunfall von Niki Lauda am 1. August 1976, der den Österreicher fast das Leben kostete, bedeutete dann endgültig das Formel-1-Aus für die Nordschleife.

Nach dem Bau der neuen GP-Strecke kehrte die Königsklasse 1984 und 1985 kurzfristig in die Eifel zurück. Erst zehn Jahre später, als Michael Schumacher zum ersten Mal in der Eifel gewann, wurde der Nürburgring wieder fester Bestandteil des PS-Zirkus. Der aktuelle Vertrag läuft bis 2004, die Verlängerung ist Formsache.

Mit Investitionen von insgesamt 100 Millionen Euro, unter anderem in Tribünen, ein neues Boxengebäude, das neue Start-Zielhaus und die Mercedes-Arena verbesserte der Nürburgring in den letzten Jahren sein Paket ständig. "Wir sehen uns weltweit auf der Pole Position, an der Spitze der internationalen Rennstrecken", sagt Kafitz, der diese Stellung weiter verteidigen will - zumindest bis zum 100. Geburtstag.

Die Geschichte des Nüburgrings

18./19. Juni 1927: feierliche Eröffnung mit dem Eifelrennen (85.000 Zuschauer, Sieg von Caracciola)

15. Juli 1928: erstes Todesopfer (V. Junek auf Bugatti am Bergwerk)

28. Juli 1928: Gründung der Nürburgring GmbH 14. Januar 1929: Eintrag ins Handelsregister

03. Juli 1934: Geburt der "Silberpfeile" beim Eifelrennen 1936: Schaffung des Karussells mit 33 Prozent Neigung, Rosemeyer unterbietet als erster Fahrer die Zehn-Minuten-Rundenzeit beim Grand Prix

25. Juli 1937: erstmals Vergabe der Startplätze aufgrund der Trainingszeiten

29. Juli 1951: Grand Prix von Deutschland (WM-Lauf), erstes Rennen der Nachkriegszeit

31. August 1953: erstes 1.000-Kilometer-Rennen (44 Runden auf der Nordschleife)

01. August 1954: Grand Prix von Deutschland mit dem zweiten Auftritt der Silberpfeile vor mehr als 300.000 Zuschauern

26. Juni 1955: Rückkehr des Motorrad-Grand-Prix nach 1931

04. August 1957: Grand Prix für Formel 1 und 2, Fangio wird "Meister des Nürburgrings"

1959: aufgrund des geringen Zuschauerinteresses in den vergangenen beiden Jahren Wechsel auf die Avus in Berlin

06. August 1961: erstmals eine Runde unter neun Minuten (v. Trips)

03. Juli 1966: Grand Prix der Tourenwagen

07. August 1966: Hahne als erster Fahrer mit einem Tourenwagen unter zehn Minuten (Rahmenrennen beim Grand Prix)

28. August 1966: Altig wird Straßenweltmeister der Radprofis Juni

1967: erstes 24-Stunden-Rennen

1970: Boykott der Formel 1 (Umzug nach Hockenheim)

1971: Umbau der Nordschleife für 17 Millionen Mark, Rückkehr der Formel 1

12. August 1973: "Nürburgring-Show" mit dem ersten Rennen für Oldtimer (später Oldtimer-GP)

28. April 1974: Boykott der Solo-Motorräder beim Eifelrennen und damit Ende der Doppelveranstaltungen von Autos und Motorrädern

1975: erste Runde unter sieben Minuten (Lauda)

01. August 1976: Feuerunfall von Lauda am Bergwerk

11. November 1976: Expertenkommission fordert eine Kurzstrecke auf der nicht mehr benutzten Südschleife

1977: im 50. Jahr Entzug der Formel-1-Lizenz und Umzug nach Hockenheim

03. Oktober 1977: Aufsichtsratsbeschluss mit der Bitte an Gesellschafter für einen 6,6 km langen Neubau (Kostenschätzung 73 Millionen Mark)

1980: Gründung "Rettet den Nürburgring" wegen Finanzierungsproblemen, Umplanung auf 4,5 km

24. August 1980: letzter Grand Prix der Motorräder auf der Nordschleife

12. Mai 1984: Eröffnung (82 Millionen Mark Kosten) vor 120.000 Zuschauern mit 21 190er Mercedes (Senna vor Lauda)

07. Oktober 1984: Großer Preis von Europa (Sieger Prost)

04. August 1985: letzter Grand Prix von Deutschland (Sieger Alboreto) und Umzug nach Hockenheim

01. Oktober 1995: Rückkehr der Formel 1 als Großer Preis von Europa, erster "Heimsieg" eines deutschen Fahrers bei einem WM-Lauf (Schumacher)

28. April 1996: wieder Grand Prix von Europa, insgesamt 230.000 Zuschauer, Villeneuve siegt vor Schumacher

28. September 1997: Der Nürburgring erhält einen Vertrag für die Ausrichtung von Formel-1-Rennen bis einschließlich 2001. Zum ersten Mal wird 1997 ein Großer Preis von Luxemburg in der Eifel ausgetragen, wieder gewinnt Villeneuve, Michael Schumacher scheidet nach einer Kollision mit seinem Bruder Ralf schon in der ersten Runde aus.

27. September 1998: Formel-1-Rennen erneut als Großer Preis von Luxemburg, die Kapazität wurde um 20.000 auf insgesamt 140.000 Plätze erhöht. Häkkinen siegt vor Schumacher, sichert den ersten Mercedes-Sieg seit Fangio 1954 und stellt die Weichen für den späteren Titelgewinn

30. Mai 1999: Der Vertrag des Nürburgrings zur Ausrichtung von Formel-1-Rennen wird vorzeitig bis 2004 verlängert

26. September 1999: Formel-1-Rennen als Großer Preis von Europa. Nach Regen-Chaos und vielen Ausfällen gewinnt Herbert in einem Stewart vor 142.000 Zuschauern, Rekord-Kulisse für den neuen Ring

Oktober 1999 bis Mai 2000: Umbau und Vergrößerung des Boxengebäudes für 30 Millionen Mark (1. und 2. Bauabschnitt)

21. Mai 2000: Formel-1-Rennen als Großer Preis von Europa, Michael Schumacher gewinnt erstmals in einem Ferrari in der Eifel, erneut 142.000 Zuschauer am Sonntag, 317.000 Fans am gesamten Wochenende bedeuten Rekord für den neuen Ring

Oktober 2000 bis April 2001: Bau des neuen Start-Zielhauses und eines neuen Pressezentrums als 3. Bauabschnitt des neuen Boxengebäudes

24. Juni 2001: Michael Schumacher feiert vor 142.000 Fans seinen dritten Sieg in der Eifel, am gesamten Wochenende werden 325.000 Zuschauer gezählt - wieder Rekord

Oktober 2001 bis Mai 2002: Bau der Mercedes-Arena, eines stadionartigen neuen Streckenteils, der den GP-Kurs um rund 700 Meter verlängert, zugleich wird durch neue Tribünen die Zuschauerkapazität auf 150.000 Plätze erhöht