15 Kilogramm Reifen für 6.000 Mark
Den Reifen kommt zur Saisonmitte in der Formel 1 eine immer größer werdende Bedeutung zu
(Motorsport-Total.com/sid) - Sie sind schwarz und rund, wiegen 15 Kilo und kosten 6.000 Mark pro Stück, und nie waren die Reifen in der Formel 1 so wertvoll wie heute. Nachdem Michelin zurückgekehrt ist und dem japanischen Hersteller Bridgestone das Monopol abgejagt hat, fahren Michael Schumacher und seine Kollegen auf der letzten Rille. Überall purzeln die Rundenrekorde. Ralf Schumacher war bei seiner ersten Pole Position in Magny-Cours knapp drei Sekunden schneller als Bruder Michael vor einem Jahr.

© Imago
Den Reifen kommt in der Formel 1 eine immer wichtigere Bedeutung zu
"Die Autos sind eigentlich langsamer geworden, aber die Reifen machen sie wieder viel schneller", sagt der dreimalige Weltmeister Michael Schumacher mit sorgenvoller Miene. Der Kampf ums "schwarze Gold" hat allerdings gerade erst begonnen. Bridgestone-Chef Shigeo Watanabe, dessen Konzern 1999 und 2000 Alleinausrüster der Formel 1
war, kündigte vor dem Großen Preis von Frankreich ein langfristiges Engagement an. Ab 2003 könnte es sogar zu einem Dreikampf kommen, denn auch Goodyear, mit 368 GP-Erfolgen Rekordsieger der "Königsklasse", strebt ein Comeback an.
Michelin rüstet BMW-Williams, Jaguar, Prost, Benetton und Minardi aus, Bridgestone beliefert den Rest des Feldes, darunter Ferrari und McLaren-Mercedes. Jeweils 50.000 Reifen bringen die beiden Hersteller pro Wochenende in diesem Jahr an die Strecken. Jeder der 22 Fahrer erhält 40 Trockenreifen, von den zwölf nur freitags im freien Training eingesetzt werden dürfen. Der Automobil-Weltverband FIA fühlt sich von den Reifen-Firmen ausgetrickst. Um die Autos wieder langsamer zu machen, bekamen die Rennreifen 1998 Rillen: vier vorne, vier hinten. Für FIA-Präsident Max Mosley war damit klar: weniger Auflagefläche bedeutet weniger Haftung. "Wir müssen die extremen Kurvengeschwindkeiten unbedingt senken, damit die Formel 1 sicherer wird", hatte der Engländer damals gesagt.
Was Mosley nicht ahnen konnte: Der "Reifen-Krieg" setzte seine gut gemeinten Regeln mehr oder weniger außer Kraft. Bridgestone und
Michelin geben viele Millionen aus und entwickeln für jedes Rennen neue Gummi-Mischungen, abgestimmt auf die Asphaltbeschaffenheit und
Temperatur. "Diese Entwicklung wird sicher nie ein Ende finden", meint Michelin-Rennleiter Pierre Dupasquier. So können in einem mobilen Backofen noch vor Ort letzte technische Erkenntnisse eingearbeitet werden.
Die Reifentechniker haben sich von allen Grand-Prix-Strecken Teerproben besorgt und in ihren Labors analysiert. Die Rezepte für die richtige Mischung des "schwarzen Goldes" sind fast geheimer als die von Coca Cola. Obwohl ein Reifen gut 6.000 Mark kostet, hält er manchmal keine 100 Kilometer. Das gute Stück wirft Blasen, löst sich auf und sieht aus wie eine Mondlandschaft. Die Rohstoffe für die wuchtigen Gummiwalzen, das haben Experten errechnet, könnten ein Einfamilienhaus etwa zwei Stunden lang mit Energie versorgen. Um immer wieder den optimalen Reifen zu finden, braucht man ein sensibles Händchen. Jedes Grad Celsius Veränderung der Außen- oder Asphalttemperatur hat drastische Auswirkungen auf die Haltbarkeit des Gummis und damit auch auf das Fahrverhalten des Autos. Wenn der Belag die ideale Betriebstemperatur von knapp unter 100 Grad Celsius deutlich übersteigt, wölbt er sich und platzt auf, dann fliegen die Fetzen.
Selbst kleinere Streuungen in der Produktion können große Folgen haben, denn wenn ein Reifensatz im Rennen pro Runde ein paar Zehntelsekunden langsamer ist, so kann das an der Spitze über Sieg oder Niederlage entscheiden - dieses Problem hatte Ralf Schumacher in Magny-Cours, der darüber klagte, dass nur der erste Reifensatz perfekt funktionierte. Bei Michelin muss man die Reifen teilweise sogar gezielt auf eine bestimmte Art und Weise einfahren, damit sie im Rennen die perfekte Leistung bieten. Die Reifen sind längst eine Wissenschaft für sich geworden.

