• 14.10.2012 14:12

Vettel: "Wir müssen den Ball flachhalten"

Red-Bull-Pilot Sebastian Vettel spricht über seinen Sieg in Südkorea und nimmt Stellung zur neuen Situation in der WM, die er seit Yeongam anführt

(Motorsport-Total.com) - Die Pole-Position von Südkorea hat Sebastian Vettel zwar verpasst, nicht aber den Rennsieg: Beim fünftletzten Rennen des Jahres setzte sich der Red-Bull-Pilot gegen seinen Teamkollegen Mark Webber durch und gewann das dritte Rennen in Folge. Damit sicherte sich Vettel zugleich den ersten Platz in der WM-Gesamtwertung und reist nun als Favorit weiter nach Indien. In seiner Medienrunde spricht der Deutsche über seinen jüngsten Erfolg und sagt, was dieser für den Titelkampf bedeutet.

Titel-Bild zur News: Sebastian Vettel

Sebastian Vettel jubelt - über seinen jüngsten Sieg und die Tabellenführung Zoom

Frage: "Sebastian, ein perfekter Start, ein perfektes Rennen und der dritte Sieg in Folge. Du bist sicherlich sehr zufrieden?"
Sebastian Vettel: "Ja, ich bin sehr zufrieden. Fantastisch. Ich bin sehr, sehr zufrieden. Ich denke, es war ein fantastisches Rennen. Die Grundlage dazu war natürlich, einen guten Start zu haben."

"Da war ich mir nicht sicher, denn ich fuhr ja von der schmutzigen Seite los. Ich muss aber sagen: Ich hatte ziemlich guten Grip und kam gut weg. Mark hatte wohl etwas durchdrehende Räder und so konnte ich mich neben ihn setzen."

"Selbst damit war es aber nicht getan, denn die Anfahrt (zur dritten Kurve; Anm. d. Red.) ist ziemlich lang. Als ich in den siebten Gang hochschaltete, konnte ich Mark kommen hören. Er war neben mir. Ich versuchte dann, KERS zur Verteidigung einzusetzen. Zum Glück kam ich gut aus der dritten Kurve heraus und konnte die Führung behaupten."

"Danach versuchte ich, Druck zu machen. Im ersten Stint war es sehr eng. Mark war mir auf den Fersen, doch zum Ende fühlte ich, dass ich noch etwas mehr in meinen Reifen hatte. Ich konnte etwas länger fahren. Wir hatten zwei brillante Boxenstopps. Ich hatte nur einen Fehler. Einmal verbremste ich mich ziemlich heftig in der dritten Kurve."

"Da standen meine Vorderreifen still. Das war ein Fehler meinerseits. Doch zum Glück hatten wir ein gutes Polster nach hinten. Zum Schluss konnten wir die Abstände kontrollieren. Ich denke, wir alle hatten uns ein paar Sorgen um die Vorderreifen gemacht. Wir haben ja einige Fahrer gesehen, die blockierende Räder hatten und über die Kurvenscheitel hinausschossen. Ich bin daher sehr zufrieden."

"Ich denke, wir haben einen weiteren Schritt gemacht."

"Ich muss mich bei den Jungs bedanken. Die Mechaniker haben in der Garage ständig Vollgas gegeben, obwohl es seit Japan quasi keine Pause gegeben hat. Sie haben hart am Auto gearbeitet. Ich denke, wir haben einen weiteren Schritt gemacht. Das ist genau das, was wir brauchen. Hoffentlich können wir diesen Schwung mit in die kommenden Rennen nehmen."

Frage: "Es ging wohl nur um den Start und den Reifenhaushalt, oder?"
Vettel: "Nun, das wussten wir ja nicht. Es ist schwierig zu sagen. Jetzt können wir natürlich festhalten: Der Start war sehr wichtig. Du hast natürlich ein paar Szenarien im Kopf."

"Ich ging von der schmutzigen Seite aus ins Rennen. Die rechte Seite der Startaufstellung, das haben wir 2011 gesehen, ist meist etwas besser. Ich kam aber gut weg und man konnte sehen, dass Mark auf den ersten Metern ein paar Probleme hatte. Ich war neben ihm und hatte in der ersten Kurve die Innenseite. Das war gut für uns."


Fotos: Sebastian Vettel, Großer Preis von Südkorea


"Damit war es aber noch nicht getan, denn es folgte eine lange Gerade. Und wir hatten während des gesamten Rennens sehr viel Gegenwind zwischen den Kurven zwei und drei. Ich hörte Mark herankommen. Er war dann neben mir, doch ich hatte erneut die Innenbahn und konzentrierte mich völlig darauf, einen guten Ausgang aus Kurve drei zu erwischen."

"Das gelang mir glücklicherweise. Ich blieb vorn. Ich glaube, es war dann, dass sich Mark mit Fernando duellierte. Das war auf der Anfahrt zu Kurve vier. Für mich war es der perfekte Start mit einem perfekten ersten Stint. Gegen Ende des Stints konnte ich ein bisschen wegziehen und einen Abstand zu Mark aufbauen."

Der Reifenhaushalt als Schlüssel zum Erfolg

"Das half mir dabei, etwas länger auf der Strecke zu bleiben. Wir hatten einen sehr guten Boxenstopp, einen sehr guten zweiten Stint. So konnten wir erneut einen Abstand aufbauen. Mir unterlief nur am Ende des zweiten Stints ein kleiner Fehler, als ich Kurve drei anbremste. Ich blockierte das rechte Vorderrad."

"Solche Probleme hatten heute aber wohl mehrere Piloten. Im Schlussstint probierte ich daher, die Sache etwas mehr zu kontrollieren. Am Ende hatte ich dann noch mehr von den Reifen zur Verfügung. Wir hatten dann auch den Abstand, um das Rennen zu kontrollieren. Sobald du aber den Punkt erreicht hast, an dem die Vorderreifen hinüber sind, ist das dein Ende."

"Es gibt keine Möglichkeit, dann noch einmal zurückzuschlagen. Wir haben viel über Funk gesprochen, um der Schwierigkeiten Herr zu werden und die Vorderreifen gut zu behandeln. Das ist uns, denke ich, bis zum Ende gelungen. Ich bin sehr zufrieden mit diesem Ergebnis und möchte mich bei den Mechanikern und dem Team bedanken."

"Sie haben mehr gearbeitet, als wir von ihnen verlangen sollten - nächtelang. Ich hoffe, sie bekommen jetzt eine kleine Pause und endlich etwas Schlaf. Es ist aber eine schöne Belohnung für die Jungs in der Garage, einen Doppelsieg einzufahren. Ich bin wirklich hochzufrieden mit diesem Ergebnis."

Frage: "In den Schlussrunden hörten wir, wie das Team dir via Funk durchgab, vorsichtig zu sein, langsam zu fahren. Gab es ein Problem? Du fuhrst deine persönlich schnellste Runde ganz am Ende. War das ein großes Risiko?"
Vettel: "Nach deinem letzten Boxenstopp sind noch etwas mehr als 20 Runden zu fahren."

"Ich denke, das kann man sich gut ausrechnen. Du hast noch reichlich Kilogramm an Bord. Am Ende ist das Auto fast leer, also kannst du schneller fahren, ohne dich mehr reinzuhängen. Ich denke, das ist für alle so, denn du hast deine Reifen ja noch immer am Auto."

"Es gelang uns, die Situation ziemlich gut zu kontrollieren." Sebastian Vettel

"Wir versuchen während des letzten Stints stets, sie zu schonen. Wir haben ja im zweiten Stint gesehen, wie rasch man die Vorderreifen blockieren und die Kontrolle über sie verlieren kannst. Wir wollten natürlich nicht erneut in solche Schwierigkeiten haben. Vor allem nicht bei dem Druck, der von hinten kam."

"Selbst wenn du einen großen Vorsprung hast: Wenn du Probleme mit den Reifen hast, dann kannst du in diesen letzten Runden noch einiges verlieren. Ich rede hier von einigen Sekunden pro Runde. Wir wussten es einfach nicht. Wie ich schon sagte: Es gelang uns, die Situation ziemlich gut zu kontrollieren. Wir hatten also noch ein paar 'Schuhsohlen' übrig."

"Die Reifen waren nicht mehr ladenneu, aber eben auch nicht komplett hinüber. Man versucht halt, hier und da nicht ganz am Limit zu sein. Ich fuhr im letzten Sektor etwas schneller. Deshalb war die Rundenzeit recht ähnlich zu den Zeiten, die ich zu Beginn des Stints gefahren war. Wenn man aber den Unterschied beim Sprit bedenkt, dann ist das ein großer Unterschied."

Keine schnellste Runde für Vettel

Frage: "In den Schlussrunden hat man dich wieder eingebremst, dass du nicht wieder die schnellste Runde drehst. Oder ging es da nur um die Reifen?"
Vettel: "Ich habe aus dem Auto heraus ja gesehen, was die Reifen machen. Man weiß ja, wo man da steht und wie viel man den Reifen antut. Das sieht manchmal nicht gut aus. Ein bisschen kann man zurückkommen."

"Unterm Strich versuchst du aber, das Optimum zu finden. Man weiß ja nicht genau, wie lange der Stint sein wird. Deshalb willst du einen Vorsprung herausfahren, um später davon zu profitieren. Andererseits strapaziert man die Reifen dabei etwas mehr. Unterm Strich ist es uns heute gut gelungen, auf beides Acht zu geben. Wir waren schnell und reifenschonend."

Frage: "Es ist der erste Doppelsieg in diesem Jahr. Doch Ferrari und McLaren werden sicherlich zurückschlagen wollen. Was habt ihr noch in der Hinterhand? Und wie groß ist die Motivation?"
Vettel: "Ich denke, die Motivation ist natürlich weiter vorhanden. Ich weiß: Ich könnte nicht eine Nacht mit zu wenig Schlaf auskommen, doch die Jungs machen das nun schon drei Wochen in Folge. Das ist wirklich beeindruckend. Und ich denke nicht, dass es uns an Motivation fehlt."

"Wir haben einen perfekten Teamgeist in der Garage." Sebastian Vettel

"Wir haben einen perfekten Teamgeist in der Garage. Die Atmosphäre ist klasse und wir alle wollen unser Bestes geben, um am Sonntag das Rennen zu gewinnen. Wir haben schon während der gesamten Saison sehr viel Druck gemacht. Wir haben viele Dinge ausprobiert. Manchmal waren wir dabei erfolgreicher als bei anderen Gelegenheiten. Wichtig ist aber nur der heutige Tag."

"Was auch immer passiert ist, ist Geschichte. Wir müssen nach vorn schauen. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Ich denke, wir werden uns ein paar Drinks genehmigen, ehe wir zurückreisen. Es ist schwierig, vorherzusehen, was in den nächsten Rennen passieren wird. Wie du schon sagtest: Es ist der erste Doppelsieg in diesem Jahr. Das zeigt, wie schwierig die Saison für alle ist."

"Ferrari war am Sonntag extrem konkurrenzfähig. Vielleicht waren sie sogar besser, als alle das erwartet hatten. Felipe (Massa; Anm. d. Red.) war nur knapp hinter Fernando. Ja, sie waren schnell im Rennen. Wir wissen, dass ihr Auto in allen Bedingungen funktioniert. Wir müssen also aufpassen, uns auf uns selbst konzentrieren und tun, was wir können."

Vorteil Vettel im WM-Endspurt?

Frage: "Du scheinst nun einen psychologischen Vorteil gegenüber Fernando Alonso zu haben. Auch technisch scheint Red Bull nun besser aufgestellt zu sein. Wie sehr hat dir das Doppel-DRS geholfen?"
Vettel: "Nun, ich habe es in diesem Rennen gar nicht benutzt. Es war natürlich keine Option."

"Es ist ja nicht nur ein Element am Auto, das dich schneller macht. Ich denke, wir haben versucht, sehr viel am Auto zu arbeiten. Manchmal führst du neue Teile ein, manchmal widmest du dich einfach nur dem Setup. Du musst klug vorgehen, dich auf dein Bauchgefühl verlassen. Du muss auf das hören, was dir die Daten sagen und entsprechend reagieren."

"Alle machen viel Druck. Manchmal findest du beim Setup mehr als du mit neuen Teilen erreichen könntest. Wie ich schon sagte: Wir machen da sehr viel Druck. In dieser Saison geht es bislang aber hoch und runter. Wir hatten jetzt ein paar sehr gute Rennen. Wir wissen aber auch, wie wenig es braucht, um ein Rennen auf einer ganz anderen Position zu beenden."

"Garantien gibt es eben keine. Du musst dich um dich selbst kümmern. Ob wir einen mentalen oder psychologischen Vorteil haben, ist mir eigentlich egal. Ich mache mir nichts aus solchen Dingen. Wie ich schon sagte: Wir schauen nach uns selbst. Es gibt viele Dinge, auf die wir uns konzentrieren müssen, um perfekte Arbeit zu leisten. Das ist an jedem Wochenende das Ziel."

Frage: "Du führst nun in der Gesamtwertung. Glaubst du, die anderen Fahrer - vor allem Fernando Alonso - können dich schlagen? Was wirst du tun?"
Vettel: "Es ist besser, als wenn wir noch dahinter wären. Wir müssen aber den Ball flachhalten und dürfen keine überflüssige Energie verschwenden."

"Es ist hart, aber darum geht es ja. Ich freue mich auf die nächsten paar Rennen. Wir hatten zuletzt ein paar gute Grands Prix, haben aber gesehen, dass es in dieser Meisterschaft ziemlich hoch und runter geht. Viele Dinge können passieren."

"Was wir machen? Ich denke, wir müssen uns auf uns selbst konzentrieren. Wir müssen die bestmöglichen Ergebnisse anstreben. Und dann schauen wir einmal. Ich denke, wenn wir am Saisonende genug Punkte haben sollten, dann wird es genug Leute geben, die uns das sagen. Wir brauchen also gar nicht selbst zu rechnen."

Frage: "Wirst du nach diesem Erfolg noch richtig abtanzen?"
Vettel: "Nun, ich glaube, der Meister - zumindest des koreanischen Tanzes - ist ja heute da. Ich überlasse es lieber ihm (Popstar Psy; Anm. d. Red.). Wir werden am Abend aber sicher noch etwas trinken, ehe wir zusammenpacken und nach Hause fahren."