Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Franck Perera

Als erster Lamborghini-Sieger der DTM schien es, als hätte er Mirko Bortolotti entzaubert, doch dann wendete sich das Blatt: Verliert Perera jetzt die Nerven?

Liebe Leserinnen und Leser,

Titel-Bild zur News: Franck Perera

Franck Perera: Der erste Lamborghini-Sieger der DTM gerät immer mehr ins Eck Zoom

hat Franck Perera nach seinem Abschuss von Lamborghini-Markenkollege Clemens Schmid beim Sonntagsrennen auf dem Lausitzring wirklich schlecht geschlafen? Es gibt berechtigte Zweifel, denn der älteste Fahrer im Feld war sich keiner Schuld bewusst, obwohl sich das Fahrerlager einig war und dem auf Platz drei liegenden Pechvogel Schmid wieder einmal die Chance auf das Podest zunichte gemacht wurde.

Dabei geht die Kurve beim französischen Lamborghini-Werksfahrer, der dieses Jahr für das Ex-Porsche-Team SSR Performance antritt, seit dem Auftakt-Wochenende in Oschersleben nach unten. Denn Ende Mai sah der 39-Jährige noch wie der neue Heilsbringer der italienischen Marke aus, als er im ersten Rennen völlig souverän den ersten Lamborghini-Triumph in der DTM einfuhr.

Und damit scheinbar mühelos etwas erreichte, woran sich Werksfahrer-Kollege Mirko Bortolotti - der gefühlt stets die klare Nummer 1 bei Lamborghini war - 2022 in der DTM die Zähne ausbiss.

Bortolotti vs. Perera: Wie sich das Blatt wendete

Es sah so aus, als habe Perera Bortolotti entzaubert. Doch dann stellte sich heraus, dass der in Wien lebende Italiener an den ersten zwei Saisonwochenenden bei seinem Fahrzeug unter einem mysteriösen Problem litt, was wohl auch damit zu tun hatte, dass die SSR-Truppe den Huracan noch nicht so gut kennt.

Denn genaue Informationen wollte das zugeknöpfte Team - wie auch bei Bortolottis Nürburgring-Problem, das einen Start am Sonntag verhinderte - nicht geben. Auf jeden Fall war Bortolotti ab dem dritten Saison-Wochenende auf dem Norisring, als auch sein Auto konkurrenzfähig war, wieder da und feierte auf dem Nürburgring endlich den ersten DTM-Sieg.

Und Perera geriet immer mehr aus der Spur: Nachdem er in Zandvoort als Dritter immerhin seinen zweiten DTM-Podestplatz eingefahren war, war an den vergangenen drei Wochenenden ein zehnter Platz auf dem Nürburgring sein Highlight. Und das, obwohl Lamborghini bei drei der vergangenen vier Rennen siegte.

Kontroverse um Perera bei Bortolottis erstem Sieg

Dazu kamen Zwischenfälle: Am Nürburgring-Samstag, als er als Sechster endlich mal wieder vorne startete, räumte er beim Start Abt-Audi-Pilot Kelvin van der Linde ab und erhielt als Schuldiger dafür drei Penalty-Lap-Strafen, die er dann auch noch nicht ordnungsgemäß abbüßte.

Und dann sorgte er für die nächste umstrittene Aktion, weil er beim Restart direkt hinter SSR-Teamkollege Bortolotti mit einer Runde Rückstand so langsam war, dass der Italiener sich den Sieg nur noch abholen musste. Die Sportkommissare konnten dem Team aber keine Absicht nachweisen, zumal Perera als einziger auf Regenreifen war.

Und - wie mir Fahrerlager-Kenner berichten - Perera und Bortolotti abgesehen davon nicht gerade die besten Freunde sind.

Lamborghini-Kollision: Telemetrie spricht Schmid frei

Auch am Lausitzring war Perera voll dabei, als es Aufregung gab: Am Samstag noch schuldlos, als er von Thomas Preining und Luca Engstler in die Zange genommen wurde, aber am Sonntag kann es sich wohl nur um ein Blackout gehandelt haben, als er Schmid in Runde 15 auf die Hörner nahm. Und dann auch noch dem Opfer die Schuld in die Schuhe schob.

Der Grasser-Markenkollege habe zu früh gebremst und auch noch die Spur gewechselt, er habe keine Chance gehabt. Die Sportkommissare sehen das anders: Für sie ist Perera alleiniger Verursacher und muss am Sachsenring um fünf Startplätze zurück.

Auch die Telemetriedaten sprechen Schmid frei: Sie zeigen, dass der Österreicher tatsächlich an der gleichen Stelle wie davor bremste. Und dass sich Perera komplett verschätzt haben muss: Denn Schmids Lamborghini beschleunigte durch den Anprall noch einmal um neun km/h, obwohl er voll auf der Bremse stand. Ein Beleg für die Wucht.

Clemens Schmid

So sah das Heck von Clemens Schmids Lamborghini nach dem Perera-Anprall aus Zoom

Warum Perera in dieser Phase deutlich schneller fahren konnte? Das lag daran, dass der SSR-Pilot nach dem frühen Aus am Vortag einen frischen Reifensatz überhatte, während Schmids Reifen vom Vortag bereits eine halbe Renndistanz auf dem Konto hatte.

Perera nun als "Wasserträger" für Bortolotti?

Während Perera also nun der Buhmann ist, verlässt Bortolotti als neuer DTM-Leader den Lausitzring. Sein interner Rivale hat die Lamborghini-Hackordnung wieder hergestellt. Perera, der trotz des Auftaktsieges in der Meisterschaft als Zehnter nur 66 Punkte auf dem Konto hat, wird sich bei den verbleibenden sechs Rennen Bortolotti (138 Punkte) unterordnen müssen.

Denn das finanzstarke SSR-Performance-Team, das sich - wie man im Fahrerlager hört - die Lamborghini-Werksfahrer in der DTM exklusiv gesichert hat, weshalb sich Grasser neu aufstellen musste, dafür aber die Finanzierung selbst stellt, will unbedingt diesen ersten DTM-Titel mit Lamborghini.


DTM Lausitzring 2023: Heißer Fight um den Sieg

Im heißen Sonntagsrennen lieferten sich Mirko Bortolotti und Ricardo Feller einen packendes Führungsduell bis zur Ziellinie. Weitere DTM-Videos

Dass er mit der Schmid-Kollision eher Preining geholfen hat, der direkt dahinter lag, ist ein zwar unabsichtlicher, aber fürs Team höchstunerfreulicher Nebeneffekt. Auch bei Lamborghini soll man über die markeninterne Kollision nicht gerade happy gewesen sein.

Schneller Mann mit Karriere voller Rückschläge

Aber woran liegt es, dass Perera zuletzt wiederholt sein Glück erzwingen wollte? Möglicherweise hat das auch mit seiner Vita zu tun. Denn der schnelle Mann, der 2004 in der Formel 3 gegen Lewis Hamilton, Nico Rosberg oder Robert Kubica kämpfte und Achter in der Meisterschaft wurde, schaute zu zu oft in seiner Karriere in die Röhre, während andere im richtigen Auto saßen und die Lorbeeren ernteten.

2011 war der einstige Toyota-Formel-1-Ersatzmann, der auch eine IndyCar-Karriere wie Landsmann Simon Pagenaud verdient hätte, komplett auf dem Abstellgleis und jobbte sogar schon als Kellner oder Chauffeur. Ein Jahr später fasste er neuen Mut und kämpfte sich über den GT-Sport in den Lamborghini-Werkskader - und jetzt fährt er mit dem Topteam SSR in einer Einzelkämpferserie wie der DTM.

In der er nun auf dem Prüfstand steht. Die nächsten Rennen könnten über seine Zukunft in dieser Serie entscheiden. Da sollte er nicht die Nerven verlieren, wie er das in der Lausitz getan hat.

Sven Haidinger