• 04.12.2019 09:02

  • von Roland Hildebrandt

VW Golf 8 (2019) im Test: Der beste Kompaktwagen?

Deutschlands Lieblingsauto wird zum rollenden Smartphone

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Hätten Sie es gewusst? Alle 40 Sekunden wird weltweit ein VW Golf verkauft. Doch obwohl es nicht mehr lange dauern wird, bis der 36-millionste Golf vom Band läuft, wird die Luft für den Kompakt-König dünner.

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VW Golf 8 (2019) im Test Zoom

Andere Wettbewerber holen auf, hausintern knabbern unter anderem Seat Leon, VW Polo und VW T-Roc am fetten Golf-Kuchen. Damit nicht genug: Mitte 2020 startet der elektrische ID.3 im Golf-Format. Kein Wunder also, dass VW den neuen Golf (es ist die achte Generation) mächtig aufmotzt. Wir konnten den Golf 8 bereits vor dem Marktstart fahren.

Ein Golf ist ein Golf ist ein Golf. Hierzulande das meistverkaufte Auto. Optisch vielleicht nicht sonderlich aufregend, aber mehrheitsfähig. Damit das auch in Zukunft so bleibt, ist man in Wolfsburg behutsam vorgegangen. Äußerlich ähnelt der VW Golf 8 seinem Vorgänger, neu ist eine etwas schärfer gezeichnete Frontpartie.

Stets serienmäßig sind LED-Scheinwerfer und -Rückleuchten, optional ist Matrix-Licht lieferbar. Der neue Golf behält seine Figur, wie die Abmessungen zeigen: 4,28 Meter lang, 1,79 Meter breit und 1,46 Meter hoch. Dazu ein Kofferraumvolumen von 380 bis 1.237 Liter. Kopf- und Beinfreiheit? Passt auf allen Plätzen.

Bis hierhin herrscht also Evolution statt Revolution. Im Cockpit hat VW aber den Golf komplett umgekrempelt: Displays und digitale Instrumente sind immer serienmäßig, an der Basis 10 Zoll plus 8,25-Zoll-Infotainment. Unser Testwagen hat das "Discover Pro" genannte Topmodell mit 10-Zoll-Touchscreen an Bord. Doch damit nicht genug: Knöpfe sind weitestgehend verschwunden, was übrig ist, wird über berührungsempfindliche Tasten gesteuert, sogar die Innenbeleuchtung.

Daran muss man sich erst gewöhnen, etwas zu klein ist die Beschriftung des Tastenfelds in der Mittelkonsole unter dem Touchscreen auf Höhe der Lüftung. Apropos Lüftung: Eine 1-Zonen-Klimaautomatik hat schon der Basis-Golf.

Wer eine mehrzonige Lösung und die Sprachsteuerung bestellt, kann als Beifahrer sagen: "Hallo Volkswagen, es zieht". Prompt wird ihm weniger Luft zugefächelt. Ansonsten muss die Gebläsestufe per Touchscreen geändert werden. Alles machbar, es geht aber auch praktischer.

Überhaupt sollte sich jeder Käufer eines Golf 8 ungefähr 30 Minuten mit der Bedienung und der Konnektivität auseinandersetzen. Hat man alles erst einmal kapiert, funktioniert das Zusammenspiel mit dem Knight-Rider-Cockpit bemerkenswert gut.

Serienmäßig sind mobile Online-Dienste und -Funktionen namens "We Connect" und "We Connect Plus" im Golf 8 vorhanden, letzteres je nach Markt für ein bis drei Jahre. Die Datenkosten übernimmt VW, außer bei Musikstreaming, Webradio und dem WLAN-Hotspot.

Generell würde ich dazu raten, sich zu überlegen, was man wirklich braucht und nutzt. Da jeder Golf Android Auto und Apple CarPlay mitbringt, kann ich auch einfach mein Smartphone koppeln und bekomme Navigation oder empfange mittels App meinen Lieblingssender "Swiss Jazz" aus der Schweiz.

Wie fährt er sich?

Fast könnte man bei all der neuen schönen Digitalwelt vergessen, dass auch der VW Golf 8 in erster Linie ein Auto mit Verbrennungsmotor ist, das seine Insassen von A nach B bringen soll. Zum Marktstart im Dezember 2019 stehen folgende Aggregate bereit: 1.5 TSI mit 130 und 150 PS, der 1.5 eTSI mit 48-Volt-Mildhybrid und 150 PS sowie der 2.0 TDI mit 115 respektive 150 PS.

Meine erste Testrunde mache ich im 130-PS-Benziner. 200 Newtonmeter Drehmoment sollen hier zwischen 1.400 und 4.000 Umdrehungen bereitstehen. Doch viel merkt man davon nicht. Auf Autobahnanstiegen stehe ich voll auf dem Gas und trotzdem geht es nur zäh vorwärts. Vielleicht haben der serienmäßige Otto-Partikelfilter und die lang übersetzte Sechsgang-Schaltung ihren Anteil daran, dass sich der Motor eher wie 110 PS anfühlt. 

Damit wir uns nicht falsch verstehen (und VW-Konzernboss Herbert Diess kein wütendes Fax schickt): Eine lahme Krücke ist die 130-PS-Maschine sicherlich nicht, im Alltag wird der gut gedämmte Vierzylinder kaum auffallen. Aber ob der nominellen Leistung wäre schlicht mehr Spritzigkeit zu erwarten.

So gesehen ergeben sich zwei Optionen für den Golf-Liebhaber: Entweder auf die Basis-Turbodreizylinder mit 90 und 110 PS warten. Oder zu einem eTSI greifen. Hier koppelt VW ein 48-Volt-System mit einem Siebengang-DSG. Man kann mit abgeschaltetem Motor "segeln" und bekommt beim Anfahren mehr Butter aufs Brot.

Die Mildhybride wird es mit 110, 130 und 150 PS geben, ins Programm kommen auch noch zwei Plug-in-Hybride. Später runden Sportmotoren mit bis zu 300 PS für Golf GTI und Golf R das Angebot ab.

Umstieg in den Golf 1.5 eTSI mit 150 PS: Hier erblicke ich den kurzen DSG-Schaltstummel, der aber sehr gut funktioniert. Generell macht dieser Wagen einen deutlich harmonischeren Eindruck. Klar, er hat 20 PS und 50 Newtonmeter mehr, genauso wie der große 1.5 TSI ohne e davor. Aber das Gesamtbild ist schlicht stimmiger, alle Komponenten bilden eine gelungene Einheit. Ohne Anfahrschwäche wechselt das DSG sehr unauffällig die Gänge, alle Komponenten greifen punktgenau ineinander. 

Und der Verbrauch? Nun gut: Unterschiedliche Strecken, unterschiedliche Motoren und Getriebe. Trotzdem überraschen die glatt sechs Liter beim 130-PS-Golf positiv. Beim 150-PS-Mildhybrid erreichte ich mit stur 120 km/h auf der Autobahn 5,6 Liter. Ein feiner Wert, der für Normalfahrer einen Diesel überflüssig macht. Letztere sollen übrigens dank Twindosing-SCR-System mit doppelter AdBlue-Einspritzung besonders sauber sein.

Noch ein paar Worte zu Fahrwerk und Lenkung: Vorn kommt eine McPherson-Achse zum Einsatz, hinten je nach Antrieb eine Verbundlenkerachse (unter 150 PS und Frontantrieb) oder Mehrlenkerachse (ab 150 PS oder Allradantrieb). Im Vergleich federn beide Achsen viel weg, bei groben Unebenheiten ist die Mehrlenker-Variante aber nicht so radikal besser, wie man vermuten würde.

Für den neuen Golf sind zwei verschiedene Lenkungen erhältlich. In der Grundversion kommt ein Lenkgetriebe mit einer linearen Übersetzung zum Einsatz. Optional ist wieder eine Progressivlenkung mit nochmals direkterer Übersetzung in der Mitte und nur zwei Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag erhältlich.

Was kostet er?

Der frühe Vogel fängt den Wurm. Aber er bekommt keine Preise, denn die gibt es erst zum Verkaufsstart am 5. Dezember 2019 (wir werden berichten). Nur so viel lässt VW schon durchblicken: Der Basis-Golf 8 mit 90 PS soll bei unter 20.000 Euro starten. Kein schlechter Deal, sieht man sich die Serienausstattung an: Ein-Zonen-Klimaautomatik, LED-Beleuchtung vorne und hinten, schlüssellose Zentralverriegelung, Multifunktionslenkrad, ein Spurhalteassistent, dazu stets fünf Türen, aber nur 15-Zoll-Stahlräder.

Weil ein System zur Umfeldbeobachtung samt Fußgängererkennung stets inklusive ist, kann sein Radar sogar noch nachträglich für eine ACC-Funktion (adaptiver Tempomat) freigeschaltet werden.

Über der Basis rangieren die Ausstattungsvarianten "Life", "Style" und "R-Line". Bereits der Golf "Life" bietet sinnvolle Zusatzinhalte: 16-Zoll-Alufelgen, Mittelarmlehne vorn, induktives Smartphone-Laden, mehr Chrom innen, die Einparkhilfe namens "ParkPilot", höhenverstellbarer Beifahrersitz, mehr Infotainment-Funktionen sowie automatisch aktiviertes Autobahn- und Stadtlicht. Ein Extra lege ich Ihnen definitiv ans Herz: Das farbige Head-Up-Display sollte man sich gönnen.

Fazit: 9/10

Nummer acht ist der beste Golf, den es bislang gab. Allerdings muss man sich an die neuen digitalen Welten erst gewöhnen. Doch wohl nur durch solch einen radikalen Schritt steht dem Golf die Zukunft offen. Bei den Motoren ragen die neuen eTSI-Mildhybride positiv heraus. Sparfüchse sollten einen Blick auf die Dreizylinder-Benziner und die unteren Ausstattungen werfen. Denn auch das ist ein echter Fortschritt: Nackte Hütte war gestern.

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