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  • 25.10.2018 09:37

  • von Kyle Fortune, übersetzt von Stefan Wagner

Erste Mitfahrt im Porsche 911 Carrera S (992) 2019: Ist das noch ein echter Elfer?

Erste Mitfahrt im Vorserien-Prototyp des neuen Porsche 911 Carrera S (992) 2019 mit neuen Infos zu Motoren, Leistung und Marktstart

(Motorsport-Total.com/Motor1) - Wenn Porsche einen neuen 911 einführt, nimmt die Welt Notiz. Nicht, weil er vielleicht endlich mal anders aussehen könnte als sein Vorgänger, sondern weil jeder wissen will, wie Porsche es diesmal schafft, einen der besten Sportwagen der Welt wieder ein Stück besser zu machen.

Sogar jetzt, im reichhaltig abgeklebten Vorserien-Trimm (so begeht Porsche aktuell die letzten Tests an der amerikanischen Westküste) wirkt der Elfer bereits mehr als vertraut. Klar, es gibt neu gestaltete Rückleuchten, die dem Auto einen modernen Anstrich geben sollen, aber insgesamt ist das hier trotzdem eindeutig ein Porsche 911.

Der neue Elfer trägt die Bezeichnung 992. Er ersetzt den aktuellen 991 und soll auf der Los Angeles Auto Show im November erstmals in voller Pracht gezeigt werden (wobei wir eigentlich eh schon wissen, wie er aussieht).

Noch vor der offiziellen Premiere ist es uns nun allerdings gelungen, einen Platz auf dem Beifahrersitz des neuen Elfers zu ergattern. Neben dem "Who is who" von Porsche wohlgemerkt, denn zu meinen illustren Chauffeuren zählen "Mr. 911" August Achleitner, der Vizepräsident für die Baureihen 911/718 sowie Matthias Hofstetter (Direktor Antrieb 911/718), Andreas Pröbstle (Projektleiter Gesamtfahrzeug 718/91) und Alex Ernst (Teamleiter Fahrzeugtest).

Die Entwicklungsfahrten finden in San Francisco und im Großraum der Bay Area statt. Insgesamt hat Porsche vier Carrera S eingepackt. Es ist ein bunter Mix aus Hecktrieblern und Allradlern mit Standard- und Sportfahrwerken. Drei Autos haben Porsches PDK-Doppelkupplung an Bord, eins ist seltsamerweise mit einem Siebengang-Schaltgetriebe ausgerüstet. "Seltsamerweise" weil: Zunächst kommt der Carrera S ausschließlich mit PDK. Aber keine Angst, ihr verbliebenen knapp 7 Prozent Fans eines richtigen Schalthebels: Nach unseren Informationen wird das gesamte Carrera-Line-Up etwas später auch mit Handschalter erhältlich sein.

Porsche hat das Getriebe "Elektro-fit" gemacht.

Aber zurück zum PDK. Im 992 kommt eine andere Einheit als bisher zum Einsatz. August Achleitner erklärt:

"Das ist ein völlig neues Getriebe für den 911. Das PDK hat jetzt acht Gänge. Es kommt vom Panamera, aber mit einem geänderten Layout."

Bemerkenswert: Porsche hat das Getriebe für die Aufnahme eines Elektromotors vorbereitet (obwohl der Platz für diesen theoretischen E-Motor vorerst frei bleibt). Das bedeutet aber nicht, dass ein Hybrid im neuen 992 ausgemachte Sache ist. Achleitner weist nachdrücklich darauf hin, dass die gegenwärtige Batterie-Performance noch nicht gut genug ist, um einen Elfer seriös damit ausstatten zu können.

Aber natürlich hat sich Porsche auf den unvermeidlichen Tag vorbereitet, an dem die Batterietechnologie die Leistungsanforderungen des 911 erfüllen wird. In der Karosserie befindet sich eine Art doppelter Boden für eventuelle Batteriepakete. Wie das Getriebegehäuse bleibt er vorerst leer. Dennoch wiegt das neue Getriebe rund 20 Kilo mehr als das aktuelle Siebengang-PDK. Um das Extra-Gewicht auszugleichen, verwendet Porsche mehr Aluminium in der Karosserie des 992. Der neue Elfer wird nicht leichter. Das Ziel war, das Gewicht des Vorgängers zu halten.

Sehr interessant: Wie Achleitner erklärt, wird es "diesmal keinen schlanken Carrera" geben. Alle 992er kriegen die breiten Hüften, die Sie an "unseren" Carrera S-Prototypen sehen können. Hinten ist der neue Elfer nun immer so breit wie die noch aktuellen Varianten von 911 GTS und GT3. Vorne legt die Spurbreite um 40 mm zu. Der Carrera S fährt auf gewaltigen Walzen mit 20-Zöllern vorne und 21-Zöllern hinten, die man in 245/35er beziehungsweise 305/30er Gummis hüllt.

Natürlich gibt es auch wieder massenweise Traktion. Das ist ziemlich gut zu beobachten als Achleitner und sein Team die Autos mit nicht hundertprozentig legaler Geschwindigkeit eine extrem kurvenreiche Canyonstraße hinauf pilotieren.

Die breitere Spur des Fahrzeugs ermöglicht es den Ingenieuren, "verzeihendere" Stabilisatoren zu installieren, die das Einlenken optimieren, die Traktion verbessern und dem Carrera S eine noch natürlichere Agilität verleihen sollen, ohne den Fahrkomfort negativ zu beeinflussen. Freilich kriegt auch der neue Elfer wieder jede Menge elektronische Fahrspaß-Helferlein. Die optionale Hinterradlenkung zum Beispiel, die das Ansprechverhalten auf Lenkimpulse nochmal spürbar steigert.

Auch Achleitners Motorenmann Mathias Hofstetter hat einen ganzen Haufen Arbeit in den 992 investiert. Der Dreiliter-Biturbo muss ja die immer strengeren Emissions- als auch Verbrauchsvorschriften erfüllen und - wie das bei Porsche Usus ist - gleichzeitig die Leistungswerte des alten Autos übertreffen.

Das charakteristische Röcheln des Boxers ist noch immer da. Trotz Aufladung.

Der aufgeladene Boxer des neuen Carrera erhält ein neues Ansaugsystem, eine überarbeitete Kühlung (die Ladeluftkühler sitzen nun auf dem Motor und nicht mehr an den Seiten), überarbeitete Turboladergehäuse, eine neue Abgasanlage sowie eine Piezo-Kraftstoffeinspritzung. Kürzere Wege, schnellere Turbos, niedrigere Temperaturen und eine präzisere Kraftstoffeinspritzung sollten der Motorcharakteristik gut tun und das Ansprechverhalten weiter verbessern.

Der Carrera S soll letztlich bei 450 PS und 530 Nm landen. Das wären jeweils 30 PS und Nm mehr als bisher. Eine 0-100-km/h-Zeit für den Hecktriebler von etwa 3,8 Sekunden sollte so machbar sein. Die Leistung des "Basis"-Carrera wird übrigens von 370 auf 385 PS steigen.

Porsche 911 Carrera S 2019 Prototypen

Porsche 911 Carrera S 2019 Prototypen Zoom

Der Motor in meinem Carrera S reagiert äußerst leidenschaftlich und dreht mit der Begeisterung eines Saugers bis ganz hinauf zur Drehzahlgrenze bei 7.400 Touren. Gut für Amerika, nicht ganz so gut für uns: US-Elfer werden nicht von diversen Abgasfiltern behindert und nutzen das klanglich in vollen Zügen aus. Das charakteristische Röcheln des Boxers ist voll da. Trotz der Aufladung. Dazu kommen die mittlerweile üblichen "Prrappappaps" bei jedem Gaspedallupfer. 

Wie gewohnt wird es natürlich auch von diesem Porsche 911 diverse Performance-Derivate geben. GTS, Turbo und Turbo S (letzterer soll diesmal um die 650 PS bringen) sowie die GT-Modelle für die Hardcore-Enthusiasten. Noch immer ist nicht ganz klar, ob die GT3s nun ebenfalls vom Sauger auf die unter Fans so ungeliebte Zwangsbeatmung umsteigen. Wobei wir vermuten, dass es der Sauger noch einmal richten darf.

Ansonsten gilt: Auch ein Porsche 911 muss mit der Zeit gehen und so gibt es nun einige neue Technologien und Assistenzsysteme, die die Komfort-verwöhnte Kundschaft auch in einem Sportwagen nicht mehr missen möchte. Einen Spurhalteassistent, einen adaptiven Tempomat (sprich: semiautonomes Fahren) oder ein Nachtsichtsystem werden Sie künftig also auch im Elfer bekommen.

Ganz neu und absolut serienmäßig bringt Porsche ein Nässe-Detektionssystem. In Verbindung mit dem Wet-Modus (einer von mehreren Fahrmodi neben Normal, Sport, Sport+ und Individual) verfügt der 992 über Sensoren in den vorderen Radhäusern, die Wasser auf der Fahrbahnoberfläche erfassen und anhand dessen die Stabilitätskontrolle, die Getriebeeinstellung und die Position des Heckflügels anpassen, um dem Fahrer zu helfen, die Stabilität bei Nässe aufrecht zu erhalten.

Achleitner sagt, das System sei sehr nützlich, da der 992 relativ leicht ist und auf ziemlich breiten Reifen fährt. Das Nassdetektorsystem arbeitet automatisch und unabhängig von den Scheibenwischern. Denn stehendes Wasser ist nicht gleichbedeutend mit Niederschlag.

Ebenfalls neu: Sie werden nun von ihren die Türgriffen begrüßt, die bei der Annäherung ans Auto Range-Rover-esk herausfahren. Optional kriegt der 992 ein Sportfahrwerk mit 10 mm Tieferlegung, eine kernigere Sportauspuffanlage, die bereits erwähnte Hinterradlenkung oder das obligatorische Porsche Sport Chrono-Paket (das traditionell eine Stoppuhr und einen Fahrmodus-Taster am Lenkrad enthält).

Was die Bremsen betrifft, gibt es nun ebenfalls mehr Auswahl: Neben Carbon-Keramikscheiben (PCCB im Porsche-Sprech) können Sie nun auch gegen etwas weniger Aufpreis die neue PSCB (Porsche Surface Coated Brakes) mit weniger Feinstaub produzierender Wolfram-Carbid-Beschichtung erwerben.

Auf der Los Angeles Auto Show im November wird es dann offiziell mit dem neuen Elfer.

Und das Interieur? Blieb während meiner Fahrt weitgehend verkleidet. Der große, analoge, mittige Drehzahlmesser war trotzdem nicht zu übersehen. Er wird von einem Paar konfigurierbarer Bildschirme flankert, wie man das schon aus dem Panamera oder dem Cayenne kennt. Der neue Infotainment-Touchscreen scheint ebenfalls aus Panamera und Cayenne hinüber gewandert zu sein.

Nächsten Monat auf der Los Angeles kriegen wir dann den langersehnten Blick auf das fertige Produkt. Der erste richtige Test des neuen Elfers dürfte Anfang 2019 anstehen. Vom Beifahrersitz aus bleibt zu sagen, dass der 992 weiterhin dem Weg der evolutionären Veränderung zu folgen scheint, der das Modell seit mehr als 50 Jahren prägt.

Technische Daten Porsche 911 Carrera S 2019 Prototyp

Motor: Sechszylinder-Biturbo-Boxer; 3,0 Liter
Leistung: 450 PS/ 530 Nm
Getriebeart: 8-Gang-Doppelkupplung
Antrieb: Heckantrieb
Beschleunigung 0-60 mph: < 4,0 s (geschätzt)
Höchstgeschwindigkeit: 314 km/h
Verbrauch: noch nicht bekannt
Anzahl der Sitze: 4
Basispreis: noch nicht bekannt

Zur Bildergalerie der Porsche 911 Carrera S 2019 Mitfahrt (38 Bilder) auf Motor1.com Deutschland

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