Nissan vor Herkulesaufgabe Le Mans: "Wir wagen es..."

Nissan feiert mit dem Fronttriebler GT-R LM Nismo und vielen Fragezeichen sein LMP1-Comeback: Welche Herausforderungen warten und worauf die Japaner hoffen

(Motorsport-Total.com) - Eigentlich wollte Nissan bereits beim WEC-Saisonauftakt in Silverstone mit dem GT-R LM Nismo debütieren, doch die Japaner gerieten bei den Vorbereitungen in Rückstand und verschoben die Premiere auf die 24 Stunden von Le Mans. Zudem stieg Le-Mans-Sieger Marc Gene - eigentlich als Nummer eins verpflichtet - Anfang Mai kurzfristig aus, weil er meinte, dass er dem Team am besten als Berater helfen kann. Keine günstigen Vorzeichen.

Titel-Bild zur News: Harry Tincknell, Michael Krumm, Chris Buncombe

Wo landet das Batmobil? Nissan geht in Le Mans unkonventionelle Wege Zoom

Die Gründe zeigten sich dann wenig überraschend beim Vortest: Man war zwar auf den Geraden mit den Fronttriebler schnell unterwegs, konnte aber in den Kurven nicht einmal das LMP2-Tempo mitgehen. Zudem rollten die Autos immer wieder mit Elektronikproblemen aus. Auch die Fans sind skeptisch: In der Umfrage von 'Motorsport-Total.com', an der 1.800 Leser teilnahmen, rechnen 58,11 Prozent damit, dass Nissan gegen die anderen LMP1-Hersteller keine Chance haben wird.

20,22 Prozent der Leser geben Nissan eine Chance geben - sie wollen abwarten, denn vielleicht entwickelt sich das Auto noch gut -, während nur 3,28 Prozent glauben, dass der Nissan vorne mitmischen wird. Eine schallende Ohrfeige gibt es hingegen von 18,39 Prozent der Teilnehmer: Sie glauben, dass Nissan in Le Mans nicht einmal antreten wird.

Fahrer loben Drehmoment

Darauf deutet derzeit nicht viel hin, denn nach dem Le-Mans-Test laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Ex-Formel-1-Pilot Max Chilton, der das Auto mit der Nummer 23 gemeinsam mit Nissans GT-Academy-Sieger und GP3-Pilot Jann Mardenborough sowie Gene-Ersatz Olivier Pla pilotieren wird, erfreut sich am unkonventionellen Design seines Autos: "Es ist toll, Teil eines Werksteams zu sein, das mit einem so radikalen Konzept nach Le Mans reist. Ich denke, dass uns die Leute hoch anrechnen werden, dass wir es wagen, und im Laufe der Zeit werden wir zeigen, dass die klassische Herangehensweise an Le Mans vielleicht nicht immer die richtige ist."

Auch die Leistung des Boliden, der in der niedrigen Effizienzklasse mit zwei Megajoule eingestuft ist, sorgt bei Chilton für Begeisterung: "Das Drehmoment ist herausragend - mehr als bei jedem anderen Rennauto, das ich je gefahren habe." Das Frontmotorkonzept wirkt sich auf den Fahrstil aus: "Es ist im Vergleich zu den Hecktrieblern nicht so unterschiedlich, wie ich es erwartet hatte, aber man muss mehr über den Fahrstil nachdenken."


Fotostrecke: Frontmotor-Autos: Vorgänger des Nissan

Im Boliden mit der Nummer 22 sitzt der Deutsche Michael Krumm, der sich das Auto mit dem britischen LMP2-Le-Mans-Sieger Harry Tincknell und dessen Landsmann Alex Buncombe teilt. "Ich fahre nun 16 Jahre für Nissan Nismo, ich war 1998 und 1999 in der Topklasse Teil des Teams und habe die damaligen Anfangsjahre sehr genossen", sagt Krumm. Nach dem Ausfall 1999 hat er gemeinsam mit Nissan "noch eine Rechnung offen".

Fahrverhalten eine Herausforderung

Nach anfänglicher Skepsis ist er laut eigenen Angaben nun vom unüblichen Konzept "extrem begeistert. Am beeindruckendsten war für mich die gute Traktion auf der Geraden und die Aerodynamik. Das Auto erzeugt sehr wenig Luftwiderstand." Wie Chilton lobt auch er den Motor: "Der Turbo-Motor ist wirklich gut und verfügt über ein tolles Drehmoment. Wir werden in den verschiedenen Passagen schneller und langsamer als andere Autos sein. Das wird interessant."

Nissan GT-R LM Nismo, Retro

Nissan sorgt mit dem Retro-Design bei den Fans für Begeisterung Zoom

Zudem hofft er auf Regen, denn "der Frontantrieb wird sich dann als ernsthafter Vorteil herausstellen", glaubt er. Auch wenn der Regenguss ausbleiben sollte, wird der Nissan mit der Nummer 21 die Blicke auf sich ziehen, schließlich verfügt er über das Retro-Design, mit dem die Japaner vor 25 Jahren die Pole-Position geholt hatten.

Der Bolide wird von Super-GT-Meister Tsugio Matsuda sowie den beiden GT-Academy-Siegern Lucas Ordonez und Mark Shulzhitskyi gesteuert. Der Spanier Ordonez lobt den Topspeed, hält das Auto in den Kurven aber für herausfordernd: "Es fährt sich anders, weshalb man hart am Verständnis des Autos arbeiten muss. Außerdem muss man sein Wissen einsetzen, um sich anzupassen. Wir alle arbeiten aber zusammen, um das Beste herauszuholen."